REVIEW

HER DESPAIR „Exorcisms Of Eroticism“ (Goth Rock)

HER DESPAIR

„Exorcisms Of Eroticism“
(Goth Rock)

Wertung: Gut+

VÖ: 22.11.2019

Label: Eigenproduktion

Webseite: Bandcamp / Facebook

Vor gut 4 Jahren veröffentlichte Sänger und Mastermind J mit „Hymns For the Hopeless“ ein erstes Album, welches wohl quasi als Solo-Album durchgeht. Während J hier eher dem romantischen Wave verfallen war, gibt es aktuell nicht nur treibend-melancholischen Goth Rock, sondern auch eine richtige Band, welche nicht, wie beim ersten Hören zu vermuten wäre, aus Finnland kommt, sondern aus England. Nachdem man im Sommer 2018 mit der 5 Track-EP „Mournography“ ein erstes (Band)-Lebenszeichen setzte, folgt nun passend zur Musik im Herbst dieses 6 Tracks beherbergende Werk voll dunkler Schönheit.

Der Opener glänzt gleich mit einer betörenden, nebeligen Atmosphäre. Flirrende Saiten, verführerische Keys, treibende Drums und ein tiefes Organ hinterm Mikro. Allesamt Zutaten zu einem durchdringenden Intermezzo der Düsternis. Mit spielerischer Leichtigkeit gelingt es, eine Melodie im Fluss zu halten und gleichwohl mit einer galanten Hookline dem Höhepunkt nahe zu kommen. Gleichgeartet kommt „The Exorcism“ daher. Die Dunkelheit schleicht über einen schwarzen Samtteppich ins Ohrwurm-getränkte Ohr. Der Start ist noch zurückhaltend, dann legt die Formation mit einem betörenden Wall of Sound los, der zwischendurch ein wenig Zurückhaltung übt, um J die Grundlage zu liefern, auf der er seinen Gesang verführerisch inthronisieren kann, welcher dann phasenweise erzählend daherkommt.

„In that Moment“ ist nicht ganz so durchdringend inszeniert und lebt vor allem vom Gesang und den nach vorn galloppierenden Drums, welche sich mit den Saiten und Synths duellieren, welche im Endeffekt dieses Stück entweder in Harmonie oder Extase versetzen, während der Text das Momentum antonym zum Zeitlauf setzt. Aber der Höhepunkt des Werkes folgt mit dem (fast) alles andere verblassende „Like a crucifiction“. Ein Song, der mit schwelgerischer Leichtigkeit die Schwermut in wärmende Mäntel der Harmonie verwandelt. Die verführerische Melodielinie vollzieht dabei einen kräftigen Sound, während ein sphärischer Untergrund für eine Gänsehautatmosphäre sorgt. Hinzu kommen sinfonische Arrangements und eine galante, dunkle Stimme, welche besonders im Refrain mit tragischem Unterton daherkommen. Großes Kino. Das folgende „Beyond the Vail“ ist vom Gesamtgebilde eher balladesk arrangiert, wobei zu Beginn die akustischen Saiten für ein galantes Spiegelbild der Schwermut dienen. Mit der gleichen melancholischen Vehemenz kann auch das, trotz seiner Getragenheit, betörende Schlussepos „Final rest“ überzeugen. Während phasenweise die symphonische Ausrichtung gar ein wenig „Musical-Like“ daherkommt, lässt man diese poppige Strukturen doch eher in Richtung Darkness auspendeln… und das textliche entgleiten gen Himmel kommt der Musik sehr nahe… oder umgekehrt.

Fazit: Den Briten gelingt es, die Wurzeln des Gothic Rocks zu wässern, die Blüten der späten 90er zu bestaunen und die Moderne mit einem betörenden Soundtrack schwarz glänzen zu lassen. Fans von HIM und/oder THE 69 EYES werden begeistert sein. Aber auch sonstige, schwarzromantisch unterwegs Seiende dürften dieses verführerische Kleinod voller harmonischer Klangkosmen der Schwärze genießen. (andreas)