REVIEW

REPTYLE „Night And The River“ (Goth’n’Roll/Dark Dirt Rock)

REPTYLE

„Night And The River“
(Goth’n’Roll/Dark Dirt Rock)

Wertung: Gut+

VÖ: 22.05.2014

Label: Equinoxe Records

Webseite: Facebook / Homepage

Das Bollwerk gegen die Verkitschung des traditionellen Goth Rocks und die Maschinerie des gepflegten Undergrounds schlägt wieder zu. Ein wenig polemisch, sicherlich, aber im Endeffekt trifft es den Nagel auf dem Kopf. Allerdings musste ich mich diesmal erst an den (neuen) Sound des Quintetts aus Bielefeld gewöhnen. Um es kurz zu machen: Im Unterschied zum genialen „a high and lonely Place“ Album (ich halte es immer noch für eine der besten VÖs des vergangenen Jahrzehnts), geht das aktuelle Werk ein wenig mehr in Richtung 70er Rock und verlässt ein wenig die untergründige Facette des 80er Wave Rock. Natürlich verschweigen auch die aktuellen Stücke nicht ihre Wurzeln, aber die Ausrichtung geht, statt in Richtung Nephilim/Bauhaus usw. eher in Richtung Killing Joke, Led Zeppelin oder The Cult (Welche Kollaboration :-)). Hinzu kommt eine schmutzige Komponente, die sich in ihrer punkigen Ausrichtung durchaus mit Bands wie The Damned oder Stranglers vergleichen lassen.

Aber auch das ist rein subjektiv, da es mit dem Opener „ghost and machines“ (inkl. kurzes, aber prägnantes Intro und ein wenig Morricone im Mittelteil) und „ghost ships for tommorrow“ Songs gibt, die auch perfekt auf das oben erwähnte Album gepasst hätten. (Kein Wunder, ist doch ersteres mit „Redemption street pt.III“ untertitelt). Was auf dem ersten Ohr deutlich wird, ist die härtere Ausrichtung der Saitenfraktion, erkennbar auch in der rein Instrumental gehaltenen Shoegaze Orgie „Ways of Fate“. Das flirrende und in Moll getauchte, nebelverhangene Riffing ist diesmal eher einem straighten, gradlinigeren Sound gewichen. Dazu kommen Reptyle-typische Ecken und Kanten, die selbst in eingängig-harmonischen Passagen einen verruchten Effekt heraufbeschwören. „Morning heir“ glänzt mit einer leicht beschwingten Note. Treibende Klangstrukturen vermengen sich mit den rauen Stimmbändern von Zulu, dessen Tonagen heuer im Gesamteindruck ein wenig variabler daherkommen. Das Gefüge (Schlagzeug, Lead Gitarre, Bass) agiert hingegen meist sehr kompromisslos. „What’s a moment“ ist vom Arrangement her wesentlich ruhiger gehalten. Hier gibt es dann sphärische Strukturen, die eine grazile Spur der Romantik legen. Die Saiten sind hier ein wenig verträumt gerifft und das Schlagzeug, dessen Energie im Opener noch deutlich im Vordergrund stand, hält sich hier dezent zurück. So bietet man hier dem Gesang eine perfekte Bühne, in dem er sich auch melancholisch und nicht so tiefstimmig ausbreiten kann. Zu Beginn von „The Age of Love“ tauchen dann doch die 80er Wave Gitarren auf, bevor man aber dann unvermittelt das Tempo erhöht und im straighten Intermezzo mit verspieltem Bass ein wenig Eleganz im eruptiven und ungezügelten Treiben integriert. Überraschend, wie in der punkigen Energie Zulu fast zum Ruhepol mutiert, aber natürlich nur fast und der von hinten kommende verhallte Backing Gesang könnte diesen Eindruck vermitteln. Insgesamt aber pure Energie. Der Titelsong dürfte dann die alten Fans wieder komplett begeistern. Ruhig, harmonisch und mit atmosphärischer Dichte ausgestattet bietet es perfekte Melancholie, die mit leichtgängiger Melodielinie angereichert ist, die eine gewisse Bittersüße nicht unterlässt und zudem mit betörenden Gesang glänzt. (Derartige Stimmbandvariation dürften aus der Paarung von Henry Rollins und Andrew Eldritch entstehen, wenn man ein paar Gensubstanzen Morrissey für die Melancholie einfügt). „Rose Imperial“ überzeugt mit seiner eleganten Darbietung, den geschickt eingestreuten Tempiwechsel und dem kraftvollen Sound, der sich durch seine Tempounterdrückung im Mittelteil gar ein wenig doomig präsentiert. „The Long Last“ bietet treibenden Dark Wave, dessen Dunkelheit sich mit der energetisch harschen Rhythmik auseinandersetzt. Erneut kulminiert sich der Gesamtkontext zu einem ungezügelten Intermezzo.

Fazit: Reptyle ist heuer für Goth Rock zu wenig schwarz, für Punk zu wenig bunt, für Hardcore zu melodisch. Die Band setzt sich allerdings nicht zwischen alle Stühle, sondern nimmt bequem auf jedem Platz. Reptyle spielen „die Reise nach Jerusalem“ einfach immer mit einem freiem Stuhl mehr. Noch etwas zu den Parallelverbindungen in die 70er (bevor Keule sich zu sehr wundert): Man könnte durchaus Vergleiche mit den „Stones“ annektieren, auch wenn derartiges arg hinkt, würde es bei den Paralympics für Vergleiche einige Medaillen abstauben. Die Mitbegründer des Dark Rocks, Joy Division, waren eine Band der 70er. Cure’s „Three Imaginary Boys“ erschien ’79 (man höre sich mal den Beginn von Reptyle’s „The long last“ an) und dann gab es auch noch den 77er Punk. Die schmutzig bis rotzige Ausrichtung des Sounds und der Verzicht auf’s Diktat „Strophe-Refrain“ samt Lastigkeit auf Letzteren sind letztendlich die Säulen für den frischen Sound, für das, was Bezeichnungen wie Alternative, Independent oder Underground im tiefsten Sinne bedeuten. (andreas)