EMPFEHLUNG, REVIEW

ANDREAS‘ fast unpolitischer Rückblick 2021

2021: 3,5 Jahre 2. Liga, 44 Jahre „deutscher Herbst“, 54. Todestag von Benno Ohnesorg, 73 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 150 Jahre Pariser Kommune, 232 Jahre französische Revolution.

Der Fischotter wurde Tier des Jahres (Korrektur zum letztem Rückblick: 2020 war es der Maulwurf).

Baum des Jahres wurde die Stechpalme.

Das Rotkehlchen wurde Vogel des Jahres.

Die Dänische Eintagsfliege wurde Insekt des Jahres (Man stelle sich vor, die Feier trifft auf einen Werktag).

Der charismatische, extrovertierte, von einer histrionischen Persönlichkeitsstruktur beseelte Olaf Scholz wurde Bundeskanzler.

Ein verschrobener Professor, dessen versteckte Ironie manch Gegenüber nicht verstand, wird uns die Pandemie jetzt als Minister erklären.

Cem sorgt für eine neue Monokultur -> Hanf

Bearbok rettet die Welt vor Aggressoren aus aller Welt, bzw. erklärt den Aggressoren, dass sie Aggressoren sind und die Welt bedrohen, notfalls mit gefälschten Lebensläufen.

Die Erklärung der Binnen-Welt übernimmt der Richard David Precht (Habeck) der Politik.

Das Fehlende ist aber das mit Abstand Beste an der Ministerriege -> Unionspolitiker

Bei den Erstwählern ist die FDP stärkste Partei, ich bin im falschen Film. Wie viele Unternehmenskinder, deren goldener Löffel manch Schere im Kopf ersetzt, gibt es eigentlich? Oder gelingt es dem Magenta-Gelb zu triggern?

Auch ein kleines O kann Panik auslösen.

Nach griechischen Alphabet wird die nächste Virusvariante 3,14159 mal stärker übertragbar sein.

Endlich werden marktwirtschaftliche Maßnahmen rigoros durchgesetzt -> Arbeiten JA / Vergnügen NEIN

Gelbe Büchlein werden im Darknet gehandelt.

 

Nun zur Musik.

THE CURE GEHEN 2022 AUF TOUR -> Corona halt 2022 bloß dein Maul.

Wenige, aber ein paar Konzerte konnte ich doch mit verschiedensten G-Regeln besuchen. REPTYLE gelang es dabei, eine 18monatige Flaute zu durchbrechen. Es folgten DIARY OF DREAMS und alte Helden der 80er (PINK TURNS BLUE, THE JESUS AND MARY CHAIN), dann war auch schon wieder Ende.

 

Wie immer, fällt es mir schwer, eine Top Ten, Top 100 oder dergleichen zu erstellen, daher hier eine Liste mit Alben, welche mich 2021 besonders begeistert haben, ohne dabei eine irgendwie geartete Reihenfolge zu befolgen. Erstgenannte Band unten veröffentlichte übrigens das Vinyl des Jahres.

HIER DIE TOP 13:

REPTYLE „Decrypt The Void“
Review
Fazit: REPTYLE kredenzen uns nach längerer Pause ein ganz besonderes Album. Mehr noch als früher werden die betörenden Melodielinien deutlich, welche sich dem dunklen Rock stellen. Mit Kai hat man einen wahren Glücksgriff gelandet. Er ist das Rädchen, welches feingeölt den Sound formvollendet. Hinzu kommt eine bestechende Akribie, welche dem Songwriting eine gewisse Eleganz verpasst und dabei nicht die Leichtigkeit verliert. Keule und Slash liefern sich an den Gitarren Duette und Duelle zugleich. Der Bass ist passend gesetzt und sorgt in bestimmten Phasen für die nötige Dunkelheit, während die Felle mal hart, mal samten bearbeitet werden. Erhältlich digital und als limitiertes blaues Vinyl in Gatefold Sleeve!!!

 

MYSTIGMA „Gebete“
Review
Fazit: MYSTIGMA liefern ein in allen Belangen gelungenes und durchdachtes Album, welches nicht nur durch seine eloquenten Texte mit Ausflügen in Literatur und Mythologie zu glänzen weiß. Auch musikalisch überzeugt die Melange aus straightem Dark Rock, flächigen Synths und sehnsuchtsvollen Melodielinien. Auch die Balance zwischen erzählerischer Atmosphäre in den Strophen und betörenden Refrains (dessen Gipfelpunkt sicher der Refrain von „Erlösung“ ist) überzeugt. Amen.

