REVIEW

PETER MURPHY „Lion“ (Goth Rock/ Dark Pop)

PETER MURPHY

„Lion“
(Goth Rock/ Dark Pop)

Wertung: Gut+

VÖ: 02.06.2014

Label: Nettwerk

Webseite: www.petermurphy.info

„Lion“ ist bereits das zehnte Studio Album des früheren Bauhaus Sängers. Nachdem Murphy mit „Ninth“ 2011 ein viel gelobtes Comeback nach siebenjähriger Pause startete, gibt es nun den Nachfolger, in dem Murphy erneut an der perfekten Verschmelzung von Gothic Rock und Pop arbeitet.

Der Opener ist düster und kommt mit einer durchdringenden, puristischen Energie daher. Peter erinnert nicht nur in den eingeflochtenen ruhigen Passagen dieses Songs an David Bowie. Die Melodielinie durchzieht mit alptraumhafter Sicherheit den Song, während Breaks, stilistische Eruptionen und ein aufbauender Bombast dem Stück Substanz verpassen. Die Kakophonie der Saiten im Wall of Sound ist verzerrt und mit Rückkopplungen versehen. Auf mystischer Ebene ist hier die Istanbuler Hagia Sophia mit im Spiel. „Low tar stars“ besitzt einen treibenden Beat, die elektronischen Facetten sind schräg inszeniert, die Rhythmik wird von scheppernden Drums in Richtung Industrial Rock transportiert. Rein musikalisch erinnert der Song an frühe Alien Sex Fiend. Die Stimme und eine durchdringende Hookline mit feiner Pop Note machen es zu einem perfekten Song. Tanzbar, effektiv, sezierend…

Seine romantische Ader lebt er im latent schwermütigen und ruhig fließenden „I’m on your Side“ aus. Gerade im betörenden Refrain, der trotz harscher Saiten die Ohrmuscheln umschmeichelt, begeistert Peter mit seinen kraftvollen Vocals, die mal Erhaben, mal verzweifelt das musikalische Intermezzo begleiten. In der gleichen Art bewegt sich auch „The Rose“, welches mit seiner balladesken Eleganz an Songs von „burning from the inside“ erinnert, bzw. in seiner betörenden, dramatischen Darstellung an „Space Oddity“ (Bowie) heran reicht. Bombastischer Dark Pop, dessen verzweifelte Hingabe mit klassischen Background aufwarten kann. „Holy clown“ kommt mit einer schmachtenden Traurigkeit und Zerbrechlichkeit daher. Die Zartheit der Komposition eruptiert sich in einem knallbunten Refrain von durchdringender Ohrwurmqualität.

„I Am My Own Name“ beherbergt eine grazile, sinfonische Elektronik und besitzt die orientalischen Elemente, die es bereits auf den 2000er Alben gab. Murphy verarbeitet hier einen Vorfall aus dem vergangenen Jahr. Der Godfather of Goth war in New York im Oktober wegen Fahrerflucht, Drogenbesitzes und Fahrens unter Drogeneinfluss zu drei Jahren Haft verurteilt worden und ist seitdem nur auf Bewährung in Freiheit. Die düstere Ballade „Loctaine“ lenkt die Aufmerksamkeit auf einen soundtrackigen, Science Fiction Untergrund und den, hier ruhig bis wehmütig daher kommenden Stimmbändern.

Fazit: Peter Murphy fügt auf „Lion“ mehrere Schnittstellen zusammen. Zunächst die Verschmelzung von Nostalgie (80er) und Moderne. Dark Pop meets Electro meets Shoegaze. Treibender Goth Rock trifft auf balladeske Eleganz. Minimalistik umarmt Bombast. Gefühl und Expressionismus. Bowie knutscht mit Manson. Hinzu kommt eine perfekte Produktion, die nicht zu glattgebügelt daherkommt und so viele schräge Tonagen aufweist, dass man sich im musikalischen Labyrinth auch mal verlieren kann. In diesen verlorenen Momenten nimmt einem das grazile Timbre von Peter an die Hand und führt uns durchs Chaos in die Architektur der Harmonie. (andreas)