REVIEW

LICHTGESTALT „Lichtgestalt EP“ (Industrial Rock/NDH)

LICHTGESTALT

„Lichtgestalt EP“
(Industrial Rock/NDH)

Wertung: Gut

VÖ: 29.08.2014

Label: Eigenproduktion/ Germusica

Webseite: Facebook / Homepage

Im Winter 2013 fanden Thomas C. Hertz (Gesang), Der Heizzer (Gitarre), Brukke (Schlagzeug) und Lippmann (Bass) zusammen. Die Band LICHTGESTALT war geboren. Mit dieser gleichnamigen 3-Track MCD stellt sich das Quartett der werten Hörerschaft vor und bietet einen Appetithappen auf das, noch dieses Jahr erscheinende Debütalbum. Die musikalische Ausrichtung der Band geht in Richtung NDH, behält sich aber vor, trotz straighten Riffings die Schublade mit unterschiedlichsten Entitäten neu zu beleben. Herauszuheben ist dabei der Gesang, der mich stilistisch ein wenig an Sebastian Lohse erinnert. Gleichzeitig spielt er mit einer stilistischen Breite, die sich irgendwo zwischen traditionellen Deutschrock, Chanson und Theater bewegt. Die Texte sind ausgereift und beschäftigen sich in den drei Songs mit so unterschiedlichen Themen wie Erotik, der Mensch als Maschine der Gesellschaft und Religionskritik.

„Motorenherz“ klingt wie ein Ausschnitt aus Le Mettries 1748 veröffentlichte „Mensch-Maschine“,
allerdings geht es hier eher um das funktionieren in einer Gesellschaft und das biologistische Bild Le Mettries über den Menschen gibt es allenfalls noch in den Köpfen der kapitalistischen Herrscher. Thomas singt die Strophen wie ein verrückter Professor, der die Biologie anhand der Mechanik erklärt, während der Chorus eingängig und harmonisch intoniert wird. Trockene Riffs, kühle Synths und treibende Drums bestimmen die Rhythmik.

Wo wir gerade bei der französischen Philosophie der Aufklärung sind, nominiere als Pate für den Opener „Entfessele den Sturm“ de Sade. Ein (Wort)Spiel zwischen Sexismus und Erotik. Die Saiten agieren brachial, bezogen auf den Härtegrad, während man zu Gunsten einer dunklen Atmosphäre die Geschwindigkeiten drosselt. Passend dazu auch die sphärisch-synthetischen Klangstrukturen mit Dark Industrial Flair.

Im dritten Song beschäftigt man sich mit dem Zölibat. Eröffnet und abgeschlossen wird der Song mit gesprochenen Worten, die aus dem Codex Iuris Canonici stammen. Ein Zwischenspiel zitiert die Bibel. Das Stück ist auf verspielte Weise düster. Die Gitarren riffen eine Nuance tiefer, wobei die harten Strukturen auf eine sphärische Dichte treffen. Der Refrain ist wieder knallend und punktuell eingängig. Kleine Tempiwechsel lenken die Aufmerksamkeit auf den Gesang. Erneut scheint Thomas in eine Rolle zu schlüpfen. Wie schon in Motorenherz belegt er seine Stimme mit einer latenten Verrücktheit, wie man es evtl. von Oswald Henke her kennt. Textlich ist die Kritik auf den Punkt gebracht und kommt ohne unnötige Polemik aus. Meine philosophische Querverbindung führt diesmal zu Denis Diderot, der in seiner Enzyklopädie das Zölibat mit Ironie quasi mit den eigenen Waffen schlug.

Fazit: Ein gelungener Appetithappen, der Vergleiche mit Eisbrecher, Rammstein oder auch Letzte Instanz hervorruft, mit einer gesanglichen Eigenständigkeit und dezenten Steampunk Einsprengseln aber verschiedene neue Ideen integriert. Gelungen auch, die nuancierten Abstufungen zwischen Härte, Melodie und kühler Ästhetik. (andreas)