INTERVIEW, TOP THEMA

EMBERCROW :: Wandern in dunklen Sphären

Nach einer längeren Wanderung mit einigen Wirrungen, konnten die Hamburger im letzten Jahr endlich ihr Album Debüt veröffentlichen. Herausgekommen ist ein gelungenes Werk voller, in verführerischen Melodien gebetteter Melancholie. Es lohnt auf jedem Fall, sich mit „Blacklight Wanderers“ intensiver zu beschäftigen, denn auch textlich gibt es, leicht metaphorische Sinnfragen, die zum Nachdenken einladen. Ein ausführliches Review findet ihr hier .

Zu guter Letzt danke ich den sympathischen Hamburgern für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen und wünsche viel Erfolg mit beiden Bands.

In der letzten Antwort gibt die Band noch ein paar musikalische Empfehlungen.

Weitere Infos hier: Homepage / Facebook / Bandcamp

 

Angesichts der längeren, teils wenig ertragreichen Zeit, könntest du unseren Lesern ein kurzes Fazit der Bandgeschichte abgeben und ein wenig über die aktuelle Besetzung sinnieren?

Gerne. Auf dem Papier gibt es uns tatsächlich schon seit 2004, aber leider hatten wir unzählige Line-Up-Wechsel, die dazu geführt haben, dass die ersten Jahre eigentlich mehr oder weniger unter Findungsphase verbucht werden müssen. So richtig los ging es für mein Feeling eigentlich erst 2008 mit der Besetzung, die auch die erste EP eingespielt hat. Leider hat ja auch diese nicht gehalten und man kann jedes mal nur hoffen, dass eine gewisse Konstanz einkehrt. Die aktuelle Besetzung harmoniert auf jeden Fall musikalisch und persönlich sehr gut. Wobei ich hier herausstellen möchte, dass dies auch in der Vergangenheit der Fall war. Es waren nie persönliche Differenzen, die zu Ausstiegen geführt haben und wir haben eigentlich zu allen ehemaligen Mitgliedern noch ein sehr gutes Verhältnis. Wie auch immer, ohne die nötige personelle Konstanz dauert einfach alles doppelt bis dreifach so lange. Dazu mussten wir business-technisch noch ordentlich Lehrgeld zahlen. In der Summe ergibt das dann unsere relativ schmale Historie.

 

„Blacklight wanderers“ ist euer Full Length Debüt. Wo siehst du die Unterschiede zur EP und wie seid ihr bisher mit den Reaktionen zufrieden? War ich zu kritisch?

Ich finde, das Album wirkt in sich geschlossener und stimmiger. Auf der EP haben wir den stilistischen Bogen vielleicht noch etwas zu weit gespannt. Das war damals durchaus so gewollt und wir mögen es auch immer noch, die EP wirkt dadurch aber etwas unhomogen. Weiterhin ist die Produktion der LP besser und viele Kleinigkeiten sind professioneller umgesetzt.
Was die bisherigen Reaktionen auf das Album angeht, bin ich ganz offen: Es sind viele gute dabei, insgesamt ist das Feedback aber sehr gemischt. Ehrlich gesagt hatten wir uns da im Schnitt etwas mehr erhofft. Auf der anderen Seite kann und will man es ja aber auch nicht allen Recht machen, insofern muss man damit leben. Dein Review finde ich übrigens super und deine (im übrigen ja sehr dezente) Kritik völlig in Ordnung, weil sie sehr sachlich ist. Gerade der Gesang wurde auch in einigen anderen Reviews angesprochen und hey, natürlich werde ich in diesem Leben kein zweiter Dio oder Pete Steele mehr werden. Da bei Musik gerade der Gesang bzw. die Stimme mehr als alles andere extreme Geschmackssache ist, kann ich mit der Kritik aber ganz gut leben. Wir sind im Großen und Ganzen selber zufrieden mit dem Album so wie es ist, das ist das wichtigste. Wir freuen und natürlich über jeden, dem wir damit ebenfalls Hörfreuden bescheren können.

