EMPFEHLUNG, REVIEW

FILM „I Spit on Your Grave“ (Horror)

Originaltitel: I Spit on Your Grave

Herstellungsland: USA

Erscheinungsjahr: 2010

Regie: Steven R. Monroe

Wertung: Empfehlung!

Darsteller:
Chad Lindberg, Tracey Walter, Daniel Franzese, Sarah Butler,
Andrew Howard, Rodney Eastman, Jeff Branson, Mollie Milligan,
Saxon Sharbino, Amber Dawn Landrum

Achtung: massive Handlungsspoiler inside.

Meir Zarchis Film „Day of the Women“ aus dem Jahr 1978, auch bekannt unter dem Titel „I Spit on your Grave“, gilt als Klassiker des „Rape & Revenge“-Subgenres des Exploitation Kinos der späten 70er. Zusammen mit dem thematisch artverwandten „Last House on the Left“ von Wes Craven genießt er einen legendären Ruf, der aufgrund des zu damaligen Verhältnissen äußerst kontroversen Filmstoffes und seiner schonungslosen Umsetzung durchaus gerechtfertigt ist. Allerdings musste der Film harsche Kritik einstecken. Regisseur Meir Zarchi musste sich nicht nur mit dem Vorwurf der Frauenfeindlichkeit auseinandersetzen, sondern auch mit seiner Inszenierung. Hauptkritikpunkt war damals, dass die Vergewaltigungsszenen satte 45 Minuten des Films einnahmen, die Rache der Gepeinigten dagegen relativ harmlos und nur schwer nachvollziehbar von statten ging (im originalen Film benutzt das Vergewaltigungsopfer Sex als Lockmittel) und so keinerlei Katharsisfunktion mehr zu bieten hatten.

32 Jahre nach dem Originalfilm wird die Geschichte von Jennifer Hills erneut erzählt. Dabei hält sich das Remake im Storyverlauf sehr nah an die Vorlage, setzt seine Schwerpunkte jedoch anders. Die junge Schriftstellerin Jennifer Hills sucht einen ruhigen Platz, um an ihrem Buch zu schreiben. In einer abgelegenen Waldhütte scheint sie den idealen Ort dafür gefunden zu haben. Plötzlich verschaffen sich fünf Männer gewaltsam Einlass in die Hütte und misshandeln und vergewaltigen die junge Frau mehrmals. Nach ihrem Martyrium stürzt sich die Frau in einen Fluss. Ihre Peiniger gehen von ihrem Ableben aus, doch einen Monat später kehrt die tot geglaubte zurück, um sich an den Übeltätern zu rächen.

In „I spit on your Grave“ geht es weniger um das Erzählen einer facettenreichen Geschichte. Vielmehr geht es darum, den Zuschauer eine Erfahrung machen zu lassen. Eigentlich wissen wir nicht viel über diese junge Frau, die sich gerade auf den Weg in die verlassene Hütte macht. Wir wissen, sie ist Schriftstellerin, sie wirkt selbstbewusst, sympathisch und tough. Mehr erfahren wir nicht über sie. Jedoch wird sich diese Figur im Laufe des Films verändern, in einer Form, die direkt mit den Emotionen der Zuschauer verbunden ist. Und dieser Prozess beginnt mit dem Eindringen der fünf Männer in die Hütte. Jennifers Martyrium beginnt langsam, jedoch lässt es den Zuschauer von Anfang an nicht kalt. Beklemmung macht sich sofort breit und das, obwohl wir kaum etwas über diese Frau wissen, sie gerade erst kennen gelernt haben. Doch die Männer werden brutaler, erniedrigen die sympathische Frau, machen sich über sie lustig, lachen sie aus, die ersten sexuellen Misshandlungen folgen unter hämischen Kommentaren der Täter. Das beklemmende Gefühl wird stärker und stärker. Ein kurzes Aufbäumen gegen die Peiniger und eine kurze Flucht folgen. Die junge Frau begegnet im Wald einem Jäger, der sich als Sherrif zu erkennen gibt. Erleichterung. Doch Jennifers Leidensweg hat gerade erst begonnen. Der Sherrif entpuppt sich als Oberhaupt der Truppe, die anderen Peiniger verschaffen sich wieder Zugang zum Haus und das Martyrium geht weiter. Was nun folgt, ist wirklich schwer zu ertragen, denn die Misshandlungen und Demütigungen, die die junge Frau über sich ergehen lassen muss, scheinen kein Ende nehmen zu wollen. Nacheinander fallen die Männer über sie her und vergewaltigen sie. Das ganze wird permanent von einem der Täter per Videokamera aufgezeichnet. Hier gelingt es Regisseur Steven R. Monroe, genau den richtigen Ton zu treffen. Er zelebriert die Vergewaltigung der jungen Frau nicht, sondern er inszeniert sie und trifft dabei den Zuschauer, mit einer gezielten und schockierenden Inszenierung völliger Hilflosigkeit genau ins Mark. Und diese überträgt sich nahtlos auf den Zuschauer.

