EMPFEHLUNG, REVIEW

ANDREAS‘ FAST UNPOLITISCHER RÜCKBLICK 2017

2017: 54 Jahre ohne Abstieg, 40 Jahre „deutscher Herbst“, 50. Todestag von Benno Ohnesorg, 146 Jahre Pariser Kommune, 228 Jahre französische Revolution.

So, das zum üblichen Postdatischen, nun zu den postfaktischen Begebenheiten im postdemokratischen Weltgebäude.

Die Wirtschaft konnte ihre Marionetten auf 709 erhöhen. Und was für Pappnasen dazu gehören. Wo werden bloß solche Gestalten wie Weidel, seyn Wittgenstein, von Storch oder „die ewige Halloween-Maske“ Gauland usw. gezüchtet? Angeblich soll Albert Speer dafür extra Legebatterien in Germania eingeplant haben. Mittlerweile hat also neben der CSU eine zweite rechtspopulistische Partei im Plenarsaal zur „ewigen Raute“ Platz genommen. Eine Regierung haben wir deswegen noch lange nicht, bzw. nur eine geschäftsführende, welches übersetzt soviel bedeutet, wie den Stuhlgang zielgerichtet in die Keramik abzulassen. Wo wir bei den Exkrementen sind, bzw. deren Aufenthaltsort, da hat es sich doch im Enddarm von Merkel eine ökologische Partei bequem eingerichtet (entschlackende Sondierung), dass konnte einem „Schwarz-Weiß“ Narzissten wie Lindner nicht gefallen. Da half auch kein Balkon („Warum siehst du den Splitter im Auge deines Feindes, aber den Balkon deines Freundes siehst du nicht“). Jetzt kommt der Schulz, diese europäische Schnarchnase, einschläfernd wie Scharping. Würselen dem helfen? Neee.

Der Schulzzug verlor schnell sein zweites Z und der Lokführer lieferte gedankliche Verspätungen im Minutentakt. Die Basis an den Bahnhöfen konnte nicht schnell genug ihr „Geschlossen“ Schild aushängen. Das Größte davon hielt Kraft beim Wahlkampf ins Fenster und verlor selbst, ist jetzt aber im Aufsichtsrat von RAG… Noch Fragen?

Ein Landwirtschaftsminister träumte den Weg von der Feld- zur Weltherrschaft. So is er halt, der Schmidt.

Was macht die Friedensnobelpreisträgerin von 2012? Sie hat einen neuen Heilsbringer, den Mutterkomplex auslebenden Macron aus Frankreich, ein junger Mann mit Visionen (Hier bitte ein altes Zitat von Helmut Schmidt einfügen). Seine Bewegung „en Marche“ gewann haushoch die Wahl gegen einen Kuli und der Fortschritt kommt mit Schröder’s Agenda 2010 daher, da kann aus en Marche mal schnell…werden. Schluss jetzt mit den vulgären Weisheiten. Naja wenigstens ist seine sonstige Europapolitik im Sinne von Polen und Ungarn. Wo wir bei den unartigen Kindern der EU wären. Lolek und Bolek hat ja ein Flugzeug getrennt. Der Siamese Sinn liefert jetzt Orban. Kurz noch was zu Österreich…nee

Ein Jahr Trump. Seinen präsidialen Veitstanz vollzog er, in dem abwechselnd in Fettnäpfchen und Pulverfässer trat.

Luther Jahr war auch. Da wurde also ein bekennender Antisemit, der zudem noch die Bauern verraten hat, abgefeiert. Die Playmobil Figur Luthers wurde über eine Million mal verkauft. Statt Märchen verkauft die Kirche jetzt Spielzeug. Die Liebe zu Kindern scheint der Kirche immanent. Luthers Vulgärsprache feierte bei facebook einen Siegeszug, während die Ökumene ihn eher geärgert hätte. Handreichung mit dem Antichristen war ja nicht so sein Ding.

