EMPFEHLUNG, REVIEW

THE INVINCIBLE SPIRIT „Anyway“ (EBM/Elektro)

tisTHE INVINCIBLE SPIRIT

„Anyway“
(EBM/Elektro)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 24.11.2015

Label: Invincible Spirit Media

Webseite: Homepage / Facebook / Wikipedia

Da werden doch gleich Erinnerungen wach. Zwischenfall, Last Chance Records, Fair Sex, Informatics, Maxi Singles, Ruhrgebietswave usw. Thomas Lüdke ist nach Jahren zurück und hat 17 neue Tracks mitgebracht. Und es ist, als hätte es keine Unterbrechung gegeben.

Der Opener lässt kurz den Verdacht aufkommen, TIS sind ruhiger geworden. „Anyway“ ist ein melancholischer E-Wave Song, der sehr gefühlvoll inszeniert wurde und durch die typisch dunklen Vocals (ohne Kratzigkeit) sehr betörend in die Gehörgänge fließt. Fließen im wörtlichen Sinne, da dieses Stück zudem sehr eingängig ist und von einer schönen Melodielinie getragen wird.

Mit „Erase“ geht es dann aber etwas straighter zu Sache. Traditioneller EBM, düster, treibend und tanzbar. Zudem gibt es hier den Gesang mit dem bekannten rauen Unterton. Und gleich weiter im treibenden Surrogat der elektronischen Düsternis. Kühl und verwegen werden die Maschinen in „have you“ zum Leben erweckt. In den instrumentalen Phasen sphärisch und verspielt, im Chorus druckvoll bewegend.

Minimalismus und eine kühle Eleganz umweht das stampfende „afraid forever“. Wie der Hubschrauber in Apokalypse now dringt der Beat aus den Kellergewölben des elektronischen Laboratoriums in die Hirnwindungen und Körper der schweißgebadeten Menge. „Dark Eye“ betitelt sich dieser Moloch, der durchaus Reminiszenzen an The Normal aufweist. TIS goes Pop könnte man beim eingängigen Refrain von „naked soul“ meinen, wobei die vehemente Exkursion durch das Labyrinth der elektronischen Schräge dem Song eine ganz eigene Macht verordnet. Ganz dezent blitzt Rammstein ohne Gitarren auf.

„Lost Soul“- Eine gelungene Kollaboration der alten Schulen von EBM und Synthpop bringt das so geschaffene Klassenzimmer zum melodischen Erbeben. Knarzende Dunkelheit mit einer bedrohlichen Facette liefert „devil heart“, welches sich über einer sphärischen Eleganz ausbreitet. Ein ruhiges Stück, dessen minimalistische Schwere sich in der Hookline mit unterschwelliger Aggression paart. Elektronik Art Wave und mein persönlicher Favorit, obwohl ich ihn nicht als Markant fürs Album bezeichnen würde. „Final“ ist einer dieser galanten Songs, der sich mit lakonischer Leichtigkeit in die Gehörgänge frisst. „Hate you“ besitzt dieses puristische Element des 80er Jahre Sounds, repetitive Sequenzerläufe, prägnante Rhythmik und die passenden Shouts.

Bevor man die Repeat-Taste drückt und sich einen neuen Durchgang gönnt, hat dieses Werk noch mal einen ganz besonderen Leckerbissen als quasi Rausschmeißer parat. Hört und seht einfach selber. Geht in den Bereich „Denkmal setzen“.

Fazit: The Invincible Spirit gelingt der Spagat zwischen traditioneller EBM, verspielter Elektronik, Eingängigkeit, Gefühl und der so typischen Clubtauglichkeit. 17 Songs bieten natürlich auch genügend Platz für Experimente, dezente Ausflüge in die Moderne und sphärischen Versatzstücke Kraftwerkscher Prägung sind zu entdecken. Das Gesamtkonstrukt begeistert somit durch seine verschiedenen Facetten und doch merkt man, dass Lüdke dieses Meisterwerk aus einem Stück schnitzte und dabei mal monumental, mal mit unglaublicher Detailliebe zu Werke ging. Traditionalisten werden sich die Ohren lecken, Dj’s werden lächelnd „hate you“ auflegen, wenn jemand nach „Push“ oder „Make a Device“ fragt. Melancholiker werden zwischen Beginn („Anyway“) und Ende („a Nation“) eine erfolgreiche Genusssuche starten. Jüngere Generationen werden „analog“ und „digital“ neu definieren und ihre verschwitzenden Leiber werden noch im Bad nach dem Clubbesuch zucken. Der alte Mann hat es genossen, genießt weiter und freut sich auf das Zwischenfall Festival. (andreas)