Aus dieser Hilflosigkeit wird mehr und mehr Wut über das, was da auf der Leinwand passiert und einfach nicht aufhören will. Permanent wird die Frau weiter misshandelt, mit dem Gesicht in eine Pfütze gedrückt, dem Erstickungstod nahe, weiter vergewaltigt bis sie das Bewusstsein verliert. Nachdem sich also alle fünf Männer an der jungen Frau abreagiert haben, stürzt sich diese völlig aphatisch, von einer Brücke in den Fluss, und verschwindet für eine ganze Weile. Nach einer langen Suchaktion und den üblichen Vertuschungen der Täter gehen die wieder in ihr normales Alltagsgeschehen über. Der Zuschauer hat etwas Zeit, zu verarbeiten. Doch das gerade Gesehene lässt sich kaum verarbeiten. Die Wut, die sich beim Betrachten der schrecklichen Misshandlungen aufgestaut hat, verwandelt sich in Hass.

Im Film vergeht ca. ein Monat, bis Jennifer plötzlich wieder auftaucht und nahtlos ihren Rachefeldzug beginnt. Und hier leistet der Film etwas wirklich Bemerkenswertes. Denn die Metamorphose von Jennifer zur eiskalten Rächerin wird nicht szenisch dargestellt. Sie entsteht durch die Emotionen der Zuschauer. Der Zuschauer ist es, der diese Figur von nun an am Lleben erhält. Er projiziert seine aufgestaute Wut in diese Figur und füllt sie so mit genug Motivation, die keine andere szenische Darstellung hätte erreichen können. Ein dramaturgischer Kniff der Zuschauer und Protagonistin zu einer Einheit verschmelzen lässt. Man ist zusammen mit dieser Figur durch die Hölle gegangen und man ist nun bereit, zusammen mit dieser Figur die Hölle über ihre Peiniger hereinbrechen zu lassen. Jennifers Rachefeldzug fällt im Vergleich zum originalen Film weitaus drastischer und gnadenloser aus. Anders als im Original sucht Jennifer hier die Konfrontation mit den einzelnen Peinigern, überfällt sie meist aus dem Hinterhalt und lockt sie in fiese, kreative Folterfallen, die die jeweiligen Taten der einzelnen Männer wieder spiegeln. Dabei steigert sich der Rachefeldzug in immer drastischere Szenarien, die den unbändigen Hass von Jennifer gegenüber ihren Peinigern verdeutlichen. Von der symphatischen jungen Frau vom Anfang des Films ist nicht viel mehr übrig geblieben als ein eiskalter, hasserfüllter Todesengel, der unbarmherzig und gnadenlos seinen Peinigern ein überaus schmerzvolles Ableben verschafft. Nicht nur, um sich Genugtuung für die erlittenen Qualen zu verschaffen, sondern auch, um vielleicht am Ende des Rachefeldzuges so etwas wie „Erlösung“ zu erfahren. Eine Katharsis, die aus dieser hasserfüllten, menschlichen Hülle wieder die sympathische Frau vom Anfang des Films werden lässt. Ein kurzes Lächeln, nachdem sie den letzten der Bande hingerichtet hat, lässt darauf schließen.

„I spit on your grave“ ist ein wahrer Brocken. Ein Film, der nicht konsumiert wird, sondern der den Zuschauer „konsumiert“, einverleibt, zum aktiven Teil des Films werden lässt. Ein Film, der dem Horrorgenre das zurückgibt, was es bei all den „Saws“, „Hostels“ und den ganzen anderen Torture- Porn Eskapaden der letzten Jahre immer mehr verloren ging: Intensität.

Während der aktuelle Trend im Horrorgenre eher dazu neigt, die Gewaltdarstellungen durch plumpe und übertriebene Effekthascherei zu absurden Jahrmarktattraktionen verkommen zu lassen, wirkt „I spit…“ wie ein Schlag in die Magengrube. Der Film ist dreckig, gemein, unglaublich brutal, eine wahre Durchhalteprobe. Aber er ist auch wesentlich mehr als das. Er ist straff und komprimiert inszeniert und vor allem wahnsinnig gut gespielt. Mit nur einer handvoll Schauspielern wird hier ein Szenario kreiert, dass dem Zuschauer von der ersten Minute an die Schlinge um den Hals legt und sie kontinuierlich weiter zu zieht.

Besonders hervor zu heben ist dabei natürlich Sarah Butler. Ihre eindringlich gespielte und überaus mutige Darstellung der Opferrolle und ihre eiskalte physische Präsenz als Racheengel könnten sie zur neuen Genre-Ikone werden lassen. Der Name Jennifer Hills bleibt einem aufgrund ihrer Performance noch lange im Gedächtnis. Aber auch die Übeltäter sind sehr passend besetzt und spielen abstoßend unsympathisch. Besonders hervorzuheben sei hier Andrew Howard als widerlicher Grinsesherrif.

Wer unbedingt meckern will, der kann natürlich in Frage stellen ob der Rachefeldzug so überhaupt realistisch durchführbar ist, da die einzelnen Racheaktionen wie am Schnürchen und ohne Probleme oder gar Gegenwehr von statten gehen. Doch wie oben schon erwähnt geht es hier weniger um die innere Logik einer Geschichte, sondern vielmehr um die Erfahrung, die man beim Betrachten macht.
„I spit on your grave“ ist ein Film für Hartgesottene, der an Intensität sogar noch das Original übertrifft. Ein faszinierender, schockierender Film, der selbst bei abgebrühten Gorehounds noch einige Zeit nachwirkt. (sebastian)

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