EMPFEHLUNG, REVIEW

AEON SABLE „Aether“ (Deep Dark Rock)

AEON SABLE

„Aether“
(Deep Dark Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 02.11.2018

Label: Solar Lodge

Webseite: Facebook / Bandcamp

Ich bin nicht sicher, ob man dunkle Musik besser bzw. atmosphärischer inszenieren kann, als es die Essener Formation auf ihrem sechsten Album zelebriert. „Aether“, so der bedeutungsschwere Titel des Albums. Griechische Mythologie, Aristoteles (Quint)essenz als autobiografische Verarbeitung der letzten Monate oder einfach blauer Himmel, wohlscheinlich dürfte hier eine philosophische Verarbeitung der Vergangenheit zum Tragen kommen.

Gleich der, in Teilen bedrückend bis phobisch daherkommende Opener „Hand of Glory-The Nihilist“ (Ein Titel irgendwo zwischen gewagten Anachronismus oder Oxymoron) zieht den Hörer von der ersten Sekunde in seinen Bann. Der wohldosierte Gesang ist gesegnet mit einer Galanz, bei dem die Traurigkeit blinzelnd die Muse der Wut küsst. Sphärische Saiten und ein lavaartiger Doom-Moloch unterstützen die dysthymischen Soundkreationen. Dezente Stimmungswechsel und ein sakrales Ende vervollständigen diesen Song.

„Follow the light“ ist im Ganzen etwas druckvoller aufgebaut und beheimatet sich im Goth Rock. Wunderschöne Melodielinien, teils durchbrochen von heftigen Riffs, liefern eine betörende Fläche, auf der sich Nino diesmal mit hell-warmen Timbre eher gefühlvoll gibt. Auch hier begeistert das Arrangement: Auf dem ersten Ohr ein klassischer Düster-Track, der beim mehrmaligen Hören, nach und nach mehr Details offenbart. Tanzbar inszeniert, perfekt für die letzten Düsterschuppen der Republik, dennoch unterschwellig mit dem Bildnis von Herbst und Rotwein umwoben.

Ruhig mit elegischen Klangspektren verziert kommt „Deadlock canon“ daher. Harmonischer Dark Wave wird mit flirrenden Gitarren dargeboten. Punktuell gesetzte Lichtpunkte durchziehen die melancholische Ausrichtung. Eine Sinfonie in Dunkelheit, verfasst als Psychodrama mit intensiven Exkursionen.

„Burn for Salvation“ ist ein Monster, im besten Sinne des Wortes. Aggression, Verzweiflung, Implosion, Wut, Ruhe, Elegie… dieser Song beherbergt alles, was im Dunstkreis zwischen Gothrock und Dark Metal je die vibrierenden Gehörknöchelchen befriedigte. Da ist dieser wavige Beginn, mit einer betörenden samtenen Klanglandschaft gesegnet, der sich langsam zum finalen Ausbruch hinbewegt, um dann in einer Hookline zu explodieren, bei dem Nino seine Stimmbänder derart strapaziert, dass die Shouts genau die Bandbreite zwischen exzessiven Ausleben und verzweifelter Hingabe abdecken. Erinnert zuweilen an frühe Empyrium oder Goth Metal à la Ever Eve.

Das in portugiesischer Sprache dargelegte, epische Verführungsstück „Oh senhor do medo“ (Der Herr der Furcht)“ glänzt mit einer fast perfekten Architektur der Trübnis. Die Inneneineinrichtung in schwarzen Farben, geprägt von dezentem Stuck, der Kronleuchter sendet psychedelische Lichtkegel. Langsam schleichend erhebt sich ein reduzierter Bombast über latent kühl arrangierte Klangkosmen. Die Stimme wird zum Erzähler, ruhige Klänge unterstützen das staunende Lauschen. Ninos Reise in die Vergangenheit wandelt zwischen Liebeserklärung an die Heimat und einer Art Konfrontationstherapie mit der Angst.

Die erste Strophe von „Dark Matter“ klingt fast wie eine Selbstbeschreibung von Aeon Sable. Auf der anderen Seite könnte es auch eine metaphorische Bearbeitung von Sigmund Freud sein, der sich tiefenpsychologisch mit Johannes Keppler befasst. Oder einfach die Gravitationskraft der Seele. Das Stück gehört zu den ruhigeren Songs des Albums und lässt sich viel Zeit, bis die samtene Klage mit härteren Klängen zusammengeführt wird.

Das Schlussepos „Leaving of the fourth Season..“ schleicht mit einer, in sich ruhenden Dramatik dahin. Das Wechselbad zwischen Laut und Leise und der (erneut) variable Gesang ( warm-gefühlvoll, verrucht bis zum tiefen Growl) sorgen für einen spannungsgeladenen Ausstieg. Wobei das endgültige Outro dann stimmungsvoll und ausladend ein wenig in Richtung Morricone tendiert.

Die Texte von Aeon Sable lassen erneut Spielraum für Interpretation. Wenn man Beginn (der Reise) und Ende (die Rückkehr) von „Aether“ betrachtet, erinnert mich dies ein wenig an Nietzsches „ewige Wiederkunft“. Aber egal, wie man dies oder jenes subjektiv interpretiert, die Beschäftigung mit „Aether“ ist ein tiefgehendes Vergnügen.

Der Nachfolger von „Hypaerion“ ist würdig, ohne in Demut vor dem genialen Vorgänger zu versinken. Die lineare Evolution der Band erreicht ihren Höhepunkt. Die Ruhrgebietler liefern hier ein Werk ab, welches in Gänze überzeugen kann. Mehr noch, in der School of Dark Rock wird dieses Album als Gipfelpunkt dargestellt, quasi als Ideal, dessen Zielerreichung Aufgabe des Schuljahrs sein wird. In jeder Phase ist eine Intensität spürbar, die den Hörer in eine Gänsehautatmosphäre zieht, ihn in nachdenkliche Melancholie manövriert oder einfach über nebelverhangene Fields spazieren lässt. (andreas)

Line-up
Din-Tah Aeon – Guitars
Nino Sable – Vocals
Jo – Guitars
Quoth – Bass