REVIEW

VESTFALIA’S PEACE „Loneliness“ (Cold Wave)

VESTFALIA’S PEACE

„Loneliness“
(Cold Wave)

Wertung: Gut+

VÖ: 17.03.2017

Label: Swiss Dark Nights

Webseite: Facebook / Bandcamp

Das italienische Quartett existiert bereits seit 1997 in unveränderter Besetzung. „Loneliness“ ist ihr Label Debüt bei Swiss Dark Nights. Ein 3 Track Demo gab es zudem mit „The Peasant“ 2004 (Die drei Stücke gibt es auf der CD übrigens als Bonus). 2005 erschien dann, das in italienischer Sprache aufgenommener Folk-Werk „Tra Mari, Pantani e Ponti Rotti.“ Zudem erschienen 1999 und 2000 zwei Demos in Eigenregie. Nebenbei veröffentlichten Gitarrist Duccio Del Matteo und Sänger Gianni Caldararo unter dem Namen „La Pietra Lunare“ 2015 ein (Neo)Folk Album.

Benannt hat sich die Band nach den 1648 geschlossenen Friedensverträgen, die den Dreißigjährigen Krieg in Deutschland und zugleich den Achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieg der Niederlande beendeten.

Die musikalische Ausrichtung der Formation lässt den traditionellen Cold Wave aufleben. Ihr von tiefer Melancholie durchzogener Sound erinnert an Bands wie The Cure (Faith-Zeit) oder And also the Trees. Hinzu könnten verschiedene weitere 4AD Bands (z.B. Cocteau Twins) als Reminiszenzen herangezogen werden. Dicht und sphärisch arrangierte Melodielinien, deren ausstrahlende Ruhe ein Gefühl der Geborgenheit heraufbeschwören werden von sanftmütigen, fast zerbrechlichen Vocals begleitet, welche (meist) tragische Geschichten erzählen. In einigen Songs bekommt Gianni weibliche Unterstützung hinterm Mikro, wobei vor allem das wunderschöne Duett in „Tell from the summer dew“ gelungen ist.

Der Titelsong eröffnet das Werk mit curesken Saitenspiel und dichtem Soundgewand. Der dunkelweiche Gesang wird von choralen weiblichen Backings unterstützt. Die flirrenden Gitarren ergänzen sich mit zurückhaltenden Drums. Die besungene Einsamkeit wird musikalisch perfekt austariert. Wie ein Weichzeichner, der sich über ein Gemälde der großen Romantiker gelegt hat.

„Wet ferns shine“ bleibt dem ätherischen Klanggebilde treu. Der Gesang rückt hier noch mehr in den Vordergrund, während die Hookline voller getragener Harmonie glänzt. Man sollte zwar aus diesem Gesamt-Kunstwerk keinen Song hervorheben, aber seit dem ersten Durchlauf hat es mir „a sad Image“ am meisten angetan. Eine bittersüße Melodie, dezent gesetzte Spannungsbögen, filigrane Saiten und die ausbalancierte Effizienz zwischen lauten und leisen Tonfolgen, sowie die überraschende Tempoanziehung im Mittelteil. Textlich scheint die Gefühlswelt eines Depressiven beschrieben zu werden. Rückzug, Dunkelheit, unkontrollierte Gedankenflut.

Der Schlußsong „i think i should leave“ ist musikalisch ebenso voller Wehmut Cure’s „Faith“. Wobei hier hier die Grauschattierung noch deutlicher zum Tragen kommt, da die Instrumentierung doch eher dezent rüberkommt und die Drums eher mit dem Jazzbesen gestreichelt werden. Es ist eher die Dyspnoe im Fluss des Klangbildes. Ein unterkühlter Soundtrack voller sphärischer Landschaften, deren Trostlosigkeit zwischen Stimme und Musik den Hörer immer tiefer zieht.

Die folgenden drei Songs sind dann vom 2004er Demo. Nahtlose Elegie, die Ausflüge in den Folk scheinen eher als Saitenprojekt (kleines Wortspiel) im Hörer hängen bleiben, quasi als kleine gelungene Abbiegung vom typischen Sound, denn im Endeffekt erklingt das Werk auch samt den (alten) Bonustracks wie aus einem Guss.

Fazit: Die Italiener zelebrieren einen erhabenen Klangkosmos, dessen elegische Darbietung der Traurigkeit ein Zuhause gibt. Mehr noch, sie gibt der Traurigkeit eine Heimat und verleiht ihr ein mystisches Gefühl. Ein wunderschönes Werk, welches durchaus den Depressiven in seine gewollte Einsamkeit dringen lässt, gleichwohl lässt es den Maniker zurück, mit einen verschmähten Blick gen Boden (jaja ein bißchen Shoegaze ist auch drin). (andreas)