EMPFEHLUNG, REVIEW

TANKS AND TEARS „Aware“ (Post Punk/Wave)

TANKS AND TEARS

„Aware“
(Post Punk/Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 03.03.2017

Label: Swiss Dark Nights

Webseite: Bandcamp / Facebook

2015 erschien mit der 5-Track EP “ das Debüt der italienischen Formation. Nun liegt ihre erste Full Length Scheibe vor. Ich war sehr gespannt, wie die Weiterentwicklung der Band verlaufen ist und wie sie zwei Jahre nach der ersten Veröffentlichung, welche sehr positive Resonanzen (bei uns als Empfehlung!) hervorrief, klingen würden. Kurz gesagt, genauso gut und überzeugend wie damals, allerdings mit einer gelungenen Horizonterweiterung. Laut Bandcamp gibt es Einflüsse aus dem 90er Grunge. Ebenso weisen die dreckigen Gitarrensounds Reminiszenzen an Killing Joke oder Reptyle auf. Benannt hat sich das Trio aus Prato übrigens nach einer Schlagzeile in einer italienischen Zeitung („Tanks and tears at Hugo Chavez’s funeral“) nach der Beerdigung des venezolanischen Ministerpräsidenten.

Der Opener „Breath“ ist noch eher im ruhigen Fahrwasser unterwegs. Die Soundstrukturen varieren zwischen Cold Wave und unterschwelligen Shoegaze Variationen. Die Vocals sind gefühlvoll integriert und die homogene Melodielinie sorgt für eine galante Eingängigkeit. Vokale und Italiener sind eh gute Freunde, das ziehen der selbigen in den Gesangslinien hier, lässt die Stimme fast zu einem zusätzlichen Instrument werden, während ansonsten eher der gefühlvolle Erzähler hinterm Mikro steht. Bereits bei „jump into your Heart“ geht es in der durchdringenden Hookline etwas druckvoller zu. Gerade im Refrain erweist sich das Stück als Tanzflächen-Burner für einschlägige Düsterschuppen. Intro und ein verspielt-schräges Break liefern die Überraschungsmomente. Das man hier von Hitpotenzial sprechen muss, beweist die Tatsache, dass man nicht nur unbewusst mitsingt und wippt, sondern den Song den ganzen Tag nicht aus dem Kopf bekommt.

„Inca“ ist ein wütender, kompromissloser Song. Die Zeile „This night we’re going to fight“ hat derart viel Energie, dass die im folgenden erscheinende Hoffnungslosigkeit von Drums („War drums are beating“) und Saiten runtergeprügelt wird. So roh und wütend hätte ich die Italiener nie erwartet. Könnte ebenfalls zum Klassiker werden. Pogt den Post Punk!

„Butterfly“ badet auf dem ersten Ohr in Harmonie, die „Shoegaze“ Saiten, bei denen weniger auf Verzerrungen als auf Hall-, Flanger- Effekte zurückgegriffen wird überzeugen vor allem als Unterbrechung von samtenen Klangskulpturen. Der folgende Titelsong „Aware“ ist ein instrumentales Bad in tiefer Düsternis. Erinnert ein wenig an Dark/Cold-Industrial, besonders, wenn das Soundgemenge dazu neigt, phobische Stimmungsbögen heraufzubeschwören. Dieses Zwischenspiel in Verbindung mit dem Gesamteindruck des Werkes erinnert mich ein wenig an das 86er Album von Gargoyle Sox.

Das folgende „under a cloud“ ist mit derart vielen Einflüssen gesegnet, dass man hier von einer verführerischen ménage à trois zwischen Cure, Pulp und Jesus and Mary chain sprechen könnte. Das Ganze perfekt gewürzt mit einer eigenständigen Komponente der Moderne. Hernach malt „War“ ein dystopisches Szenerio und „Temple“ begeistert mit sphärischer Elegie und latent Curesken Expressionismus.

Fazit: Ein perfekt inszeniertes Kleinod dunkler Musik. Variantenreich pendeln die Stücke zwischen betörender Harmonie und druckvollen Post Punk. Sänger Matteo, den ich auf der ersten VÖ als eine Mischung aus Burgess und Mic Jogwer bezeichnete hat heuer seine Stimmbänder noch detaillierter auf Text und Rhythmik abgestimmt. Man spürt förmlich, wie er in den einzelnen Passagen zwischen Fragilität, Wut und Sehnsucht hin und her wandert, um punktuelle Gefühlswelten mit der nötigen Tragik zu transportieren. Die latent verspielten Klänge bieten einen Kosmos, der aufgrund der melodischen Disposition fast (Brit)-poppige Züge aufweist, während die dunkle Atmosphärische zwischen Dark- und Cold Wave austariert wird. Die nötige Schräge und die vorhandenen Ecken und Kanten bauen eine Brücke zwischen altem und neuem Shoegaze bzw. Post Punk. Hinzu kommen heftige Ausuferungen mit experimentellem Charakter, welche vom 90er Grunge beeinflusst scheinen. Insgesamt scheinen TANKS AND TEARS ihren Bandnamen in ein musikalisches Gewand gekleidet zu haben. Schönes Digipack samt Booklet mit Texten gibt es für die „visuelle Haptik“ dazu. (andreas)