 

In meiner Review spreche ich von bedrückenden Klanggebilden und betörenden Melodielinien. Wie würdest du die Instrumentierung und Melodie charakterisieren und wie wichtig ist trotz aller vorhandenen Depressivität eine verführerische Melodielinie?

Aus unserer Sicht bzw. für unseren Stil durchaus wichtig. Melodien sind ja auch meist das, was sich im Kopf des Hörers festsetzt. Wir versuchen daher gerne auf mehreren Ebenen Melodien einzuweben, z. B. per Gesang, Lead-Gitarre und Keyboard. Letztendlich versucht man, ein gewisses Feeling zu transportieren und diesem Zweck hat sich jedes einzelne Instrument unterzuordnen, auch der Gesang. Ich persönlich mag es, wenn die Einzelteile eines Songs bzw. jedes Instrument für sich betrachtet recht simpel sind, aber im Zusammenspiel ihre Wirkung entfalten.

 

Wo würdest ihr die Band im weitgefächerten Bereich des Gothic Rocks einordnen? Welche Bands haben euch inspiriert?

Man tut sich ja oft ein wenig schwer, sein eigenes Schaffen einzuordnen, zumal wir alle einen Recht breit gefächerten Geschmack beim Hören haben und sich somit Einflüsse aus vielen Bereichen einschleichen können. Härtetechnisch bewegen wir uns zwischen Rock und Metal und es gibt durchaus auch Einflüsse von außerhalb der Düster-Szene. Meiner Meinung nach hört man bei uns z. B. auch manchmal unterschwellige 70ies-Nuancen durchschimmern. Als Anhaltspunkte und gleichzeitig Inspirationsquellen würde ich an dieser Stelle Lake Of Tears, Amorphis, Paradise Lost, Katatonia, Anathema und Black Sabbath nennen. Ich denke, wer auf diese Bands steht, der könnte auch mit uns warm werden.

 

Die Texte passen perfekt zur Musik. Gibt es hier Inspirationsquellen aus der Literatur und wie ist die Vorgehensweise beim Texten? Brauchst du eine bestimmte Stimmung?

Eine bestimmte Stimmung eigentlich nicht, aber Ruhe, damit ich mich konzentrieren kann und meistens viel Zeit. Im Gegensatz zu Musik, die meist recht einfach „herausfließt“ und darüber hinaus ja teilweise auch in Teamarbeit entsteht oder verfeinert wird, muss ich mir Texte oft regelrecht abringen. Am Anfang steht oft eine Grundidee samt 2-4 Zeilen, die restliche Ausarbeitung kann aber dauern. Ich kann mich da ewig an gewissen Worten, Phrasierungen, Rhythmus, Reimen etc. aufhängen.
Textliche Inspiration kann dafür aber tendenziell von überall her kommen. Bücher, Filme, Spiele, das aktuelle Tagesgeschehen, das Leben halt.

 

Würdest du „in the end“ als Beschreibung der Gegenwart oder Zukunft sehen? „I hope, you reveled in life well“ klingt nach einer positiven Wendung zum Schluss, bis der letzte Satz die letzte Hoffnung durchkreuzt und Chopin’s Trauermarsch ertönt. Siehst du diesen Song als hoffnungslose Realität und wie entstand die Idee den bekannten Trauermarsch ans Ende zu setzen?

Der Text ist eigentlich eine Art Reflexion darüber, ob nach dem „irdischen“ Leben noch etwas kommt bzw. was die Konsequenz ist, wenn dem nicht so ist. Die von dir zitierten, letzten Zeilen sind daher eher in den Sinne gemeint, dass man versuchen sollte, das Leben so gut es geht zu genießen, weil am Ende lediglich der Tod gewiss ist. Dieses „Fazit“ wird am Ende dann auch musikalisch von einsetzenden Trauermarsch unterstrichen. Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht mehr genau, wie die Idee dazu entstanden ist, uns ist irgendwie aufgefallen, dass das bekannte Thema des Trauermarschs sehr gut auf das letzte Riff passt und zudem perfekt zur Textidee. Deshalb haben wir ihn in den Song eingebaut.

