INTERVIEW

BRODEQUIN :: Weltweit exklusiv das erste Interviewtreffen im neuen Line-Up

Nachdem ich Ende 2015, kurz vor der Reunion von Brodequin, ein Mailerinterview mit Bandkopf Jamie Bailey geführt habe (Interview hier), war es mir beim diesjährigen Netherlands Deathfest möglich, die Band das erste Mal für mich live zu sehen und auch gleich ein Interview von Angesicht zu Angesicht zu führen. Ich hatte keinen reellen Fragebogen vorbereitet. Aber was sich daraus entwickelt ha,t ist das wohl größte und tiefgehendste Interview, das es je von Brodequin gab. Auf jeden Fall ist es weltweit und exklusiv das erste Face-To-Face-Interview, welches die Band vollständig im neuen Line-Up gegeben hat. Es war mir eine Ehre und hat mich etliche Stunden gekostet, das Ganze dann aufzuschreiben. Ein Hoch auf das Diktiergerät! (hendrik)

Hendrik: Als erstes, wie war euer Flug hier her?
Jamie: Ziemlich cool. Joaquin (Chavez, neuer Gitarrist) und ich hatten uns vorher nicht persönlich getroffen und von der Küste aus hatten wir zufällig denselben Flug. Ich konnte dann noch schnell am Schalter regeln, dass wir nebeneinander sitzen können. Und so hatten wir den ganzen Flug Zeit uns zu unterhalten. Das war sehr schön.

Hendrik: Und wie waren eure Proben?
Jamie: Erst hat jeder für sich zu Hause mit den alten Aufnahmen und Tabs und Playthroughs geübt und dann haben wir uns Anfang der Woche hier schon getroffen um dann zusammen zu proben. Das wollten wir auf jeden Fall vorher machen. Und wir haben viel und intensiv hier geprobt. Vielleicht ist es dir aufgefallen, Jan (van Lugtenburg, neuer Drummer) hatte beim Auftritt seine rechte Hand bandagiert. Die war vom vielen Proben richtig geschwollen, weil man die Masse an Proben ja nicht gewohnt ist. Als ich mich zu Hause vorbereitet habe, hatte ich auch Phasen wo meine Hände so geschwollen waren, dass ich sie kaum zur Faust ballen konnte, nur unter Schmerzen. Aber jetzt bin ich wieder voll drin.

                                                         DAS NEUE LINE-UP: Jan, Jamie, Joaquin

Hendrik: Wie hat sich das neue Line-Up denn gefunden?
Jamie: Als Jon (Engman, zweiter Drummer) dann sagte, dass er seine Zeit für sich und seinen Job braucht, habe ich ihn gefragt wie er sich das vorstellt. Nach wem wir Ausschau halten sollen. John hatte schon eine Liste von Kandidaten gemacht, die sehr kurz war. 3 Leute um genau zu sein. 2 von ihnen waren, bzw. sind in etablierten Gruppen eingespannt, welche auch touren und beschäftigt sind. Aber er war schon mit Jan befreundet, seit… ich weiß gar nicht genau, Jan?
Jan: So ungefähr seit 2 Jahren!
Jamie: Und er war der erste Name auf der Liste und ich dachte nur wer das denn wohl sei, ich kannte ihn ja gar nicht. Jon sagte mir, dass er ihn auch nicht persönlich getroffen habe, ihn auch noch nicht spielen gesehen hat aber mit ihm bei Facebook befreundet sei. Ich solle mir ein paar Videos ansehen und mir Sachen anhören. Und er war der festen Überzeugung, dass Jan die richtige für den Job sei. Mir gefiel direkt, dass die beiden Namen sich nur in einem Buchstaben unterschieden und ich mich nicht völlig umstellen musste. Und ich habe mich mit John darüber unterhalten und dann war ich auch der Auffassung, dass Jan der Richtige sei.
Und dann hat Jon dich über Facebook angeschrieben, oder wie war das, Jan?
Jan: Das waren so ungefähr 30 Minuten, bevor ich mit Contorted Mind bei einem Auftritt auf die Bühne gegangen bin. Ich bekam diese Facebookmessengermeldung und habe sie geöffnet. Er hatte mir geschrieben. „Jan, zwischen dir und mir. Ich steige bei Brodequin aus und wollte dich fragen ob du den Job übernehmen möchtest.“ Ich wusste überhaupt nicht was los war und musste dann ja auch auf die Bühne. Das war schon sehr krass, da ich eh schon ein großer Brodequin-Fan war und auch ein Fan von Jon und seinem Drumming. Ohne sein Spiel hätte ich wohl nie so schnell und solche Sachen gespielt, wie ich es jetzt tue. Ich benutze sogar das gleiche Schlagzeug Setup wie er, weil es für mich gut funktioniert und um ihm Ehre zu erweisen. Später hat er mich dann nochmal über Facebook per Anruf kontaktiert und mir gesagt, dass ich mich zwischen JA oder NEIN entscheiden müsse. Die Überlegung war natürlich eine sehr einfache und kurze Sache. Es war auf jeden Fall ein JA. Ich war mir nicht sicher ob ich das konnte, aber ich musste JA sagen.