Siemens 1: Siemens hat einen Gewinnsprung von elf Prozent hingelegt.
Siemens 2: Siemens will in den nächsten Jahren weltweit 6.900 Arbeitsplätze streichen, davon die Hälfte in Deutschland.
Grundgesetz Artikel 14: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

 

War Relegation? Waldschmidt verhinderte diesmal die Extraeinnahmen. Die Uhr tickt weiter.

https://www.youtube.com/watch?v=0Y0bjEQPpic

 

Kommen wir zu den schönen Künsten

Ein Ereignis überstrahlte für mich den gesamten Musikkosmos. Es war die Tour von NICK CAVE. In Frankfurt und Hamburg durfte ich seine Show bewundern. Ein Wall of Sound der besonderen Klasse. Die Spielfreude und dieser kristallklare Klang waren einzigartig. Und zu guter Letzt ließ der Meister eine Show darnieder regnen, dass man glauben konnte, der ansonsten introvertierte Künstler möchte seine gesamte Fanschar einladen, zum Trauergottesdienst.

 

Die Top 5 an Konzerten vervollständigen:

EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN Osnabrück
Auch wenn es quasi nur die Vorprämie zum Auftritt in der Hamburger Elbphilharmonie war, war es ein gelungenes Event. Allerdings war früher mehr Krach.

https://www.youtube.com/watch?v=mXWrUjrUvQI

Und es geht weiter mit Helden der 80er. THE HUMAN LEAGUE in Bochum. Leider etwas kurz, dafür nur Hits.

PHILLIPP BOA gab sich in Bielefeld die Ehre und bei der jährlichen Aufzählung dürfen natürlich THE MISSION nicht fehlen, diesmal in Hannover. Eine Musikrichtung der 80er fehlt, die NDW. Eher durch Zufall (nachmittags, beim Spaziergang das Plakat entdeckt) kamen wir in den Genuss der Düsseldorfer Combo „NICHTS“ in Koblenz… Schöne Stadt übrigens.

Einen sehr emotionaler Auftritt legten die Briten von INKUBUS SUKKUBUS beim dritten AUTUMN FESTIVAL in Hameln hin. Auch wieder 80er.

 

TOP 10 der Alben 2017

Ihr werdet es kaum glauben, auch hier führt eine Band aus den 80ern.

Die „Erfinder“ des Shoegaze feierten 2017 ein begeisterndes Comeback

1. THE JESUS AND MARY CHAIN „DAMAGE AND JOY“
THE JESUS AND MARY CHAIN klingen als wären sie nie weg gewesen und hätten 18 Jahre an einem perfekten Album gebastelt. Textlich variieren die Schotten zwischen britischem schwarzen Humor und einer unprätentiösen politischen Meinung. Die einzelnen Songs atmen mit jeder Faser den Shoegaze, wirken selten angestaubt und besitzen diesen typischen Brit-Pop Charme, der sich mit einer melodischen Schräge bewaffnet und doch nur mit blumigen Refrains schießt. Review

 

2. TANKS AND TEARS „AWARE“
Ein perfekt inszeniertes Kleinod dunkler Musik. Variantenreich pendeln die Stücke zwischen betörender Harmonie und druckvollen Post Punk. Sänger Matteo, den ich auf der ersten VÖ als eine Mischung aus Burgess und Mic Jogwer bezeichnete hat heuer seine Stimmbänder noch detaillierter auf Text und Rhythmik abgestimmt. Man spürt förmlich, wie er in den einzelnen Passagen zwischen Fragilität, Wut und Sehnsucht hin und her wandert, um punktuelle Gefühlswelten mit der nötigen Tragik zu transportieren. Review

 

