NEKRODEUS
„Ruaß“
(Black/Death/Grind Metal, HC Punk)
Wertung: Gut
VÖ: 16.05.2025
Label: F.D.A. Records
Webseite: Instagram / Facebook / Bandcamp
Gastbeitrag von „Rudi von Hotel666.de„:
Heute führt uns unsere musikalische Reise in die Steiermark, genauer gesagt nach Graz, denn dort ist eine Band beheimatet, die just über F.D.A. Records ihren neuen Longplayer namens „Ruaß“ veröffentlicht hat. NEKRODEUS ist ihr Name und war mir bis zum Erhalt der Promo gänzlich unbekannt. Bereits 2013 gegründet und laut Infosheet dem Death Metal und dem Slugdecore entsprungen, haben sich Paul Färber (Drums), Sebastian Lackner (Bass/Gitarre), Stefan Rindler (Gesang) und Lukas Benedicic (Bass(live)) mittlerweile in einem Universum aus Black Metal, HC Punk, Death Metal und Grindcore heimisch gemacht. Klingt auf alle schon mal interessant.
Es geht auch gleich ohne großes Vorgeplänkel los und mein Hirn macht sich auf eine heftige und wuchtige Reise durch die düstere Gefühlswelt unseres Seins. NEKRODEUS kennen auch echt keine Gnade und kreieren einen fiesen Brocken, der sich aus den in der Einleitung genannten Stilen speist und euch ordentlich vor euren Kopf krachen wird. Es passiert innerhalb der Songs wirklich sehr, sehr viel, aber es wirkt in sich immer schlüssig, unverkrampft und nicht auf Teufel komm raus so gewollt. Das würden wir sicherlich auch hören. Die einzelnen Stile sind gut herauszuhören und es wird auch gerne mal abrupt zwischen ihnen gewechselt, aber oftmals ist es für meine Ohren auch so, dass quasi alles ineinander verschmolzen ist. Als Beispiel nenne ich mal das schwarzmetallische Riffing, welches oftmals von nordischer Raserei inspiriert ist, aber der Hass, diese enorme Wut, welche über mich hereinbricht, doch von der Stimmung und der Art der Umsetzung dieser Gefühle her dem entspricht, wie es im Punk/Crust/HC-Umfeld genutzt wird. Finde ich doch sehr interessant. Beim Anhören von „Ruaß“ kam in mir irgendwann der Gedanke bzw. die Frage auf, ob NEKRODEUS auch Fans der ganz frühen HELMET, insbesondere des Albums „Strap It On“, sind und auch davon musikalisch beeinflusst wurden. Gerade diese noisig-sperrigen und auch teils kalten und abweisenden Elemente der riffbetonten und (midtempo)groovigen Songs dieser Scheibe glaube ich auch im musikalischen Gerüst der Grazer wiederzufinden. Aus all diesem erschafft die Band einen homogenen, musikalischen Moloch der Düsternis, welcher eine enorme emotionale Wucht und Intensität inne hat, im Old School-Milieu wurzelt, sich aber von der Art des Komponierens her mehr im Hier und Jetzt befindet. Oft auch sperrig-dissonant und zum Teil unangenehm hämmert es aus den Boxen, was meiner Meinung nach sicherlich auch so beabsichtigt ist, aber sich niemals konträr zum Fluss des jeweiligen Songs bewegt und somit das Feuer und die Intensität der Stücke ungebrochen auf euch einwirkt. Ein garstiger, verstörender Schlag in die Fresse, geboren aus Wut, Verzweiflung und tiefer innerer Schwärze! Höhepunkt ist für mich der letzte Song, welcher mich vom Songtitel her auf eine Fliehende Stürme-Coverversion hoffen ließ, aber auch so ist „Sternenleichen“ ein wirklich beeindruckender, zäher und auch melancholischer Wutklumpen und ein passender Abschluss einer coolen Scheibe. Zu erwähnen sind auch die spielerischen Fähigkeiten von Paul, Sebastian und Lukas, denn das Songmaterial bedarf schon einigen Könnens, um das präzise und auf den Punkt gebrachte Songwriting perfekt einzuspielen. Wenn du da aus dem Takt fällt, ist das doch sehr schnell zu hören und die Wirkung würde sofort verpuffen.
