EMPFEHLUNG, REVIEW

SWEET ERMENGARDE „Raynham Hall“ (Gothic Rock)

SWEET ERMENGARDE

„Raynham Hall“
(Gothic Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 14.06.2013

Label: Equinoxe Records/Nova Media Distribution

Webseite: www.sweet-ermengarde.de

1. Meinung

„Watch out Sisters and Mission Fans“ , genau 27 Jahre ist dieser Ausruf alt, stammt aus dem Malibu Katalog und sollte damit das erste Fields Album bewerben. Fast 3 Dekaden sind vergangen und The Mission spielen im Dezember, Fields im November, in England gar gemeinsam. Was das alles mit der Bochumer Formation zu tun hat? Nun, hier ist sozusagen die dritte Generation und mit „Raynman Hall“ gelingt ein wirklich packendes Debüt, welches tief verwurzelt im traditionellen Goth Rock dem nostalgischen Herzen tachycarde Strömungen verspricht.

Von Beginn an besticht das Album durch seine atmosphärische Tiefe, welche am ehesten an das Zweitwerk von Fields erinnert. Auch hier gelingt es, die treibende, dunkle Energie mit soundtrackartigen Facetten zu Kopfbildern von Ödlandschaften werden zu lassen. Die Songs, welche auch mal mit Spielzeiten jenseits der 7 Minuten aufwarten können, spielen mit der Dramatik, erhöhen Spannungsbögen oder lassen den Hörer in melancholische Gedankenwelten versinken.

Bewundernswert das Wechselbad zwischen harmonisierenden Melodielinien und Fields-of-Morricone Exkursionen. Das Paket wird durch betörende dunkel-tiefen Vocals verschnürt und in die Sinne des geneigten Goth Rockers versandt. „Kisses“ ist so ein Song. Pulsierend und treibend in der Grundstruktur, die Hooklines verführerisch, das warme Timbre gefühlvoll. Danach überwältigt mit „Raynham Hall“ eine getragene Schwere die Szenerie. Balladesk konstruierte Eleganz durchströmt die Melancholie um im folgendem „a promise to Fulfill“ die ganze Power (erinnert auch an den gleichnamigen Song) des Gothrocks zu verströmen. Ein schnörkelloser (vom Intro mal abgesehen) Hammersong auf die Zwölf. Eine Atempause ist nötig und folgt mit dem dezent verträumten „Heaven’s far away“. Es ist auch ein Stück, welches die Variabilität von Kuba unterstreicht. „For this moment“ ist einfach nur wunderschön. Und dieses, trotz teils schräger Soundscapes zwischen Italo-Western und Pink Floydscher Slowmotion. Roh und ungeschliffen kommt „necropolitan rest“ daher. Sänger Kuba lässt seine Stimmbänder hier ein wenig vom Reibeisen bearbeiten, einmal den rauen Glanz des Tons entdeckt, vollführt er diese unterschwellige Aggression im wesentlich ruhiger gearteten „Part of me“, welches sich ansonsten fast hymnenhaft der elegischen Harmonie hingibt.und die Nebelschwaden wandern über gedämpftes Licht, der kredenzte Rotwein entlädt seine bittersüße Blüte..ein akustischer Herbstspaziergang.

Vielleicht wirkt es übertrieben, aber einige Songs haben das Zeug zum Klassiker, auch weil man in dezenter Weise Ohrwürmer kreiert. So geht mir seit Tagen der Chorus von „Kisses“ nicht mehr aus dem Kopf, während „a promise to fullfill“ jeden Goth DJ als Tanzflächenfüller dienen sollte. Spielerisch (damit meine Spielfreude und Qualität) und songwriterisch bewegt sich die Instrumentenfraktion im sehr gehobenen Bereich und das koalieren mit dem Sänger zeugt von hoher Harmonie in der Truppe.

Fazit: Goth Rock in seiner reinsten und besten Form. Gratulation und ich ziehe meinen imaginären Hut. (andreas)

Hinweis: Am 30.11. spielt die Band beim großartigen Tonenburg Rock Festival in Höxter zusammen mit Reptyle, Golden Apes, Salvation AMP.

————————————————————————————-

2. Meinung:

Endlich wieder einmal eine CD, die voll überzeugt! Tatsächlich gelingt es SWEET ERMENGARDE mit „Raynham Hall“ auf äußerst eindrucksvolle Weise, dem Genre des klassischen Gothic Rock neues Leben einzuhauchen. Die Musik ist sehr abwechslungsreich, es werden fast alle Facetten des faszinierenden Gothic-Rock-Universums zum Ausdruck gebracht: Das Tempo der Musik ist schleppend bis treibend. Die Atmosphäre reicht von verträumt-melancholisch bis kämpferisch-aggressiv. Manchmal ist die Melodieführung prägnant, dann wieder verschachtelt. Es werden unterschiedliche Songstrukturen präsentiert. Auch die Länge der Tracks variiert deutlich. Der stets dunkel-sonore Gesang pendelt zwischen ruhig-beschwörend und ekstatisch-impulsiv. Die Rhythmus-Gestaltung ist sehr differenziert. Die Gitarren klingen nicht nur sphärisch-verzerrt, sondern mitunter auch schroff und klar. Immer wieder gibt es tolle Echo- und Halleffekte zu entdecken.

Alle Songs der Scheibe sind sehr hörenswert. Trotzdem ragen aus diesem mächtig beeindruckenden Gothic-Rock-Gebirge einige Lieder als besonders imposante Gipfel empor: Etwa der wundervoll hypnotisch wirkende Midtempo-Track „Kisses“, dessen betörender Refrain auch durch einen markanten Percussion-Einsatz überzeugt. Doch „Kisses“ wird noch überragt vom epischen „A Promise To Fulfill“, dem stärksten Lied der gesamten Scheibe. Acht Minuten lang bekommt man bei diesem Geniestreich phantastische Klänge zu hören. Insbesondere der höchst leidenschaftliche Gesang, die herrlich treibende Rhythmik und die subtil gesponnenen Melodiebögen machen aus „A Promise To Fulfill“ ein dramatisches Musikereignis der Extraklasse.

Der Song „For This Moment“ präsentiert sich als langsam dahinfließender Klangstrom, der in vielerlei Hinsicht fasziniert. Vor allem bei den Strophen und den instrumentellen Abschnitten ist der Track in atmosphärischer Hinsicht sehr dicht gewoben. Besonders schön klingt es, wenn in den Instrumentalpassagen die Leadgitarre langsam durch das schwebende und nebelverhangene Klangbild bricht. Und nicht nur im feierlich klingenden Refrain, der die dunkle Stimmung etwas aufhellt, überzeugt der Sänger mit seiner geheimnisvoll wirkenden Singstimme.

„Part Of Me“ scheint mir die zweitstärkste Nummer der CD zu sein. Das Lied bietet einen packenden Wechsel zwischen einem großartig rockenden Refrain und einer perfekten Strophengestaltung, bei der sich die dramatische Spannung unaufhaltsam nach oben schraubt. Besonders ergreifend bei diesem Lied ist der rau und tragisch klingende Refrain-Gesang. „Part Of Me“ beinhaltet die zerklüftetste und härteste Musik der gesamten Scheibe, hier zeigt die Band richtig Biss – einfach genial!

Fazit: Grandiose Musik, die im Innersten berührt! Seit vielen Jahren ist im Genre des klassischen Gothic Rock kein Album mehr veröffentlicht worden, das die besondere Faszination dieses Genres so perfekt zum Ausdruck bringt wie „Raynham Hall“. Liebhaber des Gothic Rock werden auf diese CD nicht verzichten können. Eine facettenreiche Scheibe, die rundum begeistert! (stefan)