 

PINK TURNS BLUE „Tainted“
Review
Fazit: Ein wundervolles Album. Perfekte Umsetzung der Thematik. Versehen mit den typischen PTB Sound, der melancholisch, dunkel, teils hoffnungslos die Gefühlswelten des Hörers mit jeder Faser tief berührt. Durchdachte, eloquente Texte mit Sinn und Verstand, ohne je in Phrasen oder Parolen zu versinken. Musikalisch ist ihr Post Punk das Verbindungsstück zwischen Tradition und Moderne. Diese ganz besondere, PTB eigene Art, die Musik eher detailliert als opulent auszustaffieren und trotzdem mit betörenden, dunklen Melodien zu glänzen, ist erneut grandios gelungen.

 

BLACK ANGEL „Prince Of Darkness“
Review
Fazit: Gitarrengetriebener Gothic Rock von der Insel, der Fans von Mission, Sisters, Fields oder The Wake begeistern dürfte. Feine, flirrende Saiten, düstere Stimmungslagen, betörende Hooklines und eine perfekte Balance zwischen Tempo und Melancholie. Hinzu kommt eine schöne Geschichte, denn der Prinz der Dunkelheit scheint der Beobachter der beschriebenen Szenerien zu sein.

 

A CLOUD OF RAVENS „Another kind of Midnight“
Review
Das amerikanische Duo (Beth – bass, Matthew – vocals/guitar) spielt eine verführerische Melange aus europäischem Dark Rock und melancholischem Wave. Das Gesamtgebilde wird mit verschiedenen Facetten des Wave Pops und auch mal mit EBM-liken Intros verfeinert. Die Stimme ist warm-gefühlvoll, verbirgt aber nicht eine gewisse Rauheit. Die Saitenspiel ist verspielt, die unterschwellige Elektronik kratzt die Tanzbarkeit und die verführerische Dunkelheit umweht ein Nebel aus vergangenen Zeiten.

 

LADDERMEN „Special Kind Of Violence“
Review
Fazit: Fans von Interpol und/oder Editors dürfen bedenkenlos zugreifen. Aber auch die alte Garde mit einem Faible für die britische (düstere) Indie Musik aus den frühen 80ern könnte hier ein perfekt eingerichtetes, möbliertes Zimmer finden.

 

ADNA „Black Water“
Review
Fazit: ADNA versteht es, mit ihren düster-tragischen Songs den Hörer den Liebreiz der Melancholie näher zu bringen, ohne dabei in hoffnungslose Tristesse zu verfallen. Ganz im Gegenteil, mit fein gewobenen Hooklines, verführerischen Refrains und galanten Höhen und Tiefen im erhabenen Timbre ihrer Stimme sorgt sie für ein Wohlgefühl und ein verträumtes Entrücken der Realität, dessen frappierende Unschöne, bzw. Tragische sich in den Texten widerspiegelt. Ein wunderschönes Stück Musik.

 

SOMBERWIND „Remain“
Review
Fazit: Ich hab selten erlebt, dass sich zwei Stimmen derart perfekt duettieren, bzw. ergänzen. Auch textlich scheint der Zwiegesang immer zum passenden Moment der Harmonie ein Augenzwinkern zusenden. Musikalisch liefert man modernen Goth Rock, der hochmelodisch daherkommt, zudem geschickt die Waage zwischen straightem Riffing und verträumten (dezent 80er orientierten) Synths hält. Das Songwriting variiert zwischen zwischen Opulenz und gradlinigem Düster-Rock. Wunderschöne Musik, nie überladen, eher detailliert auf den Punkt gebracht. Und wie gesagt, zwei Stimmen, wonach sich manche europäische Produzenten die Finger lecken würden.

 

DTORN „DTORN“
Review
Manchmal gibt es diese Alben, denen steht man mit offenen Mund staunend gegenüber und denkt, eine Review kann nicht annähernd die Gefühlswelten beschreiben, welche man beim Hörkontakt mit diesem Werk gehabt hat. DTORN gehört in diese Kategorie, diese Verschmelzung von Klassik, NDT, Musiktheater und romantischer Literatur ist einfach gut gemacht. Torsten Schneyer (Adversus) kredenzt uns ein Werk, welches in einer dramatischen Ruhe badend, betörende Kleinode in des Hörers Ohr tröpfelt. Unterstützung erhielt DTORN von den Musikern Carsten Hundt (Kontrabass/LAMBDA BASS PROJECT), Birte Sedat (Harfe), Bernd Sambale (Piano) und Maria Hofmüller (Akkordeon/AURAGO und EBENBILD).