Jamie: So kam das also zustande. Mein Bruder mit dem ich die Band gegründet habe war dann auch noch privat sehr eingespannt. Er arbeitet in einem Betrieb, die solche Untergrundpipelines und solches Zeug bauen. Da arbeitet er 6 Tage die Woche und abends geht er dann noch „zur Schule“. Er hatte also eigentlich gar keine Zeit. Wer will schon nach 6 Tagen Arbeit die Woche abends auch noch zur Schule gehen. Da hat man dann noch Zeit für genau NICHTS! Schon gar nicht für eine Band, die Gigs im Ausland spielt, wofür man oft mehrere Tage Urlaub nehmen muss. Als dann klar war, dass Mike die Band auch verlassen wird, habe ich auch mit Jon darüber gesprochen und wir haben eine Liste mit Kandidaten gemacht. 2 Kandidaten! Einer von beiden war Joaquin. Die andere Person weiß gar nicht wer sie ist und wird es auch nie erfahren. Ich habe mir unendlich viele Videos von Joaquin angesehen. Livemitschnitte, Playthroughs und solches Zeug. Habe mir ständig CDs mit ihm angehört. Und ich habe ihn genauso behandelt wie Jan. Jans Demo Tape habe ich bestimmt 1000 Mal gehört. Um zu sehen, ob das wirklich zu Brodequin passt. Ich habe Joaquin dann eine Nachricht geschrieben und ihn gefragt, wann eine gute Zeit für ein Telefonat sei. Und er hat gedacht, was der Typ von ihm will. Und wir haben ihn dann gefragt ob er in die Band einsteigen möchte. Nicht als Aushilfe für dieses Festival oder ein paar Shows, sondern als Bandmitglied. Wie war das für dich?
Joaquin: Ich kann mich noch dran erinnern als du mich angerufen hast, das war ein Montag. Und das war für mich schon WOW! Ich hatte mir ein paar Dinge überlegt, weshalb du mich wohl sprechen wolltest, aber der wahre Grund stand absolut nicht auf meiner Liste! Mir einen Platz in deiner Band anzubieten. Ich hatte gedacht, du würdest eventuell ein Side-Projekt machen wollen oder ähnliches. Ich habe dich dann gebeten mir zwei Tage Bedenkzeit zu geben um klären zu können ob das wirklich funktioniert für mich, aber eigentlich hatte ich mich nach einer Stunde schon entschieden. Brodequin war eh schon eine meiner liebsten Bands, wie konnte ich da NEIN sagen? Mit Embodied Torment haben wie „Judas Cradle“ auf unserem Album gecovert. Brodequin hat mich dazu gebracht diesen Hyperspeed Death Metal zu spielen.
Jamie: Das fand ich auch sehr interessant. Beide Jungs haben in ihren Bands vorher schon Songs von Brodequin gecovert. Das ist natürlich super, wenn du Jungs suchst und die eh schon so in der Materie sind und auf den gleichen Kram stehen. Jan ist für mich irgendwie Jon 2.0, da gibt es schon viele Parallelen.
Als wir jetzt vor ein paar Tagen hier das erste Mal zusammen im Proberaum standen, waren wir alle sehr nervös. Schließlich wusste keiner wie gut das Ganze wirklich funktionieren würde. Wir hatten vorher nie zusammen gespielt und jetzt proben wir hier für einen Auftritt auf einem großen Festival in Europa. Aber Jan erinnert mich wirklich sehr an Jon! Und bei Joaquin wusste ich nicht unbedingt von der musikalischen Seite, dass er zu Brodequin passt, aber von einer persönlichen war mir das gleich klar. Unsere Interessen überschneiden sich sehr. Seine Band ist auf derselben Schiene. Mittelalterliche Interessen, Foltermethoden. Da war mir irgendwie klar, dass es passen würde.
Die beiden haben schon so viel für die Band getan, aber da steht noch viel an.
Unser Auftritt Freitag war gut, aber es geht noch wesentlich besser. Das kommt aber dann wenn man sich aufeinander eingespielt hat. Chad (Walls, erster Drummer) hat damals vor allem live viele kleine Akzente gesetzt, an denen man sich aber orientiert hat. Und als Jon kam, fiel das auf einmal weg. Er hatte so ein reduziertes Schlagzeug. Da musste man sich neu orientieren. Da musste man sich ganz neu rein hören, damit man die Songs wieder spielen konnte. Und so ist es jetzt auch wieder, aber das ist völlig ok.
