REVIEW

KAIZER „Leidwerk“ (NDH/Modern Harms Goth)

KAIZER

„Leidwerk“
(NDH/Modern Harms Goth)

Wertung: Geht so

VÖ: 13.08.2021

Label: Trisol Music Group/Soulfood

Webseite: Facebook

Harte Gitarrenriffs, leichtgängige Melodien, treibende Energie und pathetische deutsche Texte, da fehlt ja nur noch Chris Harms als Produzent… ach, da ist er auch schon, somit ist die Ausrichtung schon klar? Schlagermusik für Grufties.

Fette Produktion, fett, ganz fett. Joseph Heinrich Beuys hätte seine Freude und Andy Warhol gebe dieser Band diese besonderen 15 Minuten.

Alle über 30 brauchen ab hier schon mal nicht weiterzulesen.

Ansonsten: Das ist natürlich alles perfekt gemacht. Die kraftvollen, energiestrotzenden Stücke entziehen sich nicht einem gewissen Reiz. Die Texte sind durchaus durchdachte, kritische Anmerkungen, welche sich mit der Gesellschaftspolitik beschäftigen. So glänzt „Aschekleid“ nicht nur mit typischen Kinderchor, sondern auch mit kritischen Anmerkungen zur Religion und in diesem Namen geführten Krieg. „Hass, Krieg, Terror, Leid“ und auch mal am Rande das kapitalistische System negieren. Ein grandioser Song, auch wenn die Wucht des öfteren den Zweck zum reinen Mittel macht. Die Band besitzt gerade in den ruhigen, verführerische Momenten, wie im romantisch verklärten „Gib mir ein Zeichen“, ihre Höhepunkte. So besitzt auch das, ein wenig an Unheilig erinnerte „Sterne“ eine gelungene Romantik, wie ich sie seit Markus‘ „kleine Taschenlampe“ kaum gehört hab. Wobei damals der Zwiegesang wesentlich emotionaler rüberkam.

„Federkrieg“ beschäftigt sich mit der Gewalt und der Macht des geschriebenen Wortes. Die Feder kann eine Waffe sein, das wussten schon die Philosophen im 18 Jahrhundert. Folkig und mit Akustik-Gitarre begleitet, fließt das reduzierte „Göttersagen“ dahin. Dann kommt wieder diese opulente Walze und zerstört die Atmosphäre.

Der von Rammstein-Saiten bestimmte Opener „Leitwerk“ liefert natürlich das erwartete konsonantene Wortspiel. Irgendwie ein Song, der dafür geschrieben zu worden scheint, bei Konzerten als Opener zu dienen. Dass man dezent mit Combo Collasale aus der NDW kokettiert, geschenkt. Der eingebaute Break mit Ruhepol ist ansonsten bestens gesetzt. Alle nur Marionetten eines beschissenen Systems, um mal kurz einen Spruch der 80er zum besten zu geben.

„Dunkelheit“ lebt vom wundervollen Duettgesang, besonders dieses Gefühlvolle, leicht Zerbrechliche in der weiblichen Stimme versteht es, das Ohr zu berühren. Der männliche Part duettiert das Geschehen perfekt.

Kleine Klangwelten verlieren sich zunächst in einem Gitarrengewitter bei „Wann immer“. Nicht nur hier scheint mir eine Verschmelzung von Rammstein und Illuminate als perfekte Beschreibung zu dienen. „Klare Worte“ beherbergt genau das nicht, was der Titel suggeriert. Ein typischer Teenager Poesie-Album Track, der durchaus dezent an Silbermond erinnert. Der Rausschmeißer könnte perfekt zu meiner Beschreibung beitragen. Ein schwacher Song, manchmal ist weniger mehr.

Fazit: Meine Ohren wurden schwarzsozialisiert durch Mission, Sisters, Fields, Cure, Joy Division. Da ist dieses zwangsläufig schwer zu bewerten. Allerdings gibt es hier dieses ganz Besondere. Die Einfachheit wird mit Opulenz überfrachtet, dass man den Schleim förmlich aus den Boxen triefen sieht. Dennoch, das alles ist perfekt gemacht. Wunderschöne Melodien, perfekter Duettgesang, Texte mit Aussage, auch wenn mal ein Reim im Sinne „reim dich oder ich fress dich“ etwas zu offensichtlich rüberkommt. Und vielleicht liegt hier mein Problem, es fehlen die Überraschungen, die Schräge, das Rohe, das Grundgerüst erkennbare. Alles scheint irgendwie niedergemäht zu sein und sich demütig einem opulenten Soundbrei zu unterwerfen. Sehr gerne würde ich mir mal die Rohfassungen anhören, bevor irgendwelche Produzenten dem Sound eine dem Schlagerohr passende Gleichschaltung verpassten. Ich kenne jetzt schon einige Leute, welche dieses Werk lieben werden. Persönlicher Fakt: mir fehlt die Seele! (andreas)