REVIEW

ULTRAVOX „Brilliant“ (New Wave / Synthie Pop)

ULTRAVOX

„Brilliant“
(New Wave / Synthie Pop)

Wertung: Gut

VÖ: 25.05.2012

Label: Emi Records

Webseite: www.ultravox.org.uk

In der ersten Hälfte der 1980er Jahre gehörte ULTRAVOX zur Speerspitze der New-Wave-Bewegung. Damals konnte die Band nicht zuletzt dank diverser Singlehits (etwa „Vienna“, „Hymn“ oder „Dancing With Tears In My Eyes“) beachtliche kommerzielle Erfolge feiern. Doch 1988 kam es zur Auflösung der Gruppe. 2008 fand schließlich die Wiedervereinigung statt. Und nun liegt mit „Brilliant“ tatsächlich ein neues Album dieser Musiklegende vor.

Mit dem Song „Live“ startet die Scheibe recht verheißungsvoll. Typische Stärken der Band sind hier erkennbar: Betörende Melodik, druckvolle Instrumentierung und ein hymnischer Refrain, bei dem Sänger Midge Ure so hingebungs- und sehnsuchtsvoll wie in den 80er Jahren klingt. Während „Live“ eher ein New-Wave-Song ist, folgen im Anschluss vier Lieder, die alle tendenziell dem Genre Synthie Pop zuzuordnen sind. Leider kann keiner der vier Songs in Sachen Qualität mit dem mitreißenden Opener konkurrieren, obwohl sie keineswegs schlecht sind. Der Titelsong „Brilliant“ gefällt mir in diesem Quartett am besten, was auch an seinen verspielten und einprägsamen Klavierklängen liegt.

In atmosphärischer Hinsicht werden durch die ersten fünf Stücke keine wirklich düsteren Stimmungsbilder gezeichnet. Richtig düster wird es dann allerdings im Anschluss bei der nachdenklichen Klavierballlade „Remembering“. Dunkel und bedrohlich ist auch die Atmosphäre beim folgenden „Hello“. Jedoch wird hier die düstere Stimmung mittels einer relativ üppigen Instrumentierung und eines etwas schnelleren Tempos transportiert. Beide Lieder sind hörenswert, aber als großartig kann man sie nicht bezeichnen.

Im weiteren Verlauf bietet die Scheibe immerhin noch zwei wirklich hochkarätige Songs. Zum einen die schleppende Elektro-Ballade „Fall“. Hier ist es insbesondere Ures eindringlicher Stimme zu verdanken, dass eine äußerst bewegende Aura voller Tragik und Dramatik entsteht. Zum anderen muss das im satten Breitwandsound produzierte „Lie“ gelobt werden. Dort entfaltet sich eine feierliche Stimmung der Extraklasse. Nicht zuletzt die herrlich pulsierende Rhythmik und der beschwörende Gesang überzeugen auf ganzer Linie. Tendenziell ist die zweite Hälfte der CD stärker als die erste. Ob das daran liegt, dass in der zweiten Hälfte verstärkt mit dunklen Klangbildern gearbeitet wird, sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall ändert die zweite Hälfte des Silberlings nichts daran, dass die Scheibe in der Gesamtschau eher zum Synthie Pop als zum New Wave neigt.

Leider kann „Brilliant“ nicht mit den besten Alben der Band mithalten. So drängt sich beim Vergleich der neuen CD mit den Veröffentlichungen der frühen 80er Jahre folgender Eindruck auf: Ures Gesang ist zwar noch immer ein großer Pluspunkt der Gruppe, aber sein Organ klingt nicht mehr ganz so ausdrucksstark wie vor 30 Jahren. Das Gitarrenspiel ist zu defensiv, früher hatte ULTRAVOX in dieser Hinsicht mehr Aggressivität zu bieten. Der Violinen-Einsatz fällt leider sehr spärlich aus, nur bei dem leicht überdurchschnittlichen Song „Satellite“ ist hiervon wirklich etwas zu hören. Alle neuen Songs sind in dramaturgischer Hinsicht relativ einfach gestrickt. Früher hatte man erfreulicherweise mitunter auch recht komplexe Strukturen im Angebot. Schmerzlich ist zudem, dass die Melodien früher tendenziell packender waren.

Doch letztlich bewegt sich ULTRAVOX auch mit dieser Scheibe auf einem relativ hohen Niveau. Es werden immerhin drei sehr gute Songs geboten. Darüber hinaus gibt es einige überdurchschnittliche Stücke zu hören. Und selbst die schwächeren Lieder sind nicht wirklich schlecht. So reicht es trotz der besagten Kritikpunkte im Durchschnitt für eine gute Bewertung. Lobend ist zu erwähnen, dass das häufig verwendete Klavierspiel stets sehr prägnant und wirkungsvoll zum Einsatz kommt. In diesem Punkt überzeugt die Band wie früher. Die neuen Songs punkten auch beim Thema Perkussion, denn hier geht es ziemlich differenziert und bisweilen erfreulich druckvoll zur Sache. Also: Das Comeback dieser Legende hätte deutlich schlechter ausfallen können! (stefan)