REVIEW

WUCAN „Sow the wind“ (Krautrock)

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„Sow the wind“
(Krautrock)

Wertung: beeindruckend

: 11.09.2015 (Vinyl) / 25.09.2015 (CD)

Label: Hänsel & Gretel Records

Webseite: Facebook

Auf dem 2014er Hammer of Doom habe ich WUCAN leider größtenteils verpasst, aber was ich damals noch hören durfte, hat Spaß gemacht. Umso erfreuter bin ich, dass ich in ihre neue Scheibe „Sow the wind“ reinhören darf und gleichzeitig ärger′ ich mich, dass ich sie nicht ganz gesehen habe.

Klar, WUCAN fahren die volle Retro-Schiene, aber sie mischen ganz gepflegt ordentlich Krautrock und eine Nuance Rocktheater in ihre Songs, was die Band deutlich von anderen abhebt und recht eigenständig macht!

Wer den grandiosen Opener „Father Storm“ hört, denkt automatisch auch an JETHRO TULL, was an der rockigen Querflöte liegt… aber der Song hat so viel Power, dass er einfach total mitreißt. Diese Referenz sollte man allerdings nicht überstapazieren, da es kaum mehr Gemeinsamkeiten, als diese Flöte gibt.

„Owl Eyes“ dagegen ist ein starkes Midtempo-Riffbatzen, der die Matten zum Schwingen bringt und gleichzeitig beweist die Band, wie man Songs abwechslungsreich gestaltet und wenn ich mir den Schlusspart anhöre, denke ich, dass sich genau daraus ein wunderbarer Jam entspinnen könnte.

„Looking in the past“ ist mir persönlich viel zu funky, hat aber ebenfalls das gewisse Etwas und die spacigen Sounds sind einfach geil. Hier zelebriert man die verschollene Kunst des Krautrocks in all seiner Schönheit und der Song fühlt sich wunderbar leicht und luftig an.

Eine kleine Gemeinsamheit haben wir, denn wir beide denken an ein „Face in the Kraut“; dieser beinahe balladeske Rocksong geht etwas an mir vorbei, aber „King Korea“ legt dann wieder eine Schippe drauf. Tim an der Gitarre ist großartig (und das nicht nur bei diesem Song)… die Leads sind einfach nur geil und wüsste man es nicht besser, würde man diesen Release definitiv irgendwo in den 70er Jahren verorten. Damals, in den großen Tagen von GROBSCHNITT und BIRTH CONTROL, war es selbstverständlich, den Liedern Zeit zu geben, sich zu entwickeln und ganz langsam aufzubauen und genau dieser Tugend frönt die Band bei „King Korea“. Das ist so herrlich (ent)spannend! Erneut wechselt man die Stimmung innerhalb des Songs und ich bin immer wieder gefesselt, wenn ich ihn höre.

Aber dann… dann kommt′s. Krautrock-Psychedelic-Rocktheater-Lyrik. „Der Wandersmann“ ist ein 15minütiges Kunstwerk mit deutschem Text und ich weiß nicht, ob er selbst geschrieben ist oder ob es sich um einen alten Text handelt… eine Geschichte, die so genial von der Musik begleitet wird… oder ist es anders herum?! Wie dem auch sei… Wer GROBSCHNITT, JETHRO TULL, BIRTH CONTROL und vielleicht NINA HAGEN (in den ekstatischen 70ern) mag und schon immer wissen wollte, wie das zusammen klingt, kann in diesen Song eintauchen. Diesen Song zu sezieren werde ich mir und euch nicht antun, denn dafür passiert einfach viel zu viel… Musik, Text, Dramatik… alles ist im Fluss! Diesen Song sollte man als Freund alter Musik mehrfach gehört haben! Ein Kunstwerk.

Die Band ist in allen Belangen einwandfrei… Bass und Schlagzeug (Patrick und Leo) sind immer in Bewegung, grooven, schmeicheln, ballern, was das Zeug hält, Gitarrist Tim spielt die feinsten Leads und Sängerin, Flötistin und Gitarristin Francis ist natürlich als Sängeri der Mittelpunkt des Geschehens… ihre Stimme klingt wundervoll rockig, rau und roh und klingt wiederum ganz anders, wenn sie am Ende vom „Wandersmann“ spricht.

Viel Zeit scheint man in die Produktion investiert zu haben, denn das Album strotzt nur so vor Effekten und Details und jede Sekunde und jede Idee zahlt sich nun im Gesamtkontext aus! Dazu kommt die warme Produktion, die dich wärmt wie ein Schaffell an einem Winterabend.

Wenn ich und jedermann „bedacht sein soll, die vom Herrn vorgesehene Rolle zu spielen“ (aus „Der Wandersmann“) kommt mir die Rolle zu, euch zu verkünden, dass die Dresdener Band WUCAN mit „Sow the wind“ ein beeindruckendes Retro-Album erschaffen hat, welches sich anzuhören mehr als lohnt. (chris)