 

Wie siehst das Verhältnis von Aussage und Interpretationsspielraum in den Texten?

Es kann vorkommen, dass meine Texte eine recht direkte Aussage haben, normalerweise versuche ich aber bei der Mehrzahl bewusst so vorzugehen, dass viel Interpretationsspielraum bleibt. Ich mag es, wenn Texte mit Bildern und Metaphern arbeiten, so dass der Leser zwar weiß, worum es grundsätzlich geht, aber zusätzlich eine eigene Deutung herauslesen kann. Außerdem finde ich es cool, wenn Texte eine Art kleine Geschichte erzählen, wie es im Folk- und Singer-/Songwriter-Bereich oft der Fall ist.

Ihr covert „Plainsong“ von The Cure (passt natürlich mit Robert und Simon in der Band :-)). Was hat euch bewegt, diesen Song zu covern und wo würdet ihr das Ergebnis verordnen?

Geil, das mit Robert und Simon ist mir so noch gar nicht aufgefallen, aber stimmt natürlich :). Die Wahl fiel auf diesen Song, weil er zum einen einfach gut ist und sich zum anderen unserer Meinung nach recht einfach im Embercrow-Sound covern ließ. Wir mögen das Ergebnis, weil es sich im Zusammenhang der Platte anhört wie ein Embercrow-Song, ohne dass wir das Original groß zu verändern brauchten. In erster Linie soll es einfach ein Bonus für die CD-Käufer sein.

 

Eher eine Hommage als ein Cover ist das, von Lake of Tears inspirierte „return to the outer realms“. Es ist gesanglich, textlich und musikalisch wirklich gelungen. Habt ihr euch hier besonders Mühe gegeben um Daniel Brennare nicht zu „enttäuschen“? Würdest du es gar als dritten Teil von „Upon the highest Mountain“ bezeichnen?

Nun ja, ich mache keinen Hehl daraus, dass speziell ich ein ziemlicher Lake Of Tears – Fanboy bin :). Wir haben Daniel Brennare auch natürlich aus rechtlichen Gründen vor der Veröffentlichung gefragt, ob das von ihm aus klar geht und uns darüber gefreut, dass er den Song abgesegnet hat. Besondere Mühe würde ich so nicht sagen, denn schließlich versucht man ja bei jedem Song, ihn möglichst gut gelingen zu lassen. Aber besonders der Text ist tatsächlich als so eine Art inoffizieller, dritter Teil von „Upon The Highest Mountain“ intendiert und wenn man sich schon so weit aus dem Fenster lehnt, dann möchte man natürlich auch nicht total abstinken ;). Von daher freut es uns natürlich sehr, wenn du das Ergebnis gelungen findest.

 

Einige von euch spielen auch in der Death/Doom Band Crimson Swan. Gibt es hier eine gegenseitige Beeinflussung und siehst du bei Embercrow doomige Facetten?

Wir haben uns erst letztens darüber unterhalten, weil schon in einigen Reviews zu lesen war, dass Embercrow doomige Einflüsse aufweisen würden. Gerade im Vergleich mit Crimson Swan, wo wir deutlich langsamer und heavier zu Werke gehen, sehen wir das eher nicht so. Ich kann allerdings verstehen, wenn jemand, der solche Musik vielleicht generell wenig hört, auch Embercrow als Doom-beeinflusst empfindet.
Generell gibt es zwischen beiden Bands sicherlich gewisse musikalische Gemeinsamkeiten, was angesichts der gleichen Kernbesetzung ja auch logisch ist. Insgesamt sind die Unterschiede unserer Meinung nach aber schon deutlich, was ja auch der Hauptgrund dafür war, zwei getrennte Bands zu gründen.

 

Angesichts der beiden Bandnamen: Wer ist denn bei euch der Ornithologe?

