THE BEAUTY OF GEMINA
„Flying With The Owl“
(Art Wave Rock)
Wertung: Gut+
VÖ: 12.10.2018
Label: TBOG Music/Alive
Webseite: Homepage / Wikipedia / Facebook
Was Mastermind Michael Sele zusammen mit seiner Band hier abliefert ist erneut ein wahrer Earcatcher. TBOG veröffentlichen mit „Flying with the Owl“ bereits ihr achtes Studioalbum (hinzu kommen zwei Live-Alben und eine Compilation) und jedes Mal überraschen sie den Hörer aufs Neue. Heuer sind es vor allem die ästhetischen Soundkreationen, welche sich in minimalistischer Schwere aus den Boxen stibitzen. Das Gesamtwerk ist ein stimmiges Kunstwerk, welches auch aufgrund mancher Texte, in tiefer Melancholie badet. Der bittersüße Geschmack „schwarzer Galle“ wird durch verschiedenste Streicher-Arrangements und elektronischer Finessen noch vertieft. Das sanftmütige Timbre wird mit latenten Verzweiflungs-Tonagen zum fragilen Erzähler, der mal über der Musik thront oder mal händchenhaltend und mal demütig die verführerischen Klangkosmen begleitet.
Meist geht es sehr ruhig und getragen zur Sache, wobei druckvollere Stücke wie „Tunnel of Pain“ dem Gesamtreigen dezent gesetzte Akzentuierungen verleihen, wobei hier die kammerorchestrale Instrumentierung in Verbindung mit straighten Schlagwerk und Akustik Riffs etwas effektvoller in die Szenerie treibt, währende Sele etwas Atemlos zusätzlich für latent hektische Variationen sorgt. Komplett bedrückend sind Songs wie „Suicide day“, bei dem das Licht der Hoffnung mit dem ersten Takt ausgeblasen wird. Die Stille hernach beschreibt das Instrumental zum Finale dann perfekt, wenn auch sehr dezent. Zu Beginn ist das leicht verträumte „River“ ein perfekter Einstieg. Eine ruhige Atmosphäre wird erzeugt, fast sanftmütig schleicht die Trauer dahin. Dezent eingestreute Klänge von Cello und Violine verstärken die gefühlvolle Eleganz des Stückes. Mit Cellist Raphael Zweifel und der Violinistin Eva Wey konnte Michael auf bekannte Größen zurückgreifen, welche ihr klassisches Spiel herrlich unaufdringlich und dennoch markant in den Gesamtsound integrieren.
Die Video-Single Auskopplung „Ghosts“ glänzt mit einem latenten Country-Einfluss und straighten Riffs an der Akustik Gitarre, dezent eingestreute Loops und die Verwendung eines Harmonicums vervollständigen die Instrumentierung. Nicht nur hier balanciert man zwischen Verzweiflung und unterdrückter Wut. Hinzu kommt eine audiovisuelle Umsetzung, welche perfekt eine weite Ödnis beschreibt, dessen frustriertes Ende im Inferno endet.
„In the Dark“ nimmt sich aus der Ecke einen Stuhl und nimmt Platz zwischen Cohen und Cave, lächelt kurz verschmitzt, gibt seinen Musiker ein Zeichen und formt einen TBOG Song, dessen ungezwungene Eleganz in Ruhe badet und im Ohr-Gehirn Fragment das Element Wasser formt. Die Geige weint dazu. „Shades of Summer“ ist ein wundervoller Song, der den Fokus nicht auf Melodie oder einer Hookline lenkt, sondern eine getragene Atmosphäre in den Mittelpunkt stellt, worum sich ein Mantel legt, dessen musikalische Ausrichtung genau den Triggerpunkt trifft, den Schwarzumhüllte meist im verborgenen tragen.
Fazit: „Flying with the Owl“ pendelt zwischen weich gezeichneten Düster-Meisterwerk und ästhetischen Minimalismus. Der Hörer ist hier jenseits des leichten Konsums eher staunender Beobachter als mit summender Begleiter. Trotz warm ummantelnder Klänge des Cellos oder das gefühlvolle Streicheln der Violinensaiten bleibt den Songs eine galante Kühle immanent. Michael verzichtet trotz verschiedenster Instrumente, welche sich zum klassischen Rockinstrumentarium gesellen auf jegliche Opulenz. Der Bombast wird zum Kulturbanausen, der die auf den Punkt gebrachten Arrangements nur blinzelnd aus der Ferne betrachtet. Der textliche Se(e)lenstriptease behandelt (meist) depressive Gedanken über Sehnsüchte, Einsamkeit oder Liebe, welche den Menschen des Öfteren begleiten, ohne das er ihnen mit gesundem Menschenverstand Einhalt gebieten kann. Um es mit Eulen zu sagen: Carpe Noctem! Für Haptiker ist wieder ein schönes Digi-Pack samt ausführlichen „Beipackzettel“ als Verpackung gewählt worden, wobei das gekritzelte Cover etwas gewöhnungsbedürftig daher kommt. (andreas)