REVIEW

FILM „und erlöse uns nicht von dem Bösen“ (Drama)

Originaltitel: Mais ne nous délivrez pas du mal

Herstellungsland: Frankreich 1971

DVD Veröffentlichung: 2012

Wertung: Geht so

Regie: Joël Séria

FSK: ab 16

Darsteller: Jeanne Goupil, Catherine Wagener, Bernard Dhéran, Gérard Darrieu

Genre: Drama

Studio: BILDSTÖRUNG

 

Inhalt:

Die beiden 14jährigen Klosterschülerinnen Anne und Lore interessieren sich nicht sonderlich für das, was Mädchen ihres Alters normalerweise so umtreibt. Statt sich mit so profanen Dingen wie Jungs abzugeben, lesen sie nachts lieber heimlich unter der Bettdecke die Werke von Lautréamont und Baudelaire und huldigen, ganz dem verführerischen Reiz des Verbotenen erlegen, hingebungsvoll ihrer einzig wahren Liebe, dem Teufel. Angefacht von ihrer Leidenschaft für das Böse und dem Plan, ihrem Liebsten zu imponieren, um sich ihm bei einem Hochzeitsritual vollends hingeben zu können, beginnen die beiden in den Sommerferien, den Männern aus ihrem Dorf gemeine Streiche zu spielen. Was als Spiel aus Verführung und Demütigung beginnt, gerät aber zusehends außer Kontrolle…

Joël Sérias Debütfilm wurde kurz nach seiner Premiere in Frankreich wegen Blasphemie vorübergehend verboten. Sehr lose basierend auf dem Mordfall Pauline Parker/Juliet Hulme von 1954 (der auch Peter Jackson als Vorlage für HEAVENLY CREATURES diente) ist UND ERLÖSE UNS NICHT VON DEM BÖSEN ein ungeniert offener Film über fehlgeleitetes sexuelles Erwachen. Doch auch wenn Séria keinen Hehl aus seinem Antikatholizismus macht und ziemlich offensiv die nackten Reize seiner beiden Hauptdarstellerinnen zur Schau stellt, gelingt ihm durch seine souveräne Regie ein heikler Spagat zwischen Exzess und Gesellschaftskritik, der aber immer wieder auch zarte Töne anschlägt. Der Film ist intelligent ohne prätentiös zu sein, er ist ernst und er unterhält auf hinterhältige Art und Weise. Als hätten Claude Chabrol, Jean Rollin und Luis Buñuel die Köpfe zusammengesteckt, um einen Exploitationfilm fürs Arthousekino zu drehen. Ein tragisch-schöner Geniestreich und eine hinreißende Ode an die Verderbtheit!

Joël Sérias hatte bei seinem Debüt wirklicht Mut bewiesen. Nonnen die sich küssen, Priester die junge Mädchen begehren, Minderjährige die Erwachsene sexuell an der Nase herumführen und ihre Macht austesten indem sie wehrlose kleine Tier töten…, das ist der Stoff der Kontroversen herbeiführt und letztendlich auch zur kurzzeitigen Indizierung führte. Irgendwo zwischen Schulmädchenreport und Exploitationfilme pendelt sich die Geschichte von Anne und Lore ein. Um allen Moralapposteln gleich mal Einhalt zu gebieten, die Charaktere wurden von 19 und 20 jährigen Schauspielerinnen verkörpert, dieses Alter ist allerdings im Film den Mädchen nicht anzusehen. Auch die Vögel, die der Tierquälerei der Mädchen zum Opfer fallen wurden lediglich betäubt.

Die Szene, die mich am meisten schmunzeln ließ war die der Teufelsweihe, als sich Anne und Lore vom Kirchenhelfer weihen lassen und dabei die Umkehrung des „Vater Unser“ sprechen,…“und erlöse uns nicht von dem Bösen“… dieser blasphemische Ansatz ist einfach herrlich und hat vor allem in der damaligen Zeit wohl so manchem Religionsfanatiker auf die Palme gebracht.

Leider gibt es von diesem Film nur eine französische Tonspur, was auch zeigt, dass dieser FIlm außerhalb der französischen Grenzen kaum Beachtung fand. So muss man sich, sofern man dieser Sprache nicht mächtig ist, mit einem deutschen Untertitel zufrieden geben, was den Filmkonsum etwas anstrengender gestaltet. Bild und Ton sind zeitgemäß für die frühen 70er Jahre, hier wurde für die Neuveröffentlichung auch nichts groß nachbearbeitet um künstlich ein HD Bild zu erzeugen. Vielmehr bleibt so sie Stimmung dieser Zeit dem FIlm erhalten.

Sicherlich ist das Treiben der beiden biestigen Gören interessant und erinnert an eine versaute Variante der „Kleinen Strolche“. Spannung und große Dramaturgie sind nicht unbedingt die Stärke dieses Films und stellt so schon über die über 100 Minuten Spielzeit die Gedult des Zuschauers auf die Probe. Für Liebhaber des frühen französischen Films ist dieses provokante Werk aber sicherlich ausgesprochen interessant. (michi)