Keiner, aber du hast schon recht, wir müssen auch manchmal darüber grinsen :). Bei der Gründung von CS hatten wir eine Liste, wo jeder seine Namensvorschläge drauf geschrieben hatte. Als uns dann selber bei dem Vorschlag „Crimson Swan“ die Parallele aufgefallen ist, fanden wir das ganz cool und die Sache war geritzt.

 

In letzter Zeit höre ich in Interviews immer wieder von Schwierigkeiten an Live Auftritte ran zu kommen. Gerade Hamburg scheint da für Underground Bands ein (überraschend) schwieriges Pflaster zu sein. Wo liegen für euch die Gründe allgemein und für Hamburg im Speziellen?

Der Hauptgrund im Allgemeinen ist vermutlich die große Menge an Bands. Es gibt so viele Bands, die spielen wollen, dass für den Zuschauer einfach ein Überangebot da ist. Ich merke auch bei mir selber, dass ich mir gar nicht so viele Gigs anschauen kann und will, wie stattfinden. Das führt dann dazu, dass die Leute tendenziell eher zu den größeren Konzerten gehen. Diese Problematik ist natürlich in Großstädten wie Hamburg noch konzentrierter vorhanden.
Es ist auch generell gar nicht so, dass man gar nicht an Konzerte rankommt, wenn man es wirklich drauf anlegt. Es ist nur gerade überregional ohne Vitamin B verdammt schwer an vernünftige Gigs ranzukommen, bei denen man nicht am Ende massiv draufzahlt, was man sich als Band ja auch nicht auf Dauer leisten kann.

 

Wie seht ihr allgemein die voranschreitende Kommerzialisierung ( z. Bsp.: Festivals werden zu Märkten) in der „dunklen“ Musik? Wo liegen eure Ziele für die Zukunft? Was steht als nächstes an?

Hm, schwierige Frage. Ich glaube, für Bands von unserem Status macht das keinen großen Unterschied, da sind eher andere Problematiken vorhanden, siehe die vorherige Frage.
Ich persönlich als Fan finde auf der einen Seite gewisse „Verballermannisierungs-Tendenzen“ gerade auf großen Festivals wie z. B. Wacken sehr schade, weil ich solche Veranstaltungen letztlich wegen der Musik bzw. bestimmten Bands besuche und man dieses Gefühl natürlich gerne mit Gleichgesinnten teilt. Dementsprechend fühle ich mich auf größeren, kommerzielleren Geschichten heutzutage auch meist nicht mehr so wohl, weil es da gefühlt mehr ums Partymachen und gesehen werden als um Musik geht. Auf der anderen Seite muss man da aber auch wirklich keinen Glaubenskrieg draus machen. Jeder hat das Recht, seine Musik und das Drumherum so zu erleben, wie er es möchte und anscheinend besteht ja genug Nachfrage nach „kommerzielleren“ Veranstaltungen und Bands, respektive deren Produkten. Ich finde das teilweise schade, weil da oft „Image vor Inhalt“ gilt. Aber am Ende gibt es ja von tiefstem Underground bis zum Chartstürmer für jeden etwas, um damit glücklich zu werden :).
Was unsere Ziele angeht kann ich eigentlich nur berichten, dass wir gerade das Crimson Swan Debüt-Album aufnehmen und ansonsten hoffen, im Laufe des Jahres mit beiden Bands möglichst viele Gigs spielen zu können.

 

Zum Schluß könnt ihr noch etwas loswerden, was euch schon immer unter den Nägeln brannte. Also los….

Alles klar, dann nutze ich diese Stelle mal, um auf zwei Hamburger Bands aufmerksam zu machen, die man meiner Meinung nach gehört haben sollte, also außer Embercrow und Crimson Swan natürlich ;). Das wären zum einen Ophis (Death-Doom) und zum anderen [soon] (Dark-Rock/-Metal). Checkt die unbedingt mal an, wenn ihr auf den entsprechenden Stil steht.
Ansonsten vielen Dank für deine interessanten Fragen, deinen Support und an alle, die uns sonst noch auf verschiedenste Art und Weise unterstützen!