REVIEW

SCALPTURE „Landkrieg“ (Death Metal)

SCALPTURE

„Landkrieg“
(Death Metal)

Wertung: Gut

VÖ: 07.03.2025

Label: Beeindruckend

Webseite: Homepage / Facebook / Instagram

Gastbeitrag von „Rudi von Hotel666.de„:

Nicht wenige von euch Maniacs, mich eingeschlossen, haben sehnsüchtig auf den vierten Longplayer der Bielefelder Death Metaller SCALPTURE gewartet und im März war es dann endlich soweit. „Landkrieg“ nennt sich das neue Werk und erschien abermals über Testimony Records. Mit ihrem Zweitling „Eisenzeit“ hatte mich die Band, nachdem ich sie vorher nicht so ganz beachtet hatte, schon staunend und begeistert zurückgelassen, und konnte meine daraus resultierenden Erwartungen auf neue Musik mit ihrem Nachfolger „Feldwärts“ in allen Belangen nochmals toppen. Deshalb war ich umso gespannter auf die weitere Entwicklung und ob ich abermals begeistert vor meiner Anlage sitzen, hören und staunen würde. Ich kann euch als kleinen Spoiler vorab verraten, dass sie es geschafft haben :). Inhaltlich dreht sich das neue Album wieder um Krieg, geht nach den Abhandlungen über den ersten Weltkrieg nun aber weiter in die (europäische) Geschichte zurück und widmet sich einem anderen verheerenden Ereignis, nämlich dem Dreißigjährigen Krieg. Eine Zeit, die nicht nur ganz Europa politisch und religiös auf den Kopf gestellt hat, sondern unendliches Leid, Tod, Qual, Hungersnöte und Verzweiflung über den Kontinent brachte. Death Metal pur natürlich, aber auch für Scalpture an sich ein interessantes Thema, denn immerhin wurde 1648 mit dem in Osnabrück und Münster beschlossenen Westfälischen Frieden quasi vor ihrer Haustür dieses Schreckenskapitel beendet. Vielleicht war das sogar der Stein des Anstoßes?

Kommen wir nun aber zu dem, was Tobias (Gitarre), Felix (Gitarre), Niklas (Bass), Moritz (Drums) und Thorsten (Gesang) kompositorisch zu Papier gebracht haben, denn das ist wirklich mächtig gewaltig ausgefallen :). Nach einem ruhigen Intro, welches wie die Ruhe vor dem Sturm wirkt, bricht das deathmetallische Inferno auch gleich gnadenlos über uns herein und zwar mit einer Kraft, Brutalität und Energie, die wirklich überwältigend ist. Und das geht dann auch bis zum letzten Ton so weiter, ohne einen Moment an Intensität zu verlieren :). Ausgehend vom Svenska Dödsmetall wie early ENTOMBED in Kombination mit BOLT THROWER und ihrer walzenden kraft zogen SCALPTURE dereinst los, aber das alleine macht die Band schon länger nicht mehr aus. War das schon bei „Feldwärts“ nicht mehr so der Fall, tritt es nun noch offensichtlicher zu Tage, ohne dabei das musikalische Terrain des Death Metals zu verlassen. Es erweitert diesen nur, ohne ihm den Rücken zu kehren, was meiner Meinung nach auch nicht die Intention der Band war. Vom eben erwähnten brachialen Grundgerüst ausgehend zelebriert die Truppe diesen so sehr geliebten Sound auf ihre eigene Art und Weise und das mit absolut feuriger Passion und kochendem Herzblut! Mir fiel beim letzten Album schon eine Tendenz zu sperrig-disharmonischen Sounds auf, die mich leicht an aktuelle Sachen bei NAPALM DEATH erinnern, welche dieses Mal noch häufiger Verwendung finden, wirklich böse wirken und sich perfekt integrieren. Zwischendurch gibt es auch immer mal wieder Soundeffekte bei den Gitarren, die mich angenehm an VOIVOD erinnern. Noisige, entrückte Gitarrenlinien und -soli und melodisch-schwarze Klangfarbenraserei sind auch ein wohlklingender Bestandteil des Sounds, genauso wie groovig-vertrackte Momente und ein Quäntchen technischer Verspieltheit. Eine Prise D-Beat darf natürlich auch wieder nicht fehlen :). Mag der von mir beschriebene Sound der Band vielleicht verkopft wirken, ist dies aber absolut nicht der Fall. Die Songs von „Landkrieg“ sind zwar durchdacht, klingen aber jederzeit spontan und frisch. Das Ergebnis dieser Mixtur ist ein brachialer, brutaler, mitreißender, sehr intensiver und vor allem spannender Death Metal-Brocken, der ein wirklich düsteres, verwobenes und mehrschichtiges Klanggebilde erschafft, dessen Stimmungen wirklich bedrückend und erdrückend wirken und einen fast erschlagen! Einfach klasse und es setzt die Thematik der Band so gesehen akustisch sehr gelungen um. Ihr könnt auch förmlich hören, wie Tobias (Gitarre), Felix (Gitarre), Niklas (Bass) und Moritz (Drums) in ihren Instrumenten und den Songs aufgehen, diesen mit ihren hohen spielerischen Fähigkeiten von hoher Qualität Leben einhauchen. Ich muss auch nochmal extra Niklas‘ Bassarbeit erwähnen, die weit über die Songbegleitung hinweg geht, auf einer Ebene mit den Gitarren steht und durch coole Basslinien absolut zu überzeugen weiß. Das Ganze wird von der Band übrigens auch live absolut beeindruckend und perfekt dargeboten und mittels einer sehr dynamischen und herzblut- und schweißgetränkten Bühnenperformance präsentiert. Davon könnt ihr euch auf dem diesjährigen Party-San überzeugen lassen. Ihr Gig in Göttingen auf der Tour mit Carnal Tomb und Purgatory war auf alle Fälle klasse.

