REVIEW

CAIN JOHNSON „Reset“ (Zivilisationskritische Melancholie/ Blues/Ambient-Rock)

cain-johnsonCAIN JOHNSON

„Reset“
(Zivilisationskritische Melancholie/ Blues/Ambient-Rock)

Wertung: Gut

VÖ: 09.10.2015

Label: Nova Media/BOD Music

Webseite: Facebook / Homepage

Cain Johnson dürfte den meisten als Mastermind von Nomenclatura bekannt sein, mit der er in den Neunzigern einige Clubhits veröffentlichte, welche sich in der Schnittmenge zwischen Synthpop und EBM bewegten. Mit seinem neuen Projekt geht Cain Johnson komplett andere Wege. Melancholie, Western, Blues und sanftmütige Elektronik verzieren das Album. Der Gesang verbindet die Stimmbandakrobaten Nick Cave, Tom Waits und Leonard Cohen. Die Songs behandeln aktuelle Themen, die der Seelenlage unserer Zeit entsprechen: Kriege, wirtschaftliche, finanzielle, humanitäre und soziale Krisen, die Diskriminierung von Völkern und Minderheiten, Flucht und Vertreibung, die Gier nach Geld.

Der Titel des Albums ist Programm, geht es doch um einen Neustart, ein Zurückschalten zu einer naturnahen, nachhaltigen, ressourcenschonenden Lebensweise. „End of Days“ eröffnet das Album mit ruhigen, balladesken Klängen. Pianountermalung und ein catchy Rhythmus begleiten kehlige Stimmbänder durch ein düsteres Gedankengebilde. Auch im weiteren Verlauf bleiben positive Aussichten eher Mangelware (Der Song „Hope“ spiegelt es, bleibt aber instrumental). Cain Johnson klagt an und hat dabei immer den Spiegel in der Hand und lässt uns hineinblicken. Während der Opener eher sperrig daherkommt, besitzt „One Earth“ durch den eindringlichen Refrain ein wenig Pop Appeal. Die Stimme klingt hier nicht so rau, eher dunkel-tief. Ein schönes Lied, dessen Aussage uns seit den 70ern begegnet, in der Zeit gab es ja viele öko-dystopische Filme und Literatur. Geändert hat sich nichts.

„Machines“ spielt mit (leicht knarzenden) elektronischen Komponenten, was dem Gesamtkonstrukt einen kühl-verwegenen Charakter verleiht. Bläser leiten den etwas härter gesungenen Chorus ein. Die Strophen werden eher von soundtrackartigen Gebilden umrahmt. Fraglich bleibt, ob Cain Johnson über die industrielle oder digitale Revolution und die damit einhergehende Kälte schreibt, da hier textlich ein wenig Rousseau durchschimmert. „Me“ ist eine Pianoballade, welche sich genretechnisch im (Free)Jazz Bereich ansiedelt und mit tieferem Gesang begleitet wird, wobei es zwischendurch harmonische Einsprengsel gibt. Science Fiction Loops und sphärische Klangstrukturen begleiten „Nobody“, wobei textlich ein Niemand jeder sein kann.

Fazit: Cain Johnson liefert mit „reset“ ein sehr ruhiges, fast lakonisches Werk ab. Die Melange aus klassischen Instrumenten und synthetischen Popstrukturen paart sich mit experimentellen Klängen, bleibt dabei aber immer unaufgeregt. Die instrumentalen Stellen umgeben sich mit herbstzeitlichen, dunklen Fasern. Die Melodie ist meist sehr getragen, wirkt dabei, trotz der Texte, aber selten schwermütig. Man könnte „reset“ auch unter Singer/Songwriter einsortieren. Alle Produktions- und Werbekosten des Albums wurden von Cain Johnson selbst getragen. Der Reingewinn geht an World Vision! (andreas)