Und es hat ja auch gut funktioniert. Die Leute sind gut drauf abgegangen.
Joaquin: Die Leute sind wirklich gut abgegangen, konnte man von oben sehr gut beobachten.
Jamie: Das ist immer schön, dann macht es für jeden Spaß.
Hendrik: Trotz Verbotsschildern gab es auch eine Menge Leute die von der Bühne gesprungen sind.
Jamie: Ja, das war denen völlig egal!

Hendrik: Was kommt als nächstes?
Jamie: Das bin ich dieses Wochenende öfter gefragt worden. Bzw. bin ich häufig gefragt worden, ob wir dieses Mal auch ein „Prelude“ machen, wie die „Prelude To Execution“-EP als Jon eingestiegen war. Wir haben das damals gemacht um den Leute zu zeigen, dass alles läuft. Der neue Typ ist dabei, wir schreiben Songs. Alles gut! Deswegen bin ich schon oft gefragt worden, ob wir das wieder machen. Ehrlich gesagt… Keine Ahnung! Vielleicht machen wir das, vielleicht auch nicht. Es ist möglich, aber vielleicht behalten wir die Songs auch einfach fürs Album! Auch wenn die „Prelude To Execution“-Songs auch so auf dem Album gelandet sind. Ich wollte damals einfach nicht, dass die beiden Songs nur auf dieser EP zu haben sind, so wie „The Garotte“ und das Dead Infection- Cover auf der Split mit Aborted, Misery Index und Drowning. Deswegen haben wir sie auf dem Re-Press von „Instruments Of Torture“ auch nochmal mit draufgepackt. Mich macht es nämlich verrückt wenn man unseren Kram für Hunderte Dollar bei eBay vertickt.
Es gibt erst einen neuen Song, den wir in der neuen Besetzung noch nicht zusammen gespielt haben. Den haben Jon und ich geschrieben und auch erst 2 Mal gespielt. In Chicago und auf dem Deathfeast. Und selbst dazwischen hat er sich verändert. Jons Drumpatterns waren anders. Das war sowieso sowas von verrückt. Keine Ahnung wie der Junge das gemacht hat. Die Arbeit von beiden Armen UND Beinen in zwei Hände zu legen und auf seinem Touchpad herum zu hacken. Völlig verrückt.
Hendrik: Ja, ich habe Videos gesehen, auf denen man seine Finger kaum noch sehen konnte, so schnell war er.
Jamie: Ich könnt mir vorstellen, dass es damit etwas angestoßen hat und man demnächst noch mehr Bands mit so etwas sehen kann, evtl. Gerade aus der Indonesischen Szene. Vor allem weil es so billig ist. So eine Kiste bekommst du für 200 Dollar und dann vergleiche das mal mit Preisen für ein Schlagzeug.
Hendrik: Jon hatte echt Drumsounds auf den Pattern gespeichert, oder?
Jamie: Ja, das hatte er. Viele Leute die gemeckert haben, haben es wohl nicht verstanden. Sie haben das Ganze mit Putrid Pile verglichen, bzw. es gleichgesetzt. Aber Jon hat nicht auf einen Knopf gedrückt und dann Bier getrunken. Er hat jeden einzelnen Ton gespielt. Dafür hat er meinen größten Respekt. Etwas Neues auszuprobieren und trotz seiner Verletzungen weiter Musik zu machen. Ich fand es cool, das verdient Respekt und keine Nackenschläge.
Raphael: Die Menge der Leute auf der Bühne macht halt auch was aus. Wir haben Putrid Pile hier live gesehen. Die Musik war gut, aber es war halt langweilig anzusehen.

Jamie: Auf jeden Fall machen gespielte Drums optisch eine Menge her. Wenn das nicht so wäre, würde man auch keinen Nebel oder keine Lightshow benutzen. Der optische Aspekt ist da schon recht groß. Gerade in unserer Musik ist der Drummer sehr wichtig, da kann ich nachvollziehen, wenn die Leute auch einen sehen wollen. Die Leute misstrauen wahrscheinlich einfach der Technik. Damit kann man halt auch leicht schummeln.
Jan: Das ist dasselbe wie mit Drumtriggern. Die Leute meinen damit könnte man schneller spielen, aber das ist ja völliger Quatsch. Es hilft dir bloß dabei deinen Sound klarer zu machen. Ich mag es nicht für das ganze Schlagzeug aber grad im Hyperspeed Death Metal finde ich eine getriggerte Basedrum schon wichtig, sonst hast du nachher durch ein Mikrofon nur Soundbrei, der nicht klingt. Und wie Jamie schon sagte, wenn die Leute etwas nicht kennen finden sie es komisch oder lehnen es direkt ab. Als ich als neuer Drummer auf der Brodequinseite genannt wurde, mit der Nachricht, dass Jon aussteigt gab es gleich Kommentare, dass Brodequin ab jetzt 40% langsamer seien. Obwohl sie mich noch nicht einmal spielen gesehen haben.
