EMPFEHLUNG, REVIEW

VOYNA „The Cinvat Bridge“ (Melancholic Dark Wave)

VOYNA

„The Cinvat Bridge“
(Melancholic Dark Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 15.03.2021

Label: Icy Cold Records

Webseite: Facebook / Bandcamp

Voyna ist das Solo Projekt von Peer Lebrecht, dem Sänger, Texter und Kreativ-Designer von Golden Apes. Auch wenn der Name (russisch für Krieg) und der Titel (The Cinvat Bridge ist die Siebbrücke, die die Welt der Lebenden von der Welt der Toten trennt. Alle Seelen müssen nach dem Tod die Brücke überqueren) suggerieren könnte, dass Peer mit dem Begehen des Solopfads eine Tür schließt, um eine neue zu öffnen. Dem ist nicht so, Golden Apes existieren weiter und Peer Lebrecht öffnet sein Kreativzentrum, um eigenverantwortlich den Wulst der Ideen, welche bei den Aufnahmen zu „Kasbek“ entstanden, freien Lauf zu lassen. Herausgekommen ist ein Werk, welches fast sanftmütig dem Dark Wave der 80er huldigt, dennoch frisch und entstaubt in die Gehörgänge fließt.

Gleich der Opener „Provenance“ glänzt mit einer Mixtur aus wohlig warmen Melodien mit typischen, flirrenden Saiten, welche sich mit schleppenden Drums paaren und einer grandiosen Eleganz sphärischen Untergrunds. Punktgenau gesetzte (teils überraschende) Breaks treffen hier auf perfektes Wechselspiel zwischen Laut und Leise. Wenn Peer dann seine Stimme erhebt, um mit eloquenten Worten eine Erzählung/ein Gedicht dem Hörer auf den Altar der Gefühle zu legen, kann man gar von einem entrückten Moment sprechen. Das Textgemälde stellt die Frage nach Herkunft und ist gleichzeitig eine bildgewaltige Beschreibung eines Hauses. Geträumte Metaphern oder die Erinnerung an etwas Gewesenes.

„Refrection“ ist nach kleinem, leicht verschrobenem Intro wesentlich druckvoller arrangiert. Die Gitarren sind heller und rücken stärker in den Mittelpunkt. Insgesamt ein leichtgängiger Wave Song, der auch für die Playlist einschlägiger Clubs interessant ist. „Crimson Skies“ besitzt dann wieder dieses Spiel mit Fragmenten, welche den Song mal sanft, mal explosiv erscheinen lassen. Auch das Spiel mit dem Gesang bis hin zu den Backings ist gelungen. Wiedermal überzeugt diese akzentuierte Setzung der Instrumente und der verschmähte Blick in die Ferne, in die leicht versteckte Harmonielinie. Eben noch Bach, dann ein Fluss, der sich in einem melancholischen Meer ergießt, ohne jedoch zuvor das Delta ausgiebig zu feiern. Die Düsternis schleicht förmlich, die Melancholie wandert und Peer gelingt es, der Stimme erhobenen Hauptes den Atemhauch einer Tragik zu injizieren.

„Clean“ gehört zu diesen Stücken, welche erst mit großer Zurückhaltung und Reduzierung einen Spannungsbogen aufbauen, hernach ganz behutsam Zutat um Zutat hinzufügen, um ein komplexes Ganzes zu erzeugen, welches Peer dann mit variantenreichem Gesang inthronisiert. Diese Vaganz zwischen Explosion und erlöschen einer Lunte wird dann noch mal wiederholt. Eine betörende Ruhe durchzieht das getragene „Bones“, bevor, das zu Beginn an Nick Cave („Murder Ballads“) erinnernde „Fractal King“ mit kleinem Augenzwinkern Richtung Jazz tendiert.

„Ocean“ besitzt diese ganz besondere Saitenarche, wie man sie von The Mission kennt. Das Gesamtgemälde, mit einem weichzeichnenden Pinselstrich gezeichnet, wird formvollendet durch den weiblichen Gesang von Marita Volodina (von der polnischen Band STRIDULUM), welche sich mit Peer duettiert und endaustariert mit der Saitenarbeit von Denis Ivanov (Brandenburg).

„Golem“ besitzt dieses Faszinosum, gleichzeitig bedrückend und befreiend der Melancholie eine Ecke darzubieten, in der sie sich verstecken kann und dennoch präsent zu sein. Das wunderschön in verschiedenen Grautönen glänzende, getragene Schlussepos, verschmelzt die Traurigkeit mit einem Schimmer der Hoffnung und der Gesang ist derart betörend, dass man man sich damit zudecken könnte bzw. sollte. Nicht nur hier glänzt Peer als Singer/Songwriter… Wäre dieses Merkmal nicht so belanglos, ich hätte es als Beschreibung ganz oben eingefügt. Johnny Cash für die düsteren Seelen, was dann im Endeffekt eher eine Analogie ist.

Fazit: Man kann es nicht besser machen. Ein Solopfad, den man gerne mitgeht, als Begleiter, als Unterstützer, als Zuhörer, niemals aber als Verstehender, dafür ist das Werk zu persönlich. Peer scheint Fragmente seiner Vergangenheit in liebevoller Kleinarbeit zusammengefügt zu haben und das Gesamtkonstrukt in eine musikalische Form gelegt zu haben, welche ebenso Bezüge zu seiner musikalischen Sozialisation besitzen, und diese wären The Cure (besonders „Faith“), Joy Division und Bowie. Wunderschön im tiefsten Sinne. (andreas)