EMPFEHLUNG, REVIEW

YOUR LIFE ON HOLD „Echoes From The Bardo“ (Goth Rock)

YOUR LIFE ON HOLD

„Echoes From The Bardo“
(Goth Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 30.10.2020

Label: Solar Lodge

Webseite: Homepage / Facebook

Wenn man die aktuelle Lage der Welt betrachtet, gibt es weit und breit keine Band, welche einen passenderen Namen haben könnte. Aber neben ihrer Namensaktualität besticht die belgische Band auch mit einem famosen Klangspektrum des druckvollen Gothrocks. Treibende Songs, ummantelt mit wehmütigen Melodielinien und durchzogen von einer latent kühlen Ästhetik. Formvollendet wird dieses düsteres Kleinod durch die tiefrauen Stimmbänder von Mastermind John Wolf. Worum es textlich geht und was hinter „Bardo“ steckt: Der Bardo ist die tibetische Bezeichnung für den buddhistischen „Zwischenzustand“ zwischen Tod und Reinkarnation. Allerdings wurde hier das Konzept von der tibetischen oder jeder anderen religiösen Interpretation befreit. Auf diese Weise wird der Bardo zur Metapher für die Hauptidee hinter YOUR LIFE ON HOLD. Es ist die Zwischenwelt, das Niemandsland zwischen verschiedenen Phasen des Lebens, zwischen Beziehungen, zwischen dunkleren und besseren Tagen. Es ist der Kern dessen, worum es in YOUR LIFE ON HOLD geht.

„Anywhere out there“ setzt gleich zu Beginn ein wahres Monster an verschiedensten Facetten des dunklen Rocks. Geschickt gesetzte Breaks, kleine Tempowechsel und gesanglich die Verschmelzung von Hingabe und Wut. Alles zum passenden Zeitpunkt passend (um)gesetzt.

„Nowhere Train“ ist einer dieser Songs, nach denen sich die schwarzen Tanzflächen in den Clubs die Finger lecken. Ein wenig 80er Feeling kommt herauf, flirrende Saiten, durchdringende Harmoniebögen und diese Stimme. Perfekt! Der Text ist eher mit Trauer behaftet, wobei der Protagonist als Fragender mit den Metaphern Tunnel und Zug konfrontiert wird, bzw. sich selbst konfrontiert.

Es wird sakral und düster, sehr düster. Choräle leiten ein, Gitarren dringen aus dem Hintergrund in die Szenerie. Leichte Zerbrechlichkeit breitet sich aus. John verleiht seinem Timbre einen leichter Trauerflor. Im Gesamtkontext kommt dieser Song gar ein wenig doomig rüber. Die Temposteigerungen werden hier nur kurz angedeutet, ansonsten lässt man die Atmosphäre schwarzglänzend triumphieren.

Es wird krachig es wird laut, es wird heftig. Das druckvolle „let’s start a war“ dürfte 1789 die perfekte Begleitmusik für den Sturm auf die Bastille gewesen sein. Allerdings geht es hier um das Einreißen selbstgebauter Mauern, welche das Innere umrahmen. Ein kompromissloses, wütendes Machwerk. Aber YLOH wäre nicht YLOH, wenn nicht auch hier die ruhigen Töne zwischendrin für ein Atemholen sorgen würde. Aber es ist wirklich nur ein kurzes Atemholen.

„Stuck the Bardo“ glänzt allein schon durch die Einleitung, welche einen dezenten Kältehauch mit Spuren von Sakralität vermischt. Veredelt wird das Stück durch die Stimme von Artaud Seth. Ein Klangerlebnis, bei dem die Gänsehaut ständiger Begleiter ist. Fast ein Merciful Nuns Song, welcher gleichzeitig für ein wenig Erklärung sorgt.

Schwelgerisch mit latent sperrigen Grundton, so dringt das, im Gesamtergebnis eingängige „save me from the void“ in die Gehörgänge.

Am Ende ein mehr als würdiger Abschluss: „Let’s start a fire“ lebt die Melancholie. Eine bedrückende Melodie umarmt seicht die Harmonie. Sehr ruhig entwickelt sich dieses Stück. Eine wavige Grundstruktur legt den Grundstock und langsam ganz langsam bekommt dieser Song Energie, doch sie bricht sich nicht Bann, sie bleibt immer auf dem Sprung und fordert den Hörer zuzuhören, in dem die Instrumentierung geschickt das Augenmerk auf die erzählende Gesangsdarbietung lenkt. Trotz der sphärischen Darbietung bleibt der Hörer in seinem spannungsvollen Dickicht ständig in Unruhe. Man fühlt sich gefangen in einer musikalischen Darbietung, welche gefühlsmäßig am ehesten mit einem Hitchcock Film zu vergleichen wäre. Interessant ist, das „let’s start a war“ wütend und voller Aufbruchstimmung daherkommt, während dieser Song eher verschämt zurückhaltend, fast ängstlich klingt. Ein Zusammenhang scheint gegeben, ist aber auf dem ersten Ohr nicht erkennbar.

Fazit: Passend zum vorherigen filmischen Vergleich: Dies hier ist großes Kino, je nach Alter setzt es da an, wo Garden of Delight 1997 oder 1985(!) The Sisters of Mercy aufhörten (und die guten alten Fields lugen bei den Arrangements hervor). YLOH ist durchdringender, puristischer und traditioneller Goth Rock, welcher nie den Blick aufs Detail verliert. So arbeitet man mit verschiedensten Facetten, lässt den Songs Zeit, sich zu entwickeln. Die sphärische Soundstruktur in Verschmelzung mit Aggressivität ist perfekt umgesetzt. Die Stimme von John erinnert mich immer wieder an Rüdiger Frank (Tors of Dartmoor). (andreas)