EMPFEHLUNG, REVIEW

THIS DROWNING MAN „Melancholia my Love“ (Melancholic Wave)

THIS DROWNING MAN

„Melancholia my Love“
(Melancholic Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 18.01.2013

Label: Danse Macabre/AL!ve

Webseite: https://www.facebook.com/MelancholiaMyLove

Ich weiß gar nicht, ob mich in den letzten Jahren ein Werk derart berührt und derart begeistert hat, wie das Zweitwerk von TDM. Die Jungs haben mal eben so ein düster-emotionales Meisterstück geschaffen, welches in Puncto Schwermut, Elegie und gedrückter Stimmung den Vergleich mit The Cure’s „Faith“ nicht scheuen brauch.

Es ist eine Ode an die Melancholie. Leider ist dieses Gefühl, diese Stimmung durch die Ersetzung Depression eher negativ besetzt. Schade, galt doch die „schwarze Galle“ früher eher als Inspiration. Viele Gedichte, viel Lyrik, viele Gemälde, viel Musik wäre gar nicht erst entstanden, wenn es damals Antidepressiva gegeben hätte. Mit dem Zitat „Manchmal bin ich glücklich, traurig zu sein“ von EA 80 beende ich diesen kleinen persönlichen Diskurs.

Von Beginn an gelingt es den Norddeutschen mit getragenen, schwermütigen Soundkreationen zu betören. Atmosphärisch dicht konzeptionierte musikalische Gedrücktheit wird mit einem leidenden, dennoch hingebungsvollen Timbre zur perfekten Gefühlsübertragung. Richtungsweisend und als Appetizer dient daher der Titelsong als Opener, der zudem gleichzeitig als Verbindungsglied zum Erstling fungiert. „Home“ beweist dann, wie bei aller Schmerzhaftigkeit die Melancholie zu einem lustvollen Zustand wird. Es ist die Spannung zwischen Depression und Aufschwung, Unglücklich-sein und Besonders-sein in der die Lyrik/Musik eine neue Dynamik vermittelt.

„Just buried“ ist ein mit bittersüßen Melodielinien verwobenes Gemälde, welches fast lieblich die balladeske Eleganz über trübsinnige Ebenen transportiert. In Facetten erinnert man hier an Joy Division. Fast als Aufheller folgt „Hope machine Shop“ mit seinen verträumten Keys und schwirrenden Saiten. Ein einfliessender Kinderchor und der dramatische Aufbau des Stückes sorgt für dezenten Bombast.

„My November Guest“ zeugt von der perfekten Verschmelzung von Sänger Roland Klein und Gitarrist Veiko Tüllmann, wie sie es wohl seit Marr/Morrissey nicht mehr gegeben hat. Und das wunderschöne „The envy and the Fake“ besitzt dann auch die charmante Art der Traurigkeit wie bei The Smiths. Im Chorus kommt die Eleganz eines perfekten Herbst-Pop-Songs zu Tage. Dazwischen immer wieder die abwesende Versunkenheit des Sängers, wenn er zum Erzähler wird. Durch dieses Wechselbad von spielerischer Leichtigkeit und vornehmer Schwere tritt die tragische Seite noch stärker hervor.

„The Copycat Thing“ befasst sich mit scheinbar grundlosen Suiziden in der walisischen Stadt Bridgend. 17 Jugendliche gingen hier in 13 Monaten freiwillig in den Tod. Die musikalische und lyrische Umsetzung dieser schwierigen Thematik ist voll gelungen. Der galant eingesetzte Pathos ist hier weder polemisch, noch von Sensationsgier geprägt. Der Hörer wird nicht zum Beobachter, sondern Teil der Tragik. Solange wir uns die Systemfrage nicht stellen, kann Bridgend zum Synonym für etwas Unbegreifliches werden. Mit „red Tears“ gibt es zum Ende noch ein soundtrack-artiges Epos, welches eine gefühlvolle Ruhe ausstrahlt.

Das hervorragende Album ist wie ein stummer Schrei der Hoffnungslosigkeit. Ein stilvolles Spiegelbild der Melancholie, mal verstörend, mal erhaben, immer voller Gefühl. Trotz aller Trauer ist es ein von theatralischer Leidenschaft beherrschtes Kleinod zum Mit-sich-sein. Um kurz noch Marxens Dialektik zu bemühen: Es ist Opium für die geschundene Kreatur. (andreas)