EMPFEHLUNG, REVIEW

THE BEAUTY OF GEMINA „Skeleton Dreams“ (Wave Rock)

THE BEAUTY OF GEMINA

„Skeleton Dreams“
(Wave Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 04.09.2020

Label: TBOG/Alive

Webseite: Homepage / Facebook / Wikipedia

Auf ihrem neunten Studioalbum begibt sich die Schweizer Formation um Mastermind Michael Sele auf eine (Traum)Reise durch ein romantisches Dickicht voller erhabener Momente. Die leicht reduzierte, dunkle Musik wird mit viel Detailverliebtheit in die Gehörgänge des geneigten Hörers quasi getröpfelt. Eine nie klagende, tiefe Melancholie umschmeichelt jeden einzelnen Song und liefert einen Hörgenuss der besonderen Art.

Mystisch und erhaben öffnet sich das Werk mit dem pulsierenden „A night like this“. Es dient perfekt zum Eintauchen in eine Gedankenwelt, welche heuer noch intimer und betörender daherkommt, als es in der Vergangenheit ohnehin schon der Fall war. Hintergrund ist eine komplizierte Herz OP, welcher sich Michael Sele im vergangenen Jahr unterziehen musste. Und Michael versteht mit jeder Faser der Musik und mit jedem Satz nicht nur eine situative Darstellung in ein wohliges Gewand zu kleiden. Er blickt tief ins kleine Detail und besitzt die Gabe, „das große Ganze“ mit prägnanter und gefühlvoller Poesie zu umschreiben. So liefert der Opener eine Ambivalenz zwischen Vergänglichkeit und dem wiedererlangen von Hoffnung und Mut, wobei letzteres mit dem Blick in den Spiegel symbolisiert wird.

„Naked“ ist von der Architektur her etwas stringenter inszeniert. Die warmen Töne umgarnen den Gesang, lassen ihm Platz und dennoch ist dieses leicht treibende, mit elegischer Harmonie dahinfließende Kleinod gesegnet von einer durchdringenden Melodie, welche sich unaufdringlich im Hintergrund entwickelt. Fast verschämt blickend leuchtet hier die Eingängigkeit. Hernach wird bei „Maybe god knows“ die Akustikgitarre kräftig gezupft und dann leuchtet ein Refrain, dessen unaufdringliche Eleganz den Strophen ein ungewöhnliches Emporheben verleiht.

Das ruhig und minimalistisch daherkommende „Friends of mine“ glänzt mit einem fast Nick Cave’schen Klanggemälde. Konträr hierzu liefert das folgende, mit elektronischer Finesse dargebotene „Resurgence“ auch mal sperrige Töne, welche sich, in einem experimentellen Sound(track)-Gewand gekleidet, dennoch harmonisch entblättern. „Where has it all gone“ besitzt dann wieder eine betörende Melodielinie, welche leichtgängig, dennoch (nicht zuletzt durch die Drums) treibend daherkommt. Eingeflochtene Cure-eske Saiten sorgen für dezent gesetzte Spannungsbögen. Insgesamt ein düsteres Epos mit der wehmütigen Erkenntnis, dass das Leben nicht endlos ist und irgendwann Zeit ist, Abschied zu nehmen. Zum Ende des Albums gibt es diesen Song in einer Remixed-Version, welche fast noch besser die Thematik in ein latent verworrenes Klanggemälde rahmt. „Rainbow man“ ist ein trauriger Song, dessen minimalistische Eleganz schwarzglänzend die gelungene, erzählerische Gesangsdarbietung unterstreicht. Ein schwermütiges Stück, dessen Schönheit sich entfaltet wie eine letztmals aufblühende Blume.

Wesentlich (Goth)rockiger und druckvoller gibt sich „Dark Suzanne“, welcher schon mal ein bisschen in die Sisters-Richtung lukt, bevor sich die Band mit einem alten Klassiker der Briten beschäftigt. „Nine while nine“ ist ein Cover, welches sich zum einen vor dem Original verneigt, gleichwohl wird dieses Stück passend in das Gesamtwerk von TBOG integriert. Sele’s ganz besonderes Timbre ist dann das i-Tüpfelchen. Das poetische, auf Akustikgitarre reduzierte „The world is going on“ lenkt die Aufmerksamkeit auf den Text, welcher mahnend und beschwörend für den Zusammenhalt in außergewöhnlichen Zeiten wirbt.

Die aktuelle Singe überzeugt erneut mit einer großen Liebe zum Detail. Filigrane Saitenarbeit, zum passenden Zeitpunkt eingefügte, druckvolle Drums und auch die aus dem Hintergrund kommenden, sphärischen Keys verleihen dem Stück eine wohlige Melodielinie.

Fazit: Ein wunderschönes, dunkles Werk. Die Melange aus Dark Wave, verführerischem Goth, mal warmen, mal coldwavigen Klanglandschaften, gefühlvollen Arrangement und einer gehörigen Prise Blues ist mehr als gelungen. TBOG gelingt zum wiederholten Mal ein Geniestreich, wobei die Band ihre Musik zu einer Kunstform werden lässt, welche ihr ein Alleinstellungsmerkmal verleihen dürfte. (andreas)