EMPFEHLUNG, REVIEW

PINK TURNS BLUE „Tainted“ (Post Punk/Dark Wave)

PINK TURNS BLUE

„Tainted“
(Post Punk/Dark Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 01.10.2021

Label: ORDEN Records

Webseite: Homepage / Facebook / Bandcamp

Wenn mich einer fragen würde, welche Band meinen Musikgeschmack nachhaltig beeinflusst hat, würde ich neben den üblichen Verdächtigen, immer diese Band nennen. 2022 feiert das begeisternde Debüt „If two worlds kiss“ seinen 35-jährigen Geburtstag. Während heute jeder weiß, wo er an einem bestimmten 11.September war, kann ich mich noch ganz genau daran erinnern, wie, wo und wann ich die LP kaufte und wie, wo, wann und mit wem ich dieses Werk erstmals genießen durfte.

Über fünf Jahre nach der letzten VÖ entstand dieses Werk unter dem Einfluss der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns. PTB verarbeiten dabei ihre ganz eigene, intime Gedankenwelt und beschäftigen sich mit Klimawandel, Artensterben, menschlichem (Un)Verhalten. Es geht um Unverständnis, Sehnsüchte, Hoffnung, Verzweiflung und auch immer wieder um Wut. Es ist das 11te Studioalbum des Trios (aktuelle Besetzung: Michael „Mic“ Jogwer – Vocals, Gitarre ; Ruebi Walter -Bass ; Paul Richter- Drums) und für mich (rein subjektiv) das beste Album seit der Reunion 2003.

Das schleichende „not even trying“ eröffnet das Werk. Ein sphärischer Untergrund, flirrende Saiten, verspielter Bass, verführerische Drums und hingebungsvoller Gesang. Ein Song, der sich damit beschäftigt, dass die Menschheit wider besseren Wissens ihre eigene Lebensgrundlage zerstört. Die erste Strophe „So happy to kill ourselves / So happy to rob ourselves / So happy to use excuses / That is us“ dient dabei als zynisches Mahnmal.

In die gleiche Kerbe schlagend, teilweise noch eine Spur hoffnungsloser erklingt „So why not save the world“. Insgesamt ein ruhiger, schleichender Song, welcher denjenigen gewidmet ist, die mit ihrem Verhalten die Welt zu retten versuchen. Besser spät als nie.

„There Must Be So Much More“ war die erste Single-Auskopplung und wies den Weg, dass das neue Album sehr melancholisch und auch mit einer enormen Schwermut behaftet daherkommen wird. Dabei gelingt es der Band, ihre reduzierten, auf den Punkt gebrachten Soundkreationen auch mal mit liebreizenden Melodielinien zu versehen. In kleinen Versatzstücken blitzt zudem ein wenig Cure der Faith Phase hervor (Bass). Grandios, wie sich der Song langsam aufbaut, die Instrumente vehement oder gehalten in die Szenerie dringen, samt wohlklingender Tasten-Variationen. Darüber thront dann Mics Timbre, welcher über die Jahre gereift ist, aber sein introvertiertes, latent trauriges Klangbild nicht wesentlich veränderte. Auch wenn heuer viele Songs geradezu danach lechzen, dass Mic seine Aggressivität mal auslebt, ist es doch diese Gedrücktheit und ja, auch die innewohnende Verzweiflung, die dieses Album so faszinierend gestalten.

Aber inmitten der Tristesse wohnt auch ein Hoffnungsschimmer, sei es nur das Versprechen „i never give up“ im gleichnamigen Stück oder im überraschenden „Summertime“, welches die Gefühle während des Sommers beschreibt (samt Strand, Meer, Dünen usw.). Ob es ein „so war’s, so wird’s nimmer“ oder die Aussicht, dass wir bald wieder unsere „normalen“ Leben zurück kriegen, liegt im Endeffekt im Auge des Betrachters. Ein Song voller Sehnsucht.

Ein wunderschöner Wave Song ist das ruhig inszenierte „Fading away“, welches zwischen Bass und Gitarre als bestimmendes Instrument wechselt. Eine berührende Hookline vervollständigt dieses Kleinod der Melancholie.

Auch das balladeske Schlussepos „You Still Mean Too Much To Me“ überzeugt mit einem geschickten Songaufbau, welcher zunächst im langsamen Tempo beheimatet ist und den Fokus deutlich auf den Gesang/Text lenkt. Die Gitarrenakkorde, mal sanft, mal schroff gerifft, laden dann mit Synths, Bass und Drums zu einem etwas treibenderen Sound ein. Thematisch geht es um den Schmerz einer verlorenen Liebe und die Zerrissenheit zwischen Trauer, Wut oder Hass und dem nicht loslassen können.

Fazit: Ein wundervolles Album. Perfekte Umsetzung der Thematik. Versehen mit den typischen PTB Sound, der melancholisch, dunkel, teils hoffnungslos die Gefühlswelten des Hörers mit jeder Faser tief berührt. Durchdachte, eloquente Texte mit Sinn und Verstand, ohne je in Phrasen oder Parolen zu versinken. Musikalisch ist ihr Post Punk das Verbindungsstück zwischen Tradition und Moderne. Diese ganz besondere, PTB eigene Art, die Musik eher detailliert als opulent auszustaffieren und trotzdem mit betörenden, dunklen Melodien zu glänzen, ist erneut grandios gelungen. (andreas)