EMPFEHLUNG, REVIEW

SWEET ERMENGARDE „Ex Oblivion“ (Goth Rock)

sweet-ermengardeSWEET ERMENGARDE

„Ex Oblivion“
(Goth Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 11.03.2016

Label: Équinoxe Records

Webseite: Homepage / Facebook

2014 war das Debüt „Raynham Hall“ eine meiner persönlichen Entdeckungen im Bereich des Goth Rocks. Nun ist man natürlich gespannt, ob es gelingt die sehr hoch gelegte Latte zu überspringen, dazu ist das zweite Album einer Band ohnehin sehr prägend, wenn dazu noch ein Wechsel hinterm Mikro dazukommt, ist man zudem skeptisch. Nach dem dreigeteilten Opener kann ich dann aber meinen Skeptizismus für die wichtigen Dinge zurückstellen. Eine weitere Neuverpflichtung konnte die Band mit Mike York (Gitarre/Garden of Delight) präsentieren und somit bekommt Lars am Viersaiter einen weiteren kongenialen Partner.

Sakrale, feminine Choräle intronieren das Werk, sphärische Saiten verteilen Nebelschwaden im Raum und im Dickicht der Atmosphäre steigt Daniel „Carl“ Schweigler empor und betört mit einem rauen, dunklen Timbre. Das Ganze ist umgeben von einer düsteren Eleganz, wie man sie aus alten, englischen Gruselfilmen kennt. Der Gesang flüstert hier beschwörend bevor es mit einem genialen Übergang ins straightere „Into oblivion“ fliesst. Die Gitarren dringen schwer und mit einem kräftigen Wall of Sound in die Szenerie. Ein kleines Zwischenspiel mit ruhigen Sequenzen lädt ein zum Innehalten, bevor die Inszenierung wieder ihre ganze Kraft entfaltet. Mit „from Beyond“ endet Sweet Ermengardes Einblicke in ein altes Prosa Gedicht von H.P. Lovecraft.

„Tender Russian Roulette“ bietet traditionellen Goth Rock in bester Manier. Lead Guitar ein bißchen Sisters, dezentes Keyboard und ein raues Timbre mit druckvoller Ausrichtung. Dunkle Ruhepole, verschmitztes Bass und dann immer wieder eine Stauung im im straightes Fluss. Aus einer Eckluke schaut Wayne vorbei und liefert einen samtenen Teppich, dessen Knüpfung mit der Weichheit der Elegie gesegnet ist. Instrumente und Timbre zelebrieren diese Harmonie bis zum Exzess und bleiben doch in einem Underground Gefangene einer Wave Pop Prophezeiung, dessen Fesseln leicht lösbare Ingredienzien eines Surrogats der Betörung sind. Ruhige Stürme der Dunkelheit verwandeln sich zu Fabeln einer in sich homogenen dunklen Kultur, dessen Liegewiese nicht nur die „Blumen des Bösen“ beherbergt.

„Carmilla“ entfaltet sich zum melodischen Kleinod. Die Saiten werden verspielter, der Gesang cleaner und musikalisch gelingt die Balance zwischen Harmonie und kristalliner Düsternis. Der Titel wird zuweilen zu einem verzweifelten Schrei in der Stille. Dazwischen immer wieder dieser typisch verwaschene Sound des Goth Rocks der 80er. Pure Melancholie mit eher dezenter Instrumentierung liefert „Drain“. Ein Trauerflor verifiziert leise in einer Gemengelage aus durchstrukturierter Vehemenz und Zurückhaltung. Wärme umarmt die Kälte und kondensiert an den Facetten einer harmonisierten Larmoyanz zur elegischen Inthronisierung des Dark Waves. Dieser Song fesselt, wobei die betörende Hookline, gelinde gesagt, wie ein präkordialer Rettungsschlag funktioniert. „Dreamlands“ besitzt dieses lakonisches Element der Finsternis. Ruhige Vakanzen, Variierende Saiten-Faszinationen und dieser betörende Gesang. Galante Temposteigerungen mit der Lenkung auf harmonische Strukturen, ohne das Strophe-Refrain Spielchen zu übertreiben. Mittendrin dieses Fragment von Wasteland. Auch gelungen. Mit einem schwarzen Weichzeichner im Gepäck kommt „Drain“ daher. Ruhe und Sturm paaren sich zur Nebelwand.

Das Ende: Das Ende ist ein 666 sekündiger Moloch, dessen Faszination aus den Grabestiefen einer sakral ummantelten Elegie befreit wird, um fortan eine Wavehymne zu formen, welche sich in einem Kreislauf der Dunkelheit verfangen hat. Ein labyrinthisches Vermächtnis, dessen konspirative Kraft ein Bogen zwischen Lovecraft und Poe spannen könnte. Mystische Klangspektren, verworrene Hilferufe der Melodie. Erdrückende Finsternis. „Sacrifice“ und schließe die Augen.

Fazit: Wer den Erstling liebte, braucht ein wenig Zeit, um dem neuen Sound eine heimatliche Ohrgarnitur bereit zu legen. Das Gesamtbildnis ist eine musikalisch-künstlerische Manufaktur, die sich auf dem ersten Ohr ins, von Garden of Delight und Fields gemachte Bett legt. Erst mehrere Durchläufe lassen den erotischen Duft einer Ménage-à-trois vergehen und die Monogamie dieser Band erkennen, wobei Seitensprünge einer hedonistischen Facette des dunklen Waves entsprechen dürften. Sweet Ermengarde: Alles bleibt anders (Gern auch mit Interpunktionen zu lesen). (andreas)