THE CALM GRE
„Niemals genug“
(Cold Wave/ Post Punk)
Wertung: Gut+
VÖ: 24.01.2025
Label: Eigenproduktion
Nach dem vorzeitigen Ende der Post-Punk Band ROSI gründete Mirco Rappsilber in einem Anfall von Kreativität das neue Duo THE CALM GREY mit Sänger Rio (Atomic Neon). Die melancholische Atmosphäre und Rios gefühlvoll-verträumter Gesang und Mircos schön akzentuierte Gitarre ergeben ein tolles Post-Punk, New-Wave Gesamtpaket. Hinzu gesellt sich eine galante Schräge, welche ungeschliffene Ecken und Kanten ins harmonische Treiben mischen.
Gleich der Opener „Fire“ ist ein wahrer Burner. Hier melancholisiert sich die Schräge mit kühlen Klangwerken und mittendrin diese Stimme, die sich betörend über den wilden Sound legt, der sich irgendwie zwischen Killing Joke und Wipers ein Nest baut und gleichwohl ein gewisses Gefühl in die Szenerie legt. „New Moon“ lanciert The Cure und glänzt mit einer einfach gehaltenen Riff-Melodie. Dazwischen grätscht ein Gesang, der sich hingibt und betörend der Verführung die Hand reicht. Hier gibt es in Phasen durchaus diesen kleine Eckblick in Richtung Wave Pop der 80er, während die Instrumentierung die The Top Phase von The Cure heraufbeschwört. Höhepunkt des Albums ist „Niemals genug“, welches irgendwie zwischen Grauzone, Fehlfarben und EA 80 dem Dark Punk der 80er huldigt, daneben galante Gimmicks einbaut, welche Stefan Remmler erfunden haben konnte.
Wunderschöner Cold Wave mit leichtem Hang zur Tragik von Joy Division bietet „My forgotten world“. Besonders der mit Trauerflor behaftete Gesang nässt das Auge des Zuhörers. Hier würde ich fast U2 als Referenz gelten lassen. Im Ernst, das Klangbild und der Gesang erinnert mich ein wenig an Girls Under Glass früher (zur Zeit von „Humus“). Ebenso wie beim Opener ergänzt Philipp Münch am Synth das Duo. Etwas heftiger und tanzbarer geht es bei „Lost on a Train“ zu. Der Refrain weist leicht ungezügelte Züge auf (kurze Trilogie zur Bahn, welche man am Schluss auch geräuschvoll rollen lässt). Das folgende „Kälter als du“ erinnert mich komischer Weise ein wenig an Waggershausen, was auch darin liegt, das Rio seinem Gesang eine Whiskey-getränkte Rauheit verpasst. Nach diesem dunklen Singer/Songwriter Ausflug, gibt es wieder curesken Charme mit dem ruhig inszenierten „The Calm Grey“, bei dem Rio seine Stimmbänder toupiert und leicht verträumt die weichgezeichneten Gitarren-Klänge begleitet. Zum Schluss gibt es noch ein Intermezzo mit lieblicher Klangkultur und alptraumhaften Blixa-Textstrukturen.
Fazit: Dem Duo gelingt das Unmögliche, denn machen wir uns nichts vor, das Genre Post Punk ist reichlich überladen und hier den Überblick zu bewahren, ist schwierig. Mirko und Rio schaffen es, in ihrem Sound gerade soviel Fremdeinflüsse zu integrieren und gerade soviel Eigenständigkeit heraufzubeschwören, das beides perfekt funktioniert. Man hat was komplett Neues, dennoch direkt Vertrautes in den Gehörgängen. Das würde in etwa dabei rauskommen, wenn es gelingen würde, den Ratinger Hof als Probekeller wieder zu entdecken. Kleiner Wink. Produziert wurde das Album von Per-Anders Kurenbach at House of Wax Studio Bochum zwischen Juni und September 2024. So liegt uns nun ein nicht glattgebügeltes Album mit unterschiedlichen Facetten der neuen, dunklen Welle (NDW) vor. (andreas)