INTERVIEW

DÉESSE „Nietzsches Vagina“


Die Zürcher Band DÉESSE arbeitet seit mittlerweile drei Jahren unentwegt am Soundtrack der Gegenwart. Entfernt klagende, verzerrte Gitarren und sanfte Synthieflächen treffen hierbei auf eine bedächtig vorantreibende Rhythmussektion aus Kontrabass und minimalistisch-perkussivem Schlagzeugspiel. Die dunkle, klagende Stimme des Sängers erzählt von Verlust, Versagen und Aufbegehren. Den Schweizern gelingt der Balanceakt zwischen Nostalgie und Moderne. Ihr klagender Sound kommt mal verträumt unterkühlt, mal im rockigeren Joy Division Gewand daher. Das Gesamtkonstrukt ist trotz verzerrter Gitarren im ruhigeren Milieu zu Hause. Nicht ungewöhnlich, dass Déesse vor kurzer Zeit Peter Murphy supporten durften. Momentan ist die Band im Studio und arbeitet an neuen Material. Soundcloud / Homepage / Facebook
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Die typische erste Frage/ Aufgabe: Stellt euch doch kurz einmal den Lesern vor.
„Hallo, wir sind Déesse aus der Schweiz“

 

Was hat es mit dem Titel „▼“ eures Debüt auf sich?
weibliche Kraft. Vagina. Die Göttin steht sowohl für Schönheit als auch für Melancholie.
Lesen Sie bei Freud nach…

 

War von Anfang klar, dass es neben Downloads auch eine Vinyl Version des Albums geben wird?
ja. Wir wollen sowohl dem mp3-Konsumenten als auch dem Musikliebhaber gerecht werden. Qualität ist uns wichtig.

 

Es wird immer von Debüt gesprochen. Auf eurer Homepage gibt es aber Information über ein Album (mit der wunderschönen Ballade „Garlands), welches 2011 veröffentlicht wurde. Was hat es damit auf sich?

dies ist unsere inoffizielle Debut-EP, deren Qualität nicht messbar ist mit der offiziellen EP.

 

Wie kamt ihr auf die Idee mit dem Crowdfunding bei Wemakeit? Welche Erfahrungen habt ihr mit dieser Finanzierungsmöglichkeit gemacht?
Viele machen das heute so. bei uns hat es funktioniert.

Eure Musik hat ihre Wurzeln in den 80ern. Was verbindet ihr mit diesem Jahrzehnt und wie transportiert ihr den Sound in die Neuzeit?
in den 80ern sind in der Popmusik Nischen entstanden, die dadurch interessant sind, dass sie in einem musikalisch bankrotten Jahrzehnt Elemente zusammengefügt haben, die in den 60ern und 70ern noch nicht denkbar aber im Ansatz vorhanden waren. Z.B. die „Anarchie“ der frühen 60ern mit der industriellen, technoiden Kälte, in der wir aufgewachsen sind… in den 80ern hat alles seine Unschuld verloren, das finde ich persönlich verlockend.

 

Könnt ihr uns ein wenig über die Texte erzählen und welche lyrischen Einflüsse heben euch geprägt?
Für mich ist die literarische, philosophische und auch polemische Qualität der Texte massgebend. Ich betrachte mich als „singenden homme-de-lettre“. Starken Einfluss haben auf mich die Symbolisten, die Surrealisten, die Moderne und Postmoderne Dichtung sowie in jüngster Zeit die Transgressive Literatur. Auf der philosophischen Ebene ist es vor allem das Denken Nietzsches, der Existentialismus und die französischen Poststrukturalisten.

 

Musikalisch herrscht auf der EP eine schwermütige Grundstimmung. Welche Symbiose gehen Text und Musik ein?
selbstverständlich unterstützt die Musik die vordergründig existentialistischen Inhalte, aber auch den Sarkasmus, der auf eine Auflösung der Schwermut hinweisen soll, eben auf die philosophische Ebene. Dies ist zumindest das Ziel. Schwermut ist lediglich eine naturgegebene Grundstimmung, wenn man sich mit der Welt auseinandersetzt. Die Natur ist melancholisch, aber gerade in der Melancholie liegt auch viel Humor.

 

Die Songs besitzen meist eine durchdringende Melodielinie, welche dark-poppig in die Gehörgänge schleicht. Wie wichtig sind für den Gesamtkontext die leicht verzerrten Gitarren für euren Sound?
verstehe die Frage nicht. Die Melodielinien sollen Schönheit entstehen lassen. Die verzerrten Gitarren sind einfach Punk! Wut, Frust, Hass bzw. Hässlichkeit — und Schönheit, Zartheit, und Sensibilität liegen ganz nah beieinander. Das ist sehr entscheidend für unsere kreative Grundhaltung.

 

Wenn ihr einen einzigen Song zur besten Sendezeit spielen dürftet. Für welches eurer Werke würdet ihr euch entscheiden und warum?
Da sind wir uns nicht einig. Ich persönlich finde „Closer“, andere entscheiden sich für „Lost“.

 

Ihr habt Cutting Crews „(Ijust) died in your Arms“ gecovert. War es euch wichtig, einen genrefremden Song zu verarbeiten? Wie entstand die Idee und wie wichtig war euch die melancholische Ausrichtung der Neuinterpretation?
die melancholische Ausrichtung ist bereits im Original enthalten, jedoch haben wir das Thema unserer Zeit entsprechend konsequenter umgesetzt. Es ist zudem interessanter, ein genrefremdes Werk zu nehmen, solange die Intention im Kern die selbe ist.

 

Gibt es eigentlich in der beschaulichen Schweiz einen Markt für eure Musik?
nö. Die Schweiz vergisst man am besten so schnell wie möglich. Wir richten uns nach Europa aus.

 


Ihr habt gerade in Griechenland gespielt. Wie kam der Kontakt zu Stande und wie waren die Reaktionen beim Publikum?
über unser Label. Das griechische Durchschnittspublikum reagierte unseres Erachtens gleichmütig. Dafür waren die Kritiker begeistert, die ihrerseits wiederum die Gleichgültigkeit des Publikums scharf kritisierten.

 

Ein neues Album ist für Frühjahr 2014 geplant. Wie weit fortgeschritten seid ihr momentan und was darf der Fan erwarten?
Die Aufnahmen sind noch nicht ganz abgeschlossen. Es fehlen ein paar Gesangsparts, die wir wegen Krankheit des Produzenten aufs Frühjahr verschieben mussten. Das neue Album wird musikalisch vielfältiger und Genreübergreifender. Es wird extremer sein aber auch poppiger und eingängiger. Daneben stehen experimentelle Sachen. Jeder Song ist für sich
wesentlich wofür Déesse steht. Wir sind ausserdem reifer und besser als noch vor einem Jahr.

 

Sind demnächst mal Konzerte in Deutschland geplant?
geplant sind keine, aber würden uns selbstverständlich sehr freuen, mal in Deutschland zu spielen. (Matias Moulin, Sänger)