Hendrik: Die Leute haben immer Angst vor Veränderung.
Jan: Da hast du absolut Recht. Aber denen werde ich es zeigen!
Jamie: Das ist immer wieder witzig. Wenn du dich mit Metalleuten unterhältst. Die sagen immer: „Das ist Metal, scheiß drauf was die anderen denken!“ Aber wenn du dann etwas Neues machst, sagen sie: „Scheiße, was soll das denn?“ Die haben grad gesagt, dass man im Metal tun kann was man will, aber wenn es dann tut wird es zum Problem.
Raphael: Und das Problem ist durch das Internet noch viel größer geworden. Jeder kann seinen Senf dazugeben, selbst wenn er überhaupt keine Ahnung hat.
Jamie:  Auf jeden Fall. Neue Bands tun mir teilweise richtig leid, da sie sich gar nicht erst etablieren können mit etwas Neuem, weil diese Idioten immer und überall gleich zur Stelle sind. Wir hatten damals Zeit und vorzubereiten und zu proben ohne Ende ohne negative Rückmeldung. Wir wussten genau was wir wollen. Wer dann noch Scheiße erzählen wollte, sollte es halt tun, OK. Du kannst es eh nicht jedem Recht machen und das wollen wir auch gar nicht. Das hier ist Metal, FUCK YOU! Es wird halt immer diese eine Person geben, die meckert. Deswegen kann ich den Druck nachvollziehen, den Jon gespürt haben muss. Es tat mir schon leid, dass die Leute gleich so negativ eingestellt waren. Ich habe mich schon gefragt, ob das zum Problem werden könnte. Denn das ist weder physisch noch psychisch gesund so etwas ausgesetzt zu sein. Das war echt zu viel du ich kann das absolut nachvollziehen. Ich bin ihm nicht böse und wünsche ihm alles Gute.

Hendrik: Nimmst du eigentlich irgendwelchen Gesangsunterricht, Jamie?
Jamie: Das ist eine ziemlich interessante Frage. Mein kompletter Gesang ist „inhale“, entsteht also beim Einatmen. Das war eigentlich mehr ein Unfall, dass ich das gelernt habe. Ich kannte ein Band, die aus zwei Brüdern bestand, Diabolical Dismemberment. Eine Drummachineband. Wenn überhaupt, haben die nur eine Demo gemacht. Und mit Sean (Gitarre und Gesang) habe ich mich über Gesang unterhalten, weil mir sein Gesang wirklich gefiel und er sagte, dass er alles „inhale“ macht! Ich hatte das nie gehört und habe mich gefragt, wie zur Hölle er das anstellt! Ich war total fasziniert. Dann habe ich mir gesagt, dass ich das auch mal probieren muss, aber definitiv nur alleine. Das geht nicht mit Leuten um dich herum. Also habe ich jeden Tag auf dem Weg zur und von der Arbeit im Auto geübt. Ich habe das Radio angemacht, damit es nicht zu bescheuert klingt und kräftig geübt, aber bei den ersten Versuchen passierte quasi nichts, oder es tat ziemlich weh. Dann habe ich 1 bis 2 Wochen mit verschiedenen Bewegungen des Kehlkopfes und der Zunge und der Lippen herumprobiert, um die Luft so herein zu bekommen, dass es auch nach etwas klingt. Und eines Tages kam dann wirklich etwas wie ein Growl heraus und ich war völlig geflasht. Dann habe ich zu Hause irgendeine Scheibe von Gorgasm angeschmissen und dazu geübt. Und es klang dann ganz ok. Und so habe ich dann jeden Tag geübt bis ich mich sicher genug gefühlt habe, das auch wirklich zu machen. Denn als wir nach einem Sänger gesucht haben, wäre ich nie darauf gekommen das zu übernehmen. Ich wollte nur Bass spielen. Ich habe in ein paar Bands Gitarre gespielt und das war ok. Aber ich wollte Bass spielen. Mit dem Instrument bin ich auch angefangen. Warum ich aufgehört habe Bass zu spielen, war weil ich kein Geld für einen Verstärker hatte und einfach nichts hören konnte. Gitarre konnte ich ja auch akustisch spielen. Jahre später konnte ich mir dann einen Verstärker leisten und bin damit zum Bass zurück. Aber den Gesang wollte ich definitiv nicht übernehmen. Aber wir konnten einfach niemanden finden. Wir hatten viele Leute da, die wie Phil Anselmo klangen, aber das wollten wir nicht. Und die Death Metal Sänger klangen nicht so wie wir es wollten. Wir wollten es noch tiefer und gutturaler und so hat es sich dann eben entwickelt. Und um das nochmal zu betonen, ich habe das nicht geübt um der Sänger zu werden, sondern nur weil es mich fasziniert hat, beim Einatmen solche Geräusche zu machen. Ich wollte nur wissen wie es geht. Aber dann kam eins zum anderen und jetzt mache ich doch den Gesang.
