REVIEW

KRAFTWERK „3-D 12345678 (Blu Ray/DVD)“ (Elektronik)

KRAFTWERK

„3-D 12345678 (Blu-Ray/DVD)“
(Elektronik)

Wertung: Gut

VÖ: 25.05.2017

Label: Kling Klang/Parlophone

Webseite: Homepage / Facebook

Reichlich Brennelemente für das heimische Endlager liefert das Düsseldorfer Kraftwerk mit den aktuellen VÖ’s (unten noch mal extra aufgeführt). Die Review bezieht sich auf die Standard Version mit Blu-Ray Disc und DVD. Egal ob man es als Musikfilm, Konzertfilm oder gefilmtes Konzert ansieht, hier gibt es einen audiovisuellen Augen- und Ohrenschmaus voller filmischer und elektromusikalischer Delikatessen. Aufgenommen wurde das Ganze in den Jahren 2012 bis 2016 bei einer weltweiten Tournee. In unterschiedlichen Städten gab man an besonderen Stätten (u.a. MoMA in New York, das Tate Modern London, Neue National Galerie in Berlin, Burgtheater in Wien, Guggenheim Museum in Bilbao) stets an acht Abenden je ein Konzert, bei dem in chronologischer Reihenfolge nacheinander immer eins der acht Alben präsentiert wurde.

Als Opener fungiert der 74er Hit „Autobahn“, der nicht nur die Ohren mit Nostalgie füllt, auch die filmische Umsetzung dürfte manchen Verkehrsromantiker in Verzückung versetzen. Angefangen, beim mit Oldtimern bestückten Asphalt, bis hin zu fließendem Verkehr und weitgehend leere Straßen. Kritische Symbolkraft liefert „Radioaktivität“, welches 1975 dem fünften Album der Band auch den Titel gab. Hier gibt es natürlich die „moderne“ Fassung, denn Fukushima findet sich in der Aufzählung radioaktiver Katastrophen wieder. Hier, als auch bei den anderen Stücken wechselt das Bildmaterial mit Film (bzw. die Darstellung der Leinwand im Hintergrund) und frontal gefilmten Konzertmitschnitt, samt der vier Protagonisten im Vordergrund. Wer schon mal ein Kraftwerk Konzert besuchte weiß, dass die Protagonisten eher bewegungsfreie Gesellen sind, besonders die unteren Extremitäten haben beim Live Auftritt keine Funktion. Ich war damals erstaunt, dass die Band per Pedes die Bühne verließ und nicht gefahren wurde. „Trans Europa Express“ verlegt die Autobahn auf die Schiene. Der Song erschien 1977, wobei die Kraftwerker erstmals neuartige Sequenzer des Typs Synthanorma verwendeten, welche teilweise extra für die Band hergestellt wurden. Bei der „die Mensch-Maschine“ (Original 1978) variiert die Symbolkraft zwischen Worten und geometrischen Körpern. Die Band lässt neben der deutschen Version auch die englische Variante einfließen. Hernach wird der Titel des Werkes in „Computerwelt“ untergebracht. Gibt es hier doch das Zahlenwirrwarr 1-8. Übrigens, bei genauen Hinschauen sind auch die Null und Neun vorhanden. Während die Strophe samt Zahlenspiel doch eher einem abgehaktem Rhythmus folgt, ist der Refrain hier von lieblicher Eleganz geprägt. Der „Grünstich“ ist gewollt und erinnert an frühe PC Bildschirme. Den folgenden Song hätte ich unter dem Titel „Techno Pop“ gar nicht einordnen können, denn das manifestierte „Boing, Boom, Tschak“ schien mir bis heute der Titel des Songs zu sein.

Bevor zum Ende die Torturen der Tour de France thematisiert werden, gibt es einen weiteren (sehr passenden) Klassiker der Formation, nämlich „Die Roboter“. Erstmals übrigens live dargeboten im deutschen Fernsehen 1978 bei der Sendung Rockpop… ach komm das Video muss jetzt sein…

..fast 40 Jahre später ist die Bewegungseuphorie die Gleiche. Und die Mode wird zur chronologischen Abfolge des Stillstands. Ein Klassiker, der selbst bei geschlossenen Augen die Bilder erzeugt, welche hier visualisiert werden. Ein blindes Sehen mit verschmähten Blick in die Spätsiebziger. Perfekt dann der Übergang zu „Tour de France“. Sehr ruhig, wie eine Hymne, bevor man dem Atmen zuhört, der kurz vor einer Bergankunft das Zerreißen der Lungen heraufbeschwört. Die Atmosphäre wird durch die Schwarz-weiß Bilder stilechter. Muskelkraft statt hochmoderner Fahrräder, kaum deutlicher zum Vorschein gebracht als hier. Die Schinderei im Vordergrund, nicht der Lorbeerkranz des Siegers.

Dass einer größten Hits („Das Model“) auf dieser Version fehlt, ist nur auf dem ersten Blick ein Makel, denn irgendwie scheint dieser Popsong nicht recht auf dieses Werk zu passen. Besonders der Beginn hat eine beruhigende Wirkung auf die Sinne. Kraftwerk hat schon immer bewiesen, dass die Moderne auch rein minimalistisch funktioniert. Die „Bilderflut“ ist weder gigantisch, noch mit Schnitten überhäuft, sondern ein bunt gewürfelter Zeichentrick, der einmal durch Ockhams Rasiermesser auf das Wesentliche, zur Musik passende reduziert wurde. Manchmal (besonders die bunten „Autobahn“ Animationen ) erinnert man an den Pink Floyd Film „Another brick in the Wall“ ohne die realen Bilder. Der Vergleich hinkt, zugegeben, aber es geht um Bildgewalt, ohne dass die zweite Silbe martialisch geprägt ist.

Für das Abspielen der der 3-D Version braucht man neben einem Blu-Ray Player auch einen 3-D-tauglichen Fernseher, das Benutzen von, vom Konzert mitgebrachten 3-D-Brillen nutzt nichts. Die Tonqualität (natürlich immer auch abhängig von der eigenen Anlage) ist überwältigend. Neben einem 2.0-PCM-Stereo-Ton und einer Spur für Headphone Surround integrierte man eine Dolby-Atmos-Fassung. (andreas)

Die Editionen von 3-D Der Katalog im Überblick:
KRAFTWERK: 3D Der Katalog (Live) Deluxe Edition
– Deluxe Blu-ray Box Set (4 Discs & 228 Seiten Buch)
– Deluxe 12″ Vinyl Album Box Set (9 LPs)
– Deluxe CD Album Box Set (8 Discs)
– Deluxe Digital: 42 Tracks

KRAFTWERK 3D 1 2 3 4 5 6 7 8″ (live) Standard Edition
– Standard DVD/Blu-ray (2 Discs)
– Standard 12″ Vinyl Album (2 LPs)
– Standard Digital: 10 Tracks