3. ELANE „ARCANE 2“
Elane steht für perfekt dargebotenen Mystik Folk. Hand- und mundwerklich bekommt der Hörer eine Form der musikalischen Kunst dargelegt, welche sämtliche Sinne zu berühren scheint. Hinzu kommt ein Gefühl für herrlich ausstaffierte Soundstrukturen, die mal bedrohlich, mal lieblich oder mal zerbrechlich erklingen. Zu guter Letzt besitzt der Gesamtkontext eine feine Pop-Note, welche hie und dort den einzelnen Songs einen hymnenhaften Charakter verleiht. Review

 

4. ANATHEMA „THE OPTIMIST“
Ein kraftvoller Wall of Sound mit reichlich, teils verspielten Anekdoten. Eher melancholisch als düster. Hymnische Harmoniebögen werden mit ästhetischen Knalleffekten verziert. Handwerklich, stimmlich und songwriterisch ein gelungenes Gesamtkonstrukt. Review

 

5. DIARY OF DREAMS „HELL IN EDEN“
Das 13 Album der Formation ist eine Melange aus kühler Ästhetik und der typisch betörenden Komponente, welche vor allem den warm-dunklen Stimmbändern Adrians zu verdanken ist. Ein Hochgenuss, mit der Diary of Dreams-typischen hohen Qualität. Review

 

6. MERCIFUL NUNS „A-U-M“
Der neunte Teil ihrer epischen Reise durch pansophische Traditionen, heilige Weisheiten und mystische Erkenntnisse wird jeden Goth Rocker begeistern. Review

 

7. SALINE GRACE „BLACKSMITH’S FIRE“
SALINE GRACE machen einfach wunderschöne Musik, welche beleuchtet wird von einer verdunkelten Kerze und dem geneigten Schwarzherz vorkommt, wie eine Kollaboration aus Nick Cave und And also the Trees. Review

 

8. LA SCALTRA „FREAKSHOW“
Nach ihrem voll und ganz gelungenen 4 Track-Debüt begibt sich das Trio, bestehend aus Aeleth Kaven – Main Vocals/Bass/Composing; Dae Widow – Vocals und Jay Sharpe – Guitar/Technik ins Laboratorium, um ihre düstere Extravaganzen zu verfeinern, zu deklinieren und um einen Sound zu kreieren, dessen tiefdüstere Facetten mit femininen Stimmbändern dargeboten, der betörenden Eleganz eine enorme ästhetische Tiefe verleihen. Review

 

9. SIBERIA „TURNING BACK TIDES“
Feinster Melancholic Wave, dessen betörende Eleganz auf Schnickschnack gut verzichten kann. Leidenschaft, Pathos und der Hang zur Melancholie in einer sanftmütigen Ummantlung. Watch out Mission Fans, this is great stuff. Review

 

10. VAINERZ „PATIENT“
Das Duo Rico F. Piller (P24) und Mario Förster (Never Endless) liefern mit „Patient“ ein perfektes Electropop Album ab. Geschickt lassen die Beiden die 80er mit der Moderne verschmelzen. Durchdringende Tanzbarkeit, verführerische Melodielinien und das Unterbringen von melancholischer Eleganz mit galant geschmückten Trauerflor sind nur einige Zutaten zu einem Werk, das keine Wünsche offen lässt. Gelungen auch die experimentelle Komponente, welche man unbeschwert in die Eingängigkeit einflechtet. Review

 

WICHTIGE ERGÄNZUNG!!
Zwei weitere Alben dürfen in der Aufzählung nicht fehlen, allerdings wurden die wundervollen Werke bereits 2016 veröffentlicht (Die Review erschien aber 2017). Beide Alben wären auch prädestiniert für Platz 1 (egal in welchem Jahr).