Jan: Wir sind alle froh, dass es so gekommen ist. (haha!)
Jamie: Mittlerweile bin ich das ja auch. Aber selbst als wir für „Instruments Of Torture“ ins Studio gegangen sind, habe ich mich noch nicht richtig wohl damit gefühlt. Aber was sage ich hier Studio? Die Scheibe wurde im Wohnzimmer des Typen aufgenommen. Also stand ich in diesem Wohnzimmer und fühlte mich nicht richtig wohl mit meinem Job am Mikrofon. Und alles musste „One Take“ aufgenommen werden. Andere Möglichkeiten hatten wir nicht. Und es gab einen Kühlschrank in diesem Wohnzimmer. Und während ich dann mitten in einem Song war, ging irgendwer an den Kühlschrank um sich ein Bier zu holen und die Flaschen klimperten. Also mussten wir mit dem Song wieder von vorne anfangen, wenn wir nicht Flaschengeklimper im Hintergrund auf der CD haben wollten. Und die ganze Bude war voller Leute. As war eigentlich eine recht schlechte Aufnahmeumgebung!
Und bei „Festival Of Death“ war es auch nur minimal besser. Es gab zwar keinen Kühlschrank, aber viel besser war es auch nicht!
Jan: War es immer noch ein Wohnzimmer?
Jamie: Nein, diesmal waren es zwei Schlafzimmer! Der Aufnahmekram stand in einem Schlafzimmer und wir waren in dem anderen. Und dann wurde ein Teil nach dem anderen eingespielt. Ab „Festival Of Death“ habe ich mich dann recht wohl gefühlt mit dem Gesang. Vorher eher nicht. Auch bei den Konzerten nicht. Ich wollte einfach nie der Typ am Mikrofon sein. Ich wollte in der Ecke stehen und Bass spielen. Mittlerweile liebe ich es, aber anfangs gar nicht!
Hendrik: Aber das ist schon alles deine Stimme, oder?
Jamie: Ja, auf jeden Fall. Da wird nichts dazu gemacht. Kein Bass, kein Verzerrer. Alles meine Stimme!
Hendrik: Als ich „Instruments Of Torture“ das erst Mal gehört habe, war ich völlig umgehauen. „Was für ein krasser Scheiß ist das denn?“ habe ich mich gefragt?
Jan: Im positiven Sinne?
Hendrik: Auf jeden Fall im positiven Sinne. Aber ich konnte mir absolut nicht vorstellen, dass jemand so etwas mit seiner Stimme macht ohne Hilfe von Effekten oder anderer Computerbearbeitung. Vielleicht ein wenig, aber nicht so krass.
Jamie: Ich habe Gorgasm, mittlerweile gute Freunde, vor Ewigkeiten in Milwaukee live gesehen, noch vor ihrer „Stabwound Intercourse“-EP und das hat mich voll umgehauen. Das wollte ich auch machen. Aber habe halt nicht an Gesang sondern nur an die Musik gedacht.
Mein größter gesanglicher Einfluss kommt auch von einem guten Freund, Matti Way!
Die „Cranial Impalement“-Scheibe von Disgorge ist ziemlich wichtig für mich. Die läuft bei mir immer noch ständig. Und da habe ich mich gefragt, wie zum Teufel der Typ das mit seiner Stimme macht. Und dann habe ich ihn „studiert“. Und Will Rahmer von Mortician.
Als „Instruments Of Torture“ raus kam, hatte ich nicht das Gefühl irgendetwas Besonderes geleistet haben. Aber die Leute sprach en mich dann alle an, wie krass tief mein Gesang doch sei. Ich dachte sie wären halt ok. Nicht wirklich tief, nicht wirklich gut. Ich war ja noch dabei das Ganze zu lernen. Musikalisch fühlte ich mich 100% wohl und war fertig für die Bühne, aber gesanglich war ich recht nervös. Ich hätte lieber noch ein halbes Jahr gewartet um mich zu festigen, aber Studio stand halt an. Ich bin immer noch überwältigt wenn ich Lob für meinen Gesang bekomme, weil ich einfach denke, dass es noch viel besser sein könnte. Als ich mit Disgorge auf Tour war vor vielen Jahren, und wir dafür probten meinte Ricky (Myers, Drums) das mein Gesang so unglaublich tief sei. Und ich fragte ihn wovon zum Teufel er da redet, sie hatten doch Matti. Ich dachte er würde mich veräppeln, da ich ja „NUR“ mein Bestes gab, aber nie an Matti herankommen würde. Das war komisch. Für unser nächstes Album werde ich daran arbeiten noch besser zu werden. Nicht unbedingt tiefer, aber irgendwie anders. Ich werde mal experimentieren.
