REVIEW

ANATHEMA „The Optimist“ (Psychedelic Doom)

ANATHEMA

„The Optimist“
(Psychedelic Doom)

Wertung: Gut+

VÖ: 09.06.2017

Label: KSCOPE

Webseite: Facebook

Das elfte Album der britischen Doom/Psychedelic Rock Götter schließt konzeptionell an das 2001er
Werk “ A Fine Day To Exit“ an (bzw. ist inspiriert vom Coverartwork des Werkes). Trotzdem weigert sich die Band hier von einem Konzeptalbum zu sprechen. Eher bedient sich die Band einer Geschichtenerzählung mit philosophischer Betrachtung des Lebens und der damit verbundenen Erwartung. Wenn man den durch die Lande ziehenden Protagonisten Erfahrungen machen lässt, seine Ängste beschreibt und ihn „The Optimist“ nennt, keimt die Frage, ob man angesichts des Titels und der Texte eher von Subjektivität, Schicksal oder von Ironie und/oder Sarkasmus sprechen sollte, aber dies bleibt im Endeffekt der Interpretation des Hörers überlassen.

Das Intro ist textlich eine Ortsangabe und damit der Hinweis auf das damalige Cover, musikalisch ein schräger Einstieg in ein gelungenes Werk, dessen eingehauchtes Leben glänzt wie ein Diamant in der Sonne, das in die Hand nehmen, beziehungsweise, das ans Ohr halten ist ein steiniger Weg, wobei Text und die musikalische Eindringlichkeit teils getrennte Wege gehen. „Leaving it behind“ lenkt wirre Kompositionen in druckvolle Fahrwasser, während „Endless way“ zwar auch reichlich Rhythmik besitzt, aber das Gesamtbild eher sphärisch rüberkommt. Es folgt der Titelsong, der von mystischen Finessen lebt, der gleichwohl ein voluminöses Klangerlebnis darstellt, ob trotz oder wegen der ruhigen, fast elegischen Darbietung ist nicht klar deutbar.

„San Fransisco“ ist ein musikalischer Hochgenuss. Geschickt steigende Dramatik, geschickt gesetzte Punkte der Vehemenz. Zuhören als dysthymisches Eingeständnis in graduelle Hörgewohnheiten. Anathema verstehen es, Gefühlswelten in Musik zu verpacken, deren Öffnung durch Melodie und Eingängigkeit erleichtert wird, trotzdem ist die Beschäftigung mit Päckchen eher die, wie man ein rohes Ei behandeln sollte. „Springfield“ ist ähnlich in der Grundstruktur, wobei die Saiten etwas schärfer agieren.

„Ghost“ ist ein in ruhe badender Song, dessen atmosphärische Dichte auch vom weichen Gesang Dee Douglas gelenkt wird. Dezente Tempoanziehung bietet das folgende „Close your Eyes“ verschnörkelt die düstere Komponente der eruptiven Gefangenschaft des ausbrechenden Rocks mit eine graziös inszenierten Jazz Komponente, während das folgende „can’t let go“ einer Spieluhr gleich den Leierkastenmann rein musikalisch auf einen Thron setzt.

Der Schlußsong „Back to the Start“ ist mit derart viel Melancholie gesegnet. Hinzu kommt eine samtweiche Note der Stimmbänder und die Gitarren werden gestreichelt. Dem Kitsch Nahrung gibt eine Melodie, deren berührende Eleganz begeistert. Ein Song wie das Streicheln des Teddys am Lebensende, welchen man optimistisch zum 1ten Geburtstag erhalten hat. Könnte man Musik schäumen, wäre es der perfekte Badezusatz. Ein wundervollen Song, auch und geradezu wegen der Fragilität. Und der Song lebt sich so richtig aus, wenn ihr wisst, was ich meine. Das reichlich Streicheleinheiten rein musikalisch zu Wert kommen, liegt an verschiedenen Gastmusikern, welche den Klang der Violine oder des Cellos diesem Song schenkten.

Fazit: Ein kraftvoller Wall of Sound mit reichlich, teils verspielten Anekdoten. Eher melancholisch als düster, wobei es gelingt, hymnische Harmoniebögen mit ästhetischen Knalleffekten zu verzieren. Handwerklich und songwriterisch ist das Gesamtkonstrukt gelungen. Die Stimmbandvariation zwischen unterdrückter Wut und zerbrechlicher Eleganz lässt den Protagonisten der Geschichten leben. Dazu kommen ausufernde Instrumental Parts (Songs), welche durchaus mal Pink Floyd’sche Formen annehmen. Trotz einer latent durchgängigen depressiven Stimmungslage besitzen die Songs ein galantes Maß an Poppigkeit. (andreas)

Tourdaten:
18.10. Z7 – PRATTELN (CH)
21.10.  SIMM CITY – WIEN (AT)
19.10. LONGHORN – STUTTGART
20.10. BACKSTAGE WERK – MÜNCHEN
29.10. BATSCHKAPP – FRANKFURT
31.10. ASTRA KULTURHAUS – BERLIN
01.11. UEBEL & GEFÄHRLICH – HAMBURG
15.11. HSD GEWERKSCHAFTSHAUS – ERFURT
16.11. LIVE MUSIC HALL – KÖLN
Guest: ALCEST