THE WOUNDED „SUNSET“
Die Niederländer kredenzen uns nach langer Wartezeit (die letzte VÖ liegt mittlerweile 12 Jahre zurück) ein wundervolles, emotionales Werk voller dunkler Hymnen und einer Stimme, welche schmerzbeseelt und tiefgreifend tragische Geschichten erzählt. Die Stimmbänder von Marco v.d. Velde sind perfekte Überträger von Gefühlen. Melodische Verträumtheit thront neben Saitenarien und zelebriert ein Klanggemälde, dessen gefühlvolle Interpretation den Hörer fesselt und ihn zudem zum Nachdenken anregt. Review

 

AEON SABLE „HYPAERION“
Die Band machte mich zu Recht darauf aufmerksam, dass dieses Album in meiner letztjährigen Aufzählung fehlte und schickte mir freundlicherweise ein Exemplar zwecks Rezension zu.
Traditioneller Goth Rock, der geschickt die beiden Teilaspekte verbindet. Da ist die gitarrenbetonte, rockige Seite, mal kristallin, mal schneidend gerifft. Dann diese romantische, düstere Atmosphäre, welche die mystische Eleganz alter britischer Gruselfilme beherbergt. Review

 

INTERVIEW DES JAHRES

Ein sehr interessantes Interview mit GOLDEN APES lege ich euch noch ans Herz.

Ein kleiner Ausschnitt:
Die Texte sind geprägt von einer wunderschönen Sprachgewalt, eine Hermeneutik scheint allerdings meist schwer möglich. Wie würdet ihr stilistisch eure Texte einordnen, gibt es evtl. einen „roten Faden“?

Natürlich gibt es einen roten Faden – mich. Meine Empfindungen, meine Wahrnehmungen, die neurologischen Prozesse in mir, der Wechsel von Purin und Pyrimidin auf meinen Nukleotiden und natürlich die Wechselwirkung von Set und Setting, von Autorhythmie und Reflektion. Ich bin nicht wirklich ein Geschichtenerzähler, kein Moralapostel und nicht auf der Suche nach Botschaften und Haltungen, die es zu vermitteln gilt. Im Grunde sind meine Texte nicht mehr als ein eidetischer Abdruck von Ist-Zuständen, von all dem Jetzt gespeist aus Erinnerungen, Ahnungen und der Schnittmenge, die einen so rastlos seien lässt. Und ja, ich weiß, dass die Worte nicht wirklich ein offenes Buch sind, aber das war auch nie die Intention. Das Ganze ist, auch wenn es mir leid tut dieses Klischee zu bedienen, in der Tat eine Art therapeutischer Prozess, eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Kopf. Und als solches kann es nicht den einen Sinn, die universelle Bedeutung geben. Noch nicht mal für mich selbst. Aber der Kompromiss ist, dass ich meine Empfindungen selbst als Orte wahrnehme, als Landschaften, die offen und zugänglich sind, betracht- und begehbar. Ich überlasse es nur jedem selbst was er dort finden und tun möchte. Es ist ein wenig wie das Betrachten eines Bildes. Auch wenn wir es gemeinsam vom selben Punkt aus anschauen, so hat doch jeder seine eigene Geschichte. Und die meine läuft unbeeinflusst jenseits der Leinwand. Und wie nur, wie ordnet man Empfindungen ein?

Das komplette Interview gibt es hier (lohnt sich wirklich!)

 

Fernsehsendung des Jahres

DIE ANSTALT (ZDF)
Danke für im Halse stecken gebliebene Lacher und für reichlich Aufklärung.

 

Ausblickend

Lasst uns die Gesellschaft BUNT und FRIEDLICH machen. Und – wenn etwas verbindet – dann MUSIK.

RIP: Felix Flaucher, Melcolm Young, Jaki Liebezeit, Karin Dor, Robert Knight, Fats Domino, Tom Petty, „Geoff“ Nicholls, Andreas Schmidt, Joy Flemming, Bernie Casey, Harry Dean Stanton, Tobe Hooper, Jay Thomas, Jerry Lewis, Chester Bennington, Michael Nyqvist, Gunter Gabriel, John Guilbert Avildsen, John Warren Geils, Roger Moore, Chris Cornell, Jonathan Demme, Michael Ballhaus, Christine Kaufmann, Chuck Berry, John Hurt, Franz Jamach, Carrie Fisher.