Raphael: Trink doch scharfe Sauce!
Jamie: Ja, einige machen ja so Zeug mit Honig. Ich trinke einfach nur Wasser oder Gatorade wenn es das gibt. Zumindest vorm Auftritt. Ich kann auch „exhale“, aber damit fühle ich mich nicht wohl und außerdem tut es mir weh. Einigen tut „inhale“ weh, mir jedoch „exhale“. Das habe ich noch nicht richtig verinnerlicht! Ich fühl mich mit „inhale“ einfach wohler und es trocknet mir die Kehle nicht so sehr aus.
Jan: In den ganzen Proben bin ich davon ausgegangen, dass du auch singst. Das hast du aber nur einmal gemacht. Die anderen Proben waren instrumental.
Jamie: Das hatte zwei Gründe. Erstens haben wir das erste Mal zusammen gespielt und ich wollte erst nur die Musik hören. Hören was jeder macht. Spielen wir in der richtigen Geschwindigkeit. Spielt jeder die richtigen Töne. Solche Sachen halt. Und zweitens habe ich meine Stimme ein wenig geschont. Ich habe 2 Wochen lang vorher ordentlich und gut geübt, also wusste ich, dass meine Stimme im Moment gut ist. Da musste ich mich aber auch erst wieder herantasten. Wenn mir jemand 3Jahre nachdem wir nichts mehr gemacht hatten gesagt hätte ich solle die Songs singen, hätte das niemals geklappt. Als wir ernsthaft überlegt haben weiter zu machen, musste ich mit meiner Stimme wieder von vorne anfangen, im Auto! Für Mike und Jon war es dasselbe. Wir mussten die alten Sachen neu lernen. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass das relativ schnell ging. Auch mit dem Bass spielen.
Hendrik: Ich habe auch in einer Band gesungen, aber mache seit 2 Jahren keine Musik mehr. Wenn ich mich jetzt vor ein Mikro stellen müsste, würde auch längst nicht das kommen, was ich damals gewohnt war.
Jamie: Ja, bei mir war es auch so. Das war für mich allerdings auch eine sehr seltsame Erfahrung bei Disgorge nur das Mikrofon zu haben. Weil ich beim Singen immer den Bass in der Hand hatte. Ich weiß das klingt blöd, aber irgendwie kann man sich hinter seinem Instrument verstecken. Das Instrument ist irgendwie zwischen dir und dem Publikum. Nur mit dem Mikro habe ich mich irgendwie ungeschützt gefühlt. Wo tue ich meine Hände hin? Es hat Spaß gemacht, aber die ersten beiden Shows war es schon sehr seltsam.
Hendrik: Dann kann man aber schön ins Publikum gehen.
Jamie: Ja, das hätte ich vielleicht machen sollen.

Hendrik: Wo liegen für euch denn die Unterschiede eines Auftrittes in Amerika oder Europa?
Jamie: Ich bin ja in der glücklichen Lage vorher schon oft in Europa gewesen zu sein. Mit Brodequin und auch mit Disgorge. Die frischeste Erfahrung kann Joaquin euch da liefern. Er hat vorher nicht in Europa gespielt, war vorher nicht einmal hier zu Besuch. Er hat hier auf dem Netherlands Deathfest das erste Mal vor europäischem Publikum gespielt. Also was sagst du?
Joaquin: Mit Embodied Torment haben wie einige Festivals in Amerika gespielt. Das Publikum war jetzt nicht der größte Unterschied. Es war natürlich viel voller, aber weil Brodequin ja auch eine wesentlich größere Band ist. Und das Publikum war natürlich sehr gespannt. Und die hatten noch alle richtig Bock, weil wir freitags gespielt haben. Wenn ich aber als Fan hier herum laufe, bin ich schon geplättet. Das ist hier alles viel größer. Hinter und auf der Bühne gibt es wesentlich mehr Personal. Das hat schon einen wesentlich professionelleren Charakter hier. Außerdem ist die Szene in Amerika noch mehr Underground als hier. Da gibt es pro Stadt meist nur eine Metalband. Aber einen richtigen Vergleich werde ich wohl erst haben wenn wir mit Brodequin das Maryland Deathfest gespielt haben. Einige Sachen sind gleich und andere unterscheiden sich hier schon. Aber ich finde es ziemlich geil hier.