Wer SCALPTURE kennt, weiß, dass ihre Texte kein Todesblei-Standard sind, sondern sich tiefer gehend und nicht plump mit der Historie und den negativen Seiten des Krieges beschäftigt. War es bei „Eisenwerk“ und „Feldwärts“ der Erste Weltkrieg, ist es in diesem Fall, wie bereits zu Beginn erwähnt, der Dreißigjährige Krieg, welcher Europa nachhaltig auf verschiedenen Ebenen veränderte. Mit diesem historischen Ereignis lassen sich im wahrsten Sinne des Worte Bände füllen und so beschränkt sich Thorsten, wie bereits beim Vorgänger, auf bestimmte, den Verlauf des Konfliktes begründende oder prägende Ereignisse bzw. Personen. General von Wallenstein dürfte ja sicher nicht nur historisch interessierten Menschen ein Begriff sein. Genauso der Prager Fenstersturz, die Zerstörung Magdeburgs oder die als Schwedentrunk bekannte Bestrafung. All das packt er in für meinen Geschmack sehr gelungene Texte, die nichts beschönigen oder glorifizieren. Das Gegenteil ist der Fall. Hauptsächlich auf Englisch singend, gibt es auch wieder neben vielen deutschen Passagen sogar kurz Dänisch zu lesen/hören.

Das führt uns dann auch mal zu Thorstens Gesang, der abermals die absolute Macht ist und im Vergleich zur letzten Scheibe nochmals an Kraft, Wucht und Intensität dazugewonnen hat. Sehr gut. Und so grunzt, kotzt und röhrt er sich mit kratziger Kehle durch seine Texte, dass es eine wahre Wonne ist. Das Ganze ist echt herrlich derbe und brutal, klingt aber gleichzeitig weiterhin schön akzentuiert und verliert sich nicht im breiigen Kauderwelsch. Auch gerade dadurch ist jedes Wort wie ein Fausthieb gegen euren Brust. Der Mann hat echt Power und Feuer in seiner Stimme, welche er auch mit Inbrunst und voller Hingabe nutzt und somit eine ausdrucksstarke Präsenz im Gesamtsound einnimmt, welche sich auch live in seiner Bühnenperformance manifestiert. Gleiches gilt für seine intensiven und eindringlichen Reibeisenschreie und sein fast crustig-hardcoriges Gekeife, welches sich in sein Gegrunze mischt. Aus dieser stimmlichen Farbpalette heraus transportiert er überzeugend Wut, Hass, Frustration, aber auch Verzweiflung und Melancholie, die bei seiner gewählten textlichen Ausrichtung nicht ausbleiben sollten. Dazu gesellt sich immer wieder mal Felix mit seinen intensiven und aggressiven, teils leidvollen Schreien, welche die jeweilig vorliegende Stimmung zusätzlich unterstützen. Top. Schön sind auch die Gangshouts bei „Til Jeret Undergang“, die in Scalptures mannigfaltigem Klangkosmos auch nicht deplatziert, sondern einfach selbstverständlich wirken und sind.

Dann kommen wir mal zur Produktion :). Abermals fanden die Aufnahmen und der Mix im Hellforge Studio von Marco Brinkmann statt und das Mastering wurde wieder von Lawrence Mackrory übernommen, welches in den Rorysound Studios stattfand. Es hat sich also grob nichts geändert, aber das Ergebnis toppt den schon sehr geilen Sound von „Feldwärts“ locker! Als erstes fällt mir auf, das „Landkrieg“ insgesamt etwas lauter klingt und vor allem die Gitarren noch besser zu vernehmen sind. Das baut ordentlich Druck auf, was den wuchtigen Kompositionen noch mehr Kraft verleiht. Aber auch generell geht mir dieser voluminöse, herrlich erdige und natürliche Klang sehr gut ins Ohr, welcher gleichzeitig den Geist der alten Schule atmet und lebt, sich aber auch absolut im Hier und Jetzt befindet und zu keinem Moment verstaubt, altbacken und dadurch harm- und zahnlos wirkt. Die Produktion ist auch wieder angenehm differenziert, so dass alle Beteiligten gut zu hören sind, was gerade bei der coolen Bassarbeit wirklich schade wäre, wenn das im Hintergrund untergehen würde. Gleiches gilt für alle anderen natürlich auch. Seien es die fetten, druckvollen, kratzigen Gitarren, die sich wie ein dicker und feuriger Lavastrom über alles ergießen, die herrlich knalligen und natürlich und lebendig klingen Drums oder der Gesang – alles wird ausdrucksstark in Szene gesetzt. Es ist auch wirklich sehr gut gelungen, dieses bedrohliche und bedrückende Unbehagen und die hoffnungslose Düsternis von „Landkrieg“ perfekt einzufangen und widerzuspiegeln. Klasse! Das Resultat ist ein sehr organisches, kompaktes und atmosphärisch dichtes Soundgewebe, welches sich gnadenlos und sauheavy aus den Boxen presst, gegen euren Brustkorb drückt und euch nach Luft schnappen lässt. Was für eine geile Produktion!