Was musikalisch zu erleben ist, findet sich auch in den Texten bzw. der Art der Nutzung von Wörtern wieder. Die hauptsächlich deutschen Texte mit ihrer sehr schroffen, expressionistischen und intensiven Lyrik, welche innere, psychische Verstörung, Verstümmlung und Seelenqual mit (antifaschistischer) Gesellschaftskritik vereinen, hämmern gnadenlos auf dich ein, rütteln dich auf und durch und ergeben in Kombination mit der Musik ein garstiges Ungetüm. Dass das natürlich nicht mit engelsgleichem Gesang umgesetzt wird, sollte jedem von uns klar sein. Und so erwarteten eure bereits geschundenen Trommelfelle bestialisches HC-Gekeife und Gebelle, schwarzliche, unmenschliche Schreie und derbes Gegrunze, welches mit einer Inbrunst und Heftigkeit vorgetragen wird, auf dass sich alles verdunkelt und zu Eis erstarrt. Was für eine Wut, was für ein Zorn und was für ein Hass da aus Stefans Schlund emporquellen! Beeindruckend und wirklich absolut passend zur musikalischen Darbietung seiner Mitstreiter. Während der Geißelung seiner Stimmenbänder erfährt er auch immer wieder mal Unterstützung von Mitgliedern befreundeter Bands wie KARG, ELLENDE und vielen mehr.
Produktionstechnisch werden auch keine Kompromisse gemacht und so erklingt das in den Doom Studios von Markus Matzinger aufgenommene und gemixte und in der Tonmeisterei von Roland Rindler gemasterte Album roh und schroff, aber gleichzeitig sehr differenziert, angriffslustig und derbe aus meiner Anlage und ich muss sagen, dass der Sound von „Ruaß“, welcher für mich zwischen HC und Black Metal verschmilzt, wirklich all das, was ich vorher zur Musik und dem Gesang erwähnt habe, sehr gut einfängt und umgesetzt hat. Wuchtig, düster, wütend und feurig und ausgestattet mit einem sehr natürlichen Klang wird euer Verstand in den Wahnsinn getrieben, während der fiese, kratzige Gitarrensound, der wummernde Bass, das schön trocken klingende Schlagzeug und der gut zu vernehmende Gesang an euren Nerven zerren! Top!
Gleiches gilt für die optische Präsentation von „Ruaß“, erschaffen von Stefan selber, der auch gleich das Layout mit übernommen hat. Zu sehen ist auf einem schwarzen Untergrund ein an Hieronymus Bosch erinnerndes Mensch-Dämonen-Vogel-Mischwesen, dessen Kopf sich in einem Wasserbecken-ähnlichen Gefäß befindet. Diese Erscheinung wirkt recht boshaft und mit dem großen Krallen der Füße möchte ich es wahrlich nicht zu tun haben. Im Gegensatz zu Bosch ist diese tolle und beeindruckende Zeichnung in S/W-Tönen gehalten, was sie noch düsterer wirken lässt. Umrandet wird das Ganze von einem schön gezeichneten Blumenensemble, welches abgesehen von Texten immer wieder als Rahmenverzierung genutzt wird und einen Kontrast der Schönheit zu den morbiden und verstörenden restlichen Bildern bieten, welche sich auf dem restlichen Tonträger verteilen und mich etwas an Rudimentary Peni erinnern. Seien es die wie ein Schwarm Fledermäuse herumschwirrenden Augen, der an einem Strang stehende, kämpfende Mensch, der in einer Atombombe steckende Embryo, das Hundewesen, aus dessen kralligen Zitzen Blut tropft, oder die restlichen Szenarien – alles hinterlässt intensive Eindrücke und ist schon für sich alleine stehend ein Hingucker. Dazu stehen im Kontrast die nüchtern und kalt präsentierten Texte. Dazu passt auch das S/W-Bandphoto von Kuri Simon, welches die Band zwar in der Natur begleitet von laubfreien Bäumen zeigt, aber die im Hintergrund erscheinende wuchtige Betonskulptur räumt mit jeder aufkeimenden romantischen Atmosphäre gnadenlos auf. Da helfen auch die abermals einrahmenden Blumen nicht. Ich bin von der Aufmachung echt sehr angetan. Da lohnt es sich wahrlich, das Vinyl inklusive Inlay zu kaufen, um sich alles noch genauer anschauen zu können. Das Vinyl gibt es jeweils limitiert in Schwarz, Rot, