REVIEW

ERLEND ERICHSEN „Nationalsatanist“ (Buch)

ERLEND ERICHSEN

„Nationalsatanist“
(Buch)

Wertung: gut

: 10/2012

Verlag: kuk / Edition Phantasia

Webseite: www.edition-phantasia.de / www.facebook.com/erlend.erichsen.5

Inhalt:
Runar ist ein begeisterter Fan des Black Metal. Bei Konzertbesuchen findet er Kontakte zu der Szene. Zusammen mit charismatischen Vinterblod gründet er eine Band und gerät immer tiefer hinein in einen tödlichen Sumpf aus Hass, Gewalt und selbstzerstörerischem Verhalten, bis zu einem Punkt, an dem es vielleicht nicht mehr möglich ist, auszusteigen…

Autor:
Erlend Erichsen war Drummer der Death Metal-Band MOLESTED, hat aber 1999 mit GORGOROTH das Album „Incipit Satan“ eingetrommelt. Der 1975 geborene Musiker und Autor legt veröffentlich mit „Nationalsatanist“ seinen ersten Roman der in der Welt des Black Metal angesiedelt ist.

Buch:
Der Roman erzählt die Geschichte von Runar, der den charismatischen Black Metaller Vintervold trifft. Obwohl Runar, der sich später Ljåvold nennt, mitunter Angst vor dem extremen Vintervold hat, gründen sie zusammen die Band STORMVOLD. Gemeinsam kreieren sie ein legendäres Demo, was ihnen einen gewissen Ruf in Black Metal-Kreisen einbringt und auch die spätere CD übertrifft die Erwartungen bei weitem. Hauptsächlich dreht sich aber das Buch um die Geschichte, die „Freundschaft“ der beiden. Vinterblod ist in seinen Ansichten so extrem, wie man es von manchen Black Metal-Bands kennt. Er verachtet die Menschen und jeder, der nicht den gleichen Willen zur Abgrenzung und Zersplitterung in sich trägt wird von ihm als Feind betrachtet. Die latente Aggressivität drückt sich mehrfach darin aus, dass er „Feinde“ des Black Metal kurzerhand brutal verprügelt. Ljåvold selbst verwandelt sich von einem „normalen“ Menschen (oder Scheißpack, Schafen, Drecksgören, wie Vinterblod es bezeichnen würde) in einen Black Metal-Liebhaber, der sich durch den Einfluss der Musik und Vinterblod abgrenzt, um sein eigenes Ding zu machen. Das man damit erfolgreich ist ist eine schöne Begebenheit, aber die wahren Probleme liegen im Zwischenmenschlichen. Vinterblod verachtet die alte Freundin Ljåvolds und auch Ljåvold selbst wendet sich von ihr ab, braucht sie aber und ist durch sie bis zu einem gewissen Grad im alten Leben verwurzelt und verachtet die Gesellschaft anderer nicht grundsätzlich und wäre somit ein guter Vermittler.

Es gäbe noch viel über die Geschichte zu schreiben, aber mehr von der Handlung zu verraten wäre nicht sinnvoll und würde das Lesevergnügen deutlich mindern.

Fazit:
Es ist mir passiert, dass ich das Buch ab Seite 100 nicht mehr aus der Hand gelegt und es in einem Rutsch durchgelesen habe, denn viel zu fasziniert und gespannt war ich vom Fortgang der Geschichte. Ich habe wirklich darauf gewartet, was weiter mit der Band und den Personen geschieht und ganz ehrlich, ich wurde nicht enttäuscht. Gerade die letzten Kapitel treiben die Geschichte ordentlich voran und machen es zu einem wirklich spannenden Lesevergnügen mit durchaus guten Wendungen am Ende der Geschichte.

Den Bezug zum eigenen Leben des Autors findet man häufig, denn das erste Konzert, welches Runar/Ljåvold im Roman besucht ist ein GORGOROTH-Gig und die Band, die er später grundet nennt sich STORMVOLD, nach einer EP von MOLESTED. Die Zeitgeschichte wird ebenfalls behandelt, denn der Mord an Euronymous und Kirchenbrandstiftung wird nicht verschwiegen, wenngleich sie auch nur den Rahmen bilden und nicht explizit durchgekaut werden. Man kann auch mit Phantasie erraten, wer für die Black Metal-Band DARK Pate gestanden hat, die Vinterblod abwerben wollte.

Erlend Erichsen schreibt „einfach“, man kann das Buch sehr gut lesen, wenngleich meine einzige Kritik an den Roman ist, dass an manchen Stellen einfach eine gewisse thematische Tiefe fehlt. Viele Ereignisse werden beschrieben, aber manchmal hätte ich mir ein bisschen mehr das „warum und wieso“ gewünscht. Mehr Philosophie wäre nicht schlecht gewesen. Andererseits erfährt man die Beweggründe, warum Vinterblod so ist und wenn man sich durch den Roman unterhalten lassen möchte, ist das völlig ausreichend.

Wer durch den Titel „Nationalsatanist“ Nazis im klassischen Sinne erwartet, wird nicht fündig werden. Die Erklärung des Begriffes ist eine andere und die übernimmt Vinterblod selbst und meine eigene Erwartung, mich mit NSBM auseinandersetzen zu müssen wurde nicht erfüllt. Eine gewisse Menschenverachtung ist Bestandteil des Lebens der Musiker und des Black Metals, aber ohne Beschränkung auf irgendwelche Nationalitäten etc. Der Satanismus ist hier der wichtige Punkt. Ist die Black Metal-Szene mit seinen Werten nicht genauso eine Gesellschaft mit Regeln und Vorschriften, gegen die man sich eigentlich mit Leibeskräften wehrt? Individualismus ist der Kern des Ganzen und für Individuen können keine Gemeinschaftsregeln, auch die des True Norwegian Black Metal, gelten.

Der wirklich spannende Aspekt des Buches ist, und das macht das Buch dann unmittelbar zu einem guten Buch, dass ich mir auch nach der Lektüre Gedanken gemacht habe. Warum liebe ich Black Metal? Habe ich die gleichen Tendenzen wie Vinterblod? Oder bin ich eher wie Ljåvold?

Mit „Nationalsatanist“ ist Erlend Erichsen ein gutes Erstlingswerk gelungen, welches ich Black Metal-Fans, Extremisten, interessierten Lesern definitiv ans Herz legen möchte.

Zu bestellen ist das Buch in jedem Buchhandel, Amazon oder direkt über die Webseite des kleinen, aber sehr feinen Verlags Edition Phantasia. (chris)