Jamie: Ich finde die europäischen Festivals um einiges besser. Sie sind irgendwie entspannter. Die Security nimmt ihren Job hier zwar sehr ernst, aber das finde ich gut. Trotzdem ist es entspannter. In Amerika läufst du zum Beispiel nicht so auf der Straße herum wie hier. Da findet alles nur in der Halle statt.  Aber als Metalfan war ich immer schon in Europa verliebt. Alle Bands dich früher geliebt habe, haben in Europa gespielt. Sogar Nailbomb haben in Eindhoven gespielt. Und ich habe gedacht: Scheiße, da muss ich hin. Das muss ja der Hammer sein.
Für Jan hingegen wird es eine ähnliche Erfahrung sein, wenn er nach Amerika kommt.
Jan: Klar, ich war noch nie da. Das einzige Festival außerhalb von Holland auf dem ich war, war das Obscene Extreme letztes Jahr. Ich bin eigentlich nicht so der Festivalgänger. Ich finde kleine Shows schöner.
Hendrik: Vielleicht solltet ihr mal das Party.San auschecken.
Jan: Ja, das habe ich schon mal gesehen, aber ich stehe mehr so auf die obskuren Bands!
Jamie: Noch eine Übereinstimmung mit Jon! Er steht ziemlich auf Noise.
Jan: Ja, das mag ich auch sehr. Ich mag D-Beat und Crustpunk und solches Zeug. Aber das findet man hier leider nicht so. Der Freitag hier, das war mein Tag.
In dem Moment bekomme ich einen Krampf und springe beinahe vom Stuhl auf.
Jan: Alles gut bei dir?
Jamie: Ahh, heute ist Tag 3. Wieviel Wasser hast du getrunken? Er zeigt auf mein Bier Das ist wahrscheinlich das Wasser was du trinkst, oder? Haha!
Hendrik: Nee, ich habe nicht so viel getrunken, ich bin die letzten beiden Tage zum Bed & Breakfast zurück gefahren.
Jamie: Zu wenig Wasser ist aber der sichere Weg zu Krämpfen!
Hendrik: Hier war es eher das Problem, dass ich die letzten 2 Tage quasi nur gestanden oder unbequem auf dem Boden gesessen habe.
Jamie: Ah, ok, das ist natürlich auch ein Grund.
Jan: Das ist das erste Mal für mich überhaupt auf einem großen Festival zu spielen. Aber wo waren wir stehen geblieben. Freitag war genau mein Tag, mit dem ganzen Grindcore. Ich habe aber leider nur Wormrot und auch Matyrdöd gesehen. Da waren so viele Leute die ein Foto mit mir wollten oder einfach nur reden. Das ist alles ganz neu für mich. Wenn ich mit Contorted Mind spiele, sind es meisten Shows nah an zu Hause. Und Brutal Death Metal und Grindcore sind nicht so große Sachen hier in den Niederlanden. Bei unseren Shows sind meistens nur so 20 Leute, ca. Und die meisten kommen dann um mich zu sehen, weil es sonst quasi keine Schlagzeuger hier gibt, die so schnell spielen. Selbst Disavowed haben keinen holländischen Drummer mehr. Severe Torture spielen nicht so oft.
Raphael: Der neue Schlagzeuger von Cliteater, ist auch noch gut.
Jan: Ja, Marten spielt auch noch bei Korpse und der ist auch ziemlich schnell. Aber die Jungs die noch so schnell sind spielen halt auch nur diese kleinen Genres und bei den Shows siehst du halt immer die gleichen Leute. Ich glaube wenn wir das Maryland Deathfest spielen wird es ziemlich voll. Da spielen auch Siege und Insect Warfare und andere. Sowas würde hier nie passieren.
Raphael: Ja, Bands wie Phobia oder Insect Warfare spielen leider fast nie in Europa und wenn dann meistens in der Tschechei oder so, für uns viel zu weit. Deswegen konnte ich sie leider noch nie sehen.
Jan: Ja, genau. Deswegen bin ich auch zum Obscene Extreme gefahren, nur wegen Insect Warfare. Ich wollte früher schon mal hin aber dieses Mal konnte ich mir das wirklich nicht entgehen lassen. Sie haben das ja als ihre letzte Show angekündigt. Sie werden bestimmt noch ein paar Shows spielen, denke ich. So läuft das eben.
Aber ich denke schon, dass das Ganze in Amerika anders laufen wird.
Jamie: Ja, Maryland wird groß und Las Vegas wird nochmal wieder anders sein.
Jan: Aber Las Vegas wird auch auf Death Metal getrimmt sein. Das ist noch etwas anders als hier.
Raphael: Eine Band aus meiner Heimatstadt hat auch schon auf dem Maryland Deathfest gespielt, Mantar. Die sind nach ihrem Debüt auch voll durch die Decke gegangen innerhalb eines halben Jahres.