 

ACTORS „Acts Of Worship“
Review
Fazit: Für Jemanden, der in den 80ern musikalisch sozialisiert wurde, ist dieses Album eine wahre Offenbarung. Herrliche Melodien, Wiedererkennungswerte ohne Ende. Gefühlstransporte ohne Ende. Ein Album, in das man herrlich versinken kann. Wave Pop mit starker 80er Note, wobei man den Dark Wave nie außer Acht lässt. Die Melodien sind mal warm, manchmal unterkühlt elegant. Ein Album, das jeder Zeit den Nostalgiker berührt, zudem dürften auch die DJ’s der einschlägigen Schuppen ihre wahre Freude haben, denn tanzbar ist es allemal, und den einen oder anderen Song als Hidden-Track von der oder der Band aus den 80ern zu verkaufen, sollte für zusätzlichen Spaß sorgen.

 

VLIMMER „Nebenkörper“
Review
Fazit: VLIMMER perfekt zu beschreiben, ist ungefähr so einfach wie die Paradoxien von Zenon von Elea zu entschlüsseln. Ein insgesamt wilder Mix aus Post Punk, Elektronik, Cyperpunk, Cold Industrial, Krach, Shoegaze, Filmmusik und sequenzierter Harmonie. VLIMMER ist Chaos und Ordnung zugleich. Die gefühlvolle Seite öffnet sich durch den klagenden Gesang, wobei ich manchmal versucht bin, die Art und das Timbre von Leonard mit Sopor Aeternus zu vergleichen. Das Album in seiner Gesamtheit ist gelungen, dürfte aber aufgrund der zunächst etwas verwirrend anmutenden Vielfalt und des Sprengens jeglicher Genregrenzen nicht zu den einfach zu konsumierbaren VÖs gehören.

 

VOYNA „The Cinvat Bridge“
Review
Fazit: Das Solo Projekt von Peer Lebrecht, dem Sänger, Texter und Kreativ-Designer von Golden Apes. Man kann es nicht besser machen. Ein Solopfad, den man gerne mitgeht, als Begleiter, als Unterstützer, als Zuhörer, niemals aber als Verstehender, dafür ist das Werk zu persönlich. Peer scheint Fragmente seiner Vergangenheit in liebevoller Kleinarbeit zusammengefügt zu haben und das Gesamtkonstrukt in eine musikalische Form gelegt zu haben, welche ebenso Bezüge zu seiner musikalischen Sozialisation besitzen, und diese wären The Cure (besonders „Faith“), Joy Division und Bowie. Wunderschön im tiefsten Sinne.

 

MAJORVOICE „Morgenrot“
Review
Bombast Rock in Perfektion in der Tradition von Queen mit mehr als leichten Tendenzen zu Meat Loaf verschmilzt hier mit Prog Rock und Musical zu einer gefühlvollen Rockoper. Das Ganze gipfelt in einer perfekt austarierten Produktion und hat den Peak in einem betörenden tiefen Gesang (Bass) von Ronald Zeidler. Dann geneigt das Gesamtkonstrukt zu einer durchdringenden Dunkelheit, welche in tragischen, melancholisch-wuchernden Klangkosmen Höhepunkte und Ohrwürmer produziert.

 

Und dann gab es sehr interessante Interviews mit sehr interessanten Bands:

Die, von einigen Plattformen vorverurteilte ARBEITSGRUPPE LOBOTOMIE konnte bei uns deutlich Stellung beziehen und einiges nach links rücken. Nicht verstandene Ironie in den Videos und gesellschaftskritische Texte mit Bezug zu wahren Begebenheiten sind das Markenzeichen dieser interessanten Band. Interview

Natürlich musste(durfte) sich auch REPTYLE unseren Fragen stellen (Interview).

Mit VLIMMER gab es für mich eine ganz besondere Neuentdeckung. Anders, eigenständig, verführerisch, nicht einordbar. Das sehr lesenswertes Interview findet ihr hier.

Zu guter Letzt: MYSTIGMA, die mit „Gebete“ eines der besten Alben 2021 ablieferten und sich selbst ein Denkmal setzten. Interview