REVIEW

NIGHT NAIL „March To Autumn“ (Melancholic Dark Wave)

NIGHT NAIL

„March To Autumn“
(Melancholic Dark Wave)

Wertung: Gut+

VÖ: 15.10.2020

Label: Cold Transmisson Music

Webseite: Facebook / Bandcamp

Vor 6 Jahren konnte mich das selbstbetitelte Debüt der Band voll überzeugen (siehe Review). Mit „March to Autumn“ liegt nun nach „LA Demons“ das zweite Full Length Werk der Formation vor. Mittlerweile in der deutschen Hauptstadt beheimatet besticht auch dieses Album durch seine harmonische Dichte. Von Beginn an herrscht eine melancholische Grundstimmung, welche eher wohlig gefühlvoll als bedrückend daherkommt.

Der dunkel-schleichende Opener „FTL“ wird von einer betörenden Melodielinie umgarnt, welche perfekt den, mit verträumtem Timbre dargebotenen Gesang unterstreicht. Zusammen mit dem Video wird der Song zu einem besonderen audio-visuellen Erlebnis, welches zum Schluss mit dem Saxophonsolo noch eine Überraschung parat hat.

Sägende Gitarren leiten das wehmütig erklingende „BRNO“ ein, welches fortan neben einer wavepoppigen Melodielinie vor allem vom dunklen Timbre von Brandon Robert getragen wird. Die sehr ruhigen Soundkreationen (hier hat Justin Deactivere seine Hände im Spiel) werden verführerisch inszeniert. Eingestreute Breaks erhöhen den Spannungsbogen, während ansonsten der Hörer auf einer sanftmütigen Welle (mit)schwimmt.

Theatralisch und mit weiblichen Backings verfeinert dringt das dunkle „Co-Morbid“ in die Gehörgänge. Die Saiten im Mittelteil werden mit flirrender Eleganz in Harmoniebögen transportiert und zwischendrin thront diese Stimme, welche sich gefühlvoll düster den tragischen Texten widmet.

Das collagierte „Helen“ überzeugt durch verschiedene Stil-und Tempowechsel, wobei der Gesang teilweise wie ein zusätzliches Instrument an der Verzierung des Songs beteiligt ist. Eine bedrohliche Geräuschkulisse leitet „153“ ( magische Zahl, Johannesevangelium oder…?) ein. Aus dem Hintergrund dringt die Melodie ins Licht der Szenerie. Die Saiten kokettieren hier nicht zum ersten Mal mit dem Shoegaze alter Schule. Sehr gut gelungen ist es auch, dass die experimentellen Ansätze des Stückes immer wieder in die warmen Arme der Harmonie gleiten.

Der Ausstieg ist dann ein balladeskes Mahnmal, dessen innewohnende Getragenheit schwarzglänzend und betörend seinen samtenen Teppich entrollt. Inszeniert wie ein sturmloses Meer, dessen Faszination sich aus der Eleganz des Weglassens erhebt. Hier ist kein Ton zuviel, hier regiert das Einsame in seiner fragilen Form. Betrübt und beglückt lässt man das Ohr teilnehmen an einem, dem Trauerflor huldigenden Kleinod.

Fazit: NIGHT NAIL liefern die perfekte Begleitmusik für die folgenden Herbstabende, welche man gezwungenermaßen allein oder zu Zweit zu Hause verbringen wird. Die Songs besitzen allesamt eine eher ruhige Atmosphäre, welche quasi als Grundstruktur bezeichnet werden kann. Hinzu kommen dezent gesetzte und detailliert integrierte Ausbrüche, welche sich in Intros oder Zwischenspielen an die Oberfläche trauen, ohne die Gradlinigkeit und das Gefühl des Stückes zu konterkarieren. Die von Schwermut durchzogenen Texte erinnern mich teilweise an Jean Amery oder Cioran, ein Titel wie „FTL“ hätte z.B. gut zu letzterem gepasst. Für Sammler und Vinyl-Fetischisten gibt’s dieses Werk auch als LP in Weiß oder Schwarz. (andreas)