Jan: Genau wie Korpse. Nach dem Debüt haben sie auch schon die großen Festivals gespielt.

Raphael: Werdet ihr eure Alben auf Vinyl nochmal heraus bringen?
Jamie: Es könnte passieren. Wenn wir das mit den Lizenzen hinbekommen, durchaus.
Raphael: Ich bin vor ein paar Jahren auf Vinyl umgestiegen und müsste meine Sammlung noch vervollständigen.
Jan: Auf Discogs kannst du sie sicher finden. Auf dafür wollen die Leute so 70€ haben.
Jamie: Ach, das würde ich nicht tun. Warte mal den Frühling, bzw. den Sommer ab. Aber kaufe nicht so überteuerten Kram, bitte. Das ist bekloppt!

Hendrik: Ich suche immer noch nach der Flagge von „Instruments Of Torture“. Wird es die nochmal geben?
Jamie: Ich glaube eher nicht!
Joaquin:  Dann bin ich ja froh, dass ich so ein Riesending ergattert habe.
Jamie:  Ja, die sind wirklich groß.
Hendrik: Ich war leider etwas zu langsam.
Raphael: Genau wie mit euren neuen Shirts von „Instruments Of Torture“. Die waren auch voll schnell weg. Du hattest bei Facebook gepostet, dass es wieder welche gibt und ich habe sofort nachgesehen. Alles ausverkauft.
Jamie: Ja, die waren auch ziemlich schnell weg.
Als ich gesehen habe, dass Leute bei eBay 60$ für unsere Shirts bezahlen, haben wir schnell neue aufgelegt. Ich find das muss wirklich nicht sein. Wenn wir was neu auflegen, verändern wir es aber ein wenig. Dann kann man es zwar wieder kaufen, aber die Leute mit der Erstauflage können sich trotzdem weiter freuen.
Hendrik: Ich hatte Glück mit meinem alten Shirt von „Instruments Of Torture“. Ich habe es bei eBay aus einem 10-Shirt-Paket für 200€ einzeln nehmen können für 20€. Als Einzelauktion ging es immer für 50-60€ weg. Das hätte ich nicht ausgeben wollen. Aber 20€ waren ok für mich.
Jamie: Da wird sich demnächst auch noch eine tolle Option auftun. Da Jan in Holland wohnt lagern wir Merchandise für Europa bei ihm und müssen es nicht immer verschicken, wenn wir herkommen. Er kann von da aus auch Merchandise verschicken und die Leute in Europa brauchen nicht mehr den teuren Versand aus den USA bezahlen. Früher bezahlte man ca. 5$ für den Versand. Heute nimmt Fedex, die für internationalen Versand verantwortlich sind, 21,38$.
Jan: Krass, wenn du ein Shirt für 20$ kaufst, bezahlt du noch mehr für den Versand.
Raphael: Und dann muss man hier ja auch noch die Steuern obendrauf zahlen.
Jamie: Bei Facebook habe ich mal eine böse Nachricht bekommen, warum ich denn wohl 20$ Versand nehmen würde, das wäre viel zu viel. Ich habe ihm dann die Rechnung des Versands fotografiert und geschickt und ihm erstmal erklärt, dass ich damit sogar drauf gezahlt habe. Ich fühlte mich schon schlecht 20$ zu nehmen und wollte nicht dann noch bekloppte 21,38$ nehmen. Ich musste ihm leider echt erklären, dass ich mir dabei nicht die Taschen vollgemacht habe, sondern sogar drauf gezahlt habe. Also das wird eine große Hilfe sein, Merchandise aus Europa verkaufen zu können. Gerade, weil wir mindestens 65% im Ausland verkaufen und dabei vor allem Deutschland. Für dieses Festival haben wir die Sachen auch extra hier drucken lassen, da wir immer wieder Probleme am Flughafen hatten unser Merchandise als Geschenke für Freunde durchzubekommen. Wollte die uns doch echt nicht abnehmen, haha. Für das Deathfeast letztes Jahr konnten wir ein paar mitbringen, aber das reicht nie aus. Wir hatten halt nur 30 Shirts dabei und die waren dann sofort ausverkauft. Mehr ging aber leider nicht. Dazu kommt dann noch, dass der größte Teil der Gage meist schon für den Flug drauf geht. Also bleiben uns hier meistens nur Merchandiseverkäufe um was dabei zu verdienen.

Danach hatten wir noch ein wenig Smalltalk und haben noch die Fotos gemacht. Bis jeder dann wieder Bands sehen wollte. Für mich ein absolutes Highlight in meinem bisherigen Schreiberleben. Als Fan aber natürlich sowieso. Aus den erhofften 10-15 Minuten bei einem Bier an der Theke mit Jamie sind gut 90 Minuten mit der gesamten Band und Bier geworden! Ein Traum!