REVIEW

SCHATTEN MUSE „Vergänglichkeit“ (Dark Wave / NDT)

SCHATTEN MUSE

„Vergänglichkeit“
(Dark Wave / NDT)

Wertung: Gut

VÖ: 28.03.2022

Label: The Circle Music

Webseite: Facebook / YouTube / Bandcamp

SCHATTEN MUSE ist ein deutsch-griechisches Duo, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Genre „Neue Deutsche Todeskunst“ neu zu beleben. Sicherlich ein Oxymoron, dennoch gelingt es, dem Atemhauch einer vergangenen Zeit ein neues Zeitzeugnis voller kleiner, düsterer Anekdoten hinzuzufügen. Und irgendwie scheint es mir eine grazile Neuheit zu sein, dass hinterm Mikro die stimmliche Weiblichkeit das Zepter übernimmt und dadurch eine noch deutlichere Zerbrechlichkeit in die dunkle Szenerie zu integriert.

Aufgebaut auf eine dezente elektronische Musik, welche das Dramatische in sich beherbergt, werden Geschichten erzählt, deren markante depressive Seite eine durchdringende Eleganz der Schwere beherbergt. Der Opener „Zurück“ klingt wie ein Hilferuf eines Depressiven vor der Tat. Das folgende „Vergänglichkeit“ behält die Tragik und auch diese, in sich verschachtelte Vehemenz der Dunkelheit, welche sich in reduzierter Musik und dem hingebungsvollen Gesang widerspiegelt. Nebenbei hat man zwei wunderschöne, gelungene Coverstücke in petto. Da ist zuerst die gelungene Version des GOETHES ERBEN-Klassikers „Das schwarze Wesen“ zu nennen. Hat sich vorher jemand an diese herangetraut? Zum Schluss gibt es dann noch die barock inszenierte, kühle Variante eines SOPOR AETERNUS-Songs. „Du fliehst“ hat die erzählerische Eleganz und beherbergt zudem den kinskiesken Kontrapunkt. Im Gesamtbild ein düsterer Moloch, der mit Glockengeläut und sphärischer Dichte dem Horrorfilm der 70er huldigt. „Scherbenwelt“ ist ein wundervoller, voller getragener Harmonie inszenierter Song, der sich auf einem schwarz glänzenden Altar dahingibt. „Schattenhall“ ist von einer Kühle umweht, in der sich die leicht dunkle Stimme von Sylvia Fürst voll ausleben kann. Der weibliche Oswald begegnet Nina Hagen und trifft in der Zwischenwelt irgendwo Silly. Fast 25 Jahre nach Entstehung der NDT gibt es hier eine würdevolle Huldigung, gleichwohl manifestiert sich eine interessante Band.

Fazit: Von besonderer Bedeutung ist dem Duo die Theatralik und die Auseinandersetzung mit Themen wie Tod, Nihilismus, Surrealismus, Religionskritik, existenzielle Philosophie, Geisteskrankheit, Gewalt und Isolation. Dieses, in sich düstere Konzept durchzieht die Songs. Die Stimme variiert zwischen weicher Eleganz und durchdringender unterschwelliger Wut, welche sich in der Verzweiflung ein gemütliches Zuhause sucht. (andreas)