Beeindruckend ist auch das Artwork von Eliran Kantor, welches auf den ersten Blick gar nicht so nach Death Metal aussieht, aber absolut zum textlichen Konzept von „Landkrieg“ passt. Ein farblich opulentes und auch zeichnerisch an historische Werke erinnerndes Gemälde, welches durch die Farbauswahl und die Art des Malstils eindrucksvoll eine schon fast idyllische Landschaft zeigt. Ein herrlich anzuschauender Himmel, eine dörfliche Gemeinde am Rande eines Waldes, eine hölzerne Umzäunung, ein Karren, ein bewachsener Heuhaufen an dem ein schöner alter Baum angrenzt und zwei Männer in Kleidung aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges. Beim genauen Hinblicken ist dann aber genau zu erkennen, welche brachiale Gewalt in dieser kleinen Szene in dieser Idylle liegt und sehr im Kontrast zum Rest steht. Ein von Angst überwältigter und sich auf dem Boden befindlicher Soldat kriecht um sein Leben bangend vor einem weiter Soldaten, der sich über ihm befindet, davon, denn dieser holt gerade voller Inbrunst mit seiner Streitaxt aus, um das auf dem Boden liegende Opfer abzuschlachten! Höchstwahrscheinlich wird man noch nicht mal, abgesehen vielleicht von ein paar aufgeschreckten Vögeln, sein panisches Schreien hören. Was mich besonders beeindruckt, ist, dass zwar nur Nase und Augen des Angreifers zu sehen sind, in diesem kleinen Detail aber genau erkennbar ist, was für ein bestialischer Hass in ihm steckt, der ihn diese Tat vollziehen lässt. Krass! Zum Artwork passend präsentieren sich dann das Bandlogo und der Albumtitel in älterer deutscher Schrift und erinnern von ihrer Farbe her an Pergament. Auf der CD ist dann noch ein Ausschnitt des Covers zu sehen und das altbekannte Originallogo von Velio Josto. Im starken Kontrast zu all dem steht dann das komplette restliche Layout, gestaltet von Irrwisch Artdesign, welches die Texte und die Credits auf einem blutig-rostroten Untergrund präsentiert. Das Ganze wirkt sehr aufgeräumt und auf das Nötigste reduziert, was ich persönlich recht angenehm finde, aber nicht weniger eindringlich, und stellt dadurch vor allem die Texte ohne ablenkende Optik in der Vordergrund. Ein sicherlich bewusst gewähltes Mittel, damit die Konzentration einzig allein auf den sehr gelungenen Texten liegt. In die gleiche Kerbe schlägt auch die Vinylversion. Das zweiseitige Inlay entspricht dem CD-Booklet, die Hüllenrückseite der CD und dann haben wir natürlich noch das Cover, was im Großformat wirklich ein prächtiger Genuss sein muss :). Hier könnt ihr euch noch mehr an den Details oder dem Gesamteindruck ergötzen, während der Rundling seine Runden dreht.

Mit ihrem vierten Longplayer „Landkrieg“ haben SCALPTURE ihren bisherigen kreativen Höhepunkt erreicht und beweisen, dass sie im Death Metal-Underground weit vorne mitspielen. Das auch zu Recht, denn ihr packender, leidenschaftlicher und intensiver Death Metal, welcher in der alten Schule wurzelt, aber gleichzeitig nach eigenen Ausdrucksmöglichkeiten sucht, ist einfach nur umwerfend. Wer als Death Metal-Maniac diesen betörenden Sound noch nicht zu Hause stehen hat, soll und muss dies definitiv nachholen und diese Lücke in einer Sammlung geiler Scheiben dadurch schließen.

Songs:

1. The Fall . 01:23
2. Into Catastrophe 03:46
3. Til Jeret Undergang 05:08
4. Landsknecht 04:20
5. Wallenstein 05:31
6. Den Mörka Nattens Lejon 03:21
7. Of Siege And Besieged 06:07
8. Schwedentrunk 03:28
9. Hell’s Choirs Chant 03:45
10. Bellum Se Ipsum Alet 05:48

Spielzeit: 42:37