EMPFEHLUNG, REVIEW

SCENT OF MISERY „Scent of Misery“ (Gothic Wave Rock)

SCENT OF MISERY

„Scent of Misery“
(Gothic Wave Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 03.05.2017

Label: Eigenproduktion

Webseite:  Bandcamp / Facebook

Hinter der italienischen Band aus Bari verbirgt sich das Solo Projekt Lorenz Van Funj, der nicht nur für Vocals, Bass, Gitarre, Keyboards sorgt, sondern das Werk in Eigenregie produzierte und mixte. Einzig die Drums überlässt er Enyo Loria. Der u.a. bei der Cure Tribute Band „The Baby screams“ das Schlagzeug bearbeitet.

Der Opener „Inside your Veins“ ist eine kardiologische Fabel und glänzt mit einer wunderschönen Melodie, welche konträr zum Text Harmonie heraufbeschwört. Die Vocals sind druckvoll dunkel und erzählen von Verlust und hoffnungsloser Sehnsucht, ganz selten taucht zwischendrin einer kleiner Hoffnungsschimmer auf, der jäh gestoppt wird. Das ruhig dahinschleichende dunkle Kleinod „New Life“ erklingt wie eine Verschmelzung von Cure und The Mission, wobei die atmosphärische Tragik durch die rauen Vocals eine ganz besondere, sehr traurige Ausstrahlung mit kantiger Note bekommt. Die Stimme von Lorenz erinnert in Phasen an Peter Steele, wobei mir immer wieder auch Kai Hoffmann von Secret Discovery in den Sinn kommt. Für eine galantes Zwischenspiel sorgt eine Violine, welche von Graziana Aceto verführerisch gestreichelt wird. Trotz aller, mit Trauerflor behangenen Melodielinien erkennt man eine dezente Lieblichkeit, wobei die Geige für ein zusätzliches, tränenreiches Intermezzo sorgt. Das die Drums nicht nur schmückendes Beiwerk sind, sondern auch mal die Rhythmik in die Hand nehmen, dafür steht beispielhaft „To the Sun“, wobei der Text offenlässt, ob der Protagonist als Ikarus oder Lichtgestalt fungiert. Das Stück besitzt ebenfalls diese tief melancholische Note, welche immer wieder textlich unterstrichen wird. Hinzu kommt die elegante Melodieführung im Midtempo-Bereich. Das folgende „Scent of Misery“ ist bereits 2012 veröffentlicht worden und wird hier in der leicht überarbeiteten Fassung von 2017 präsentiert.

Trotz ruhigen Beginn und leisen Zwischentönen, geht das durchdringende „she wants“ in Richtung Dark Metal, einen gewissen Anteil dessen hatte auch schon das straighte „Oblivion“ in petto. Ein balladesker Nackenbrecher voller getragener Harmonie erklingt mit „she wants to Leave the world“, wobei der Titel ebenso traurig klingt, wie ihn der gesamte Text dann manifestiert. Als hätte Cioran einen Text von Robert Smith seziert und neu zusammengesetzt. Ein vertontes Gedicht, welches derart mit Schwermut behaftet ist, dass jeder Ton, egal ob laut oder leise, egal ob schnell oder langsam als (zusätzlicher) messerscharfer Stich ins Herz dient. Aus der lethargischen Schwere des Hörers geleiten dann harsche Saitenhiebe im verspielt expressiven „Unromantic“. Wobei unromantisch im Sinne der Dichter und der Denker, welche des Öfteren Schmerz und Romantik in verführerischer Prosa verbanden ist der Song nicht. Auch im Gesamtbild bleibt der Song ein samten dahingleitendes Werk expressionistischer, schwarzer Musikkunst.

„Mood“ als instrumenteller Schlussakkord ist ein geschickt gesetzter Endpunkt, der im Gesamtkontext des Albums funktioniert wie „Death is not the end“ auf dem „Murder Ballads“ Album von Nick Cave. Hier allerdings ohne den Hoffnungsfunken, sondern als tiefdüstere Begleitexkursion des Grübelzwangs beim eruieren der vorher gehörten Texte.

Fazit: Ein ganz tolles Album, welche Fans von The Cure über Type O bis hin zu The Mission begeistern dürfte. Eine gelungene Verschmelzung von Gothic Rock und Gitarren Wave, wobei der Staub der 80er liebevoll in die Neuzeit gepustet wird. Das Gefühl für dahinschmelzende Melodien und eine Gabe für das Schreiben von tiefdepressiven Texten dürften jeden Schwarzromantiker mit einem wohligen Gefühl der schwermütigen Erhabenheit zurücklassen. Die Trauer spürend und genießend, dieses wundervolle Werk schmerzvoll umarmen, mehr geht nicht in diesem Genre. Das Album gibt es bei Bandcamp, dort erhaltet ihr auch die schön gestaltete CD im Digipack mit Booklet (Limitiert auf 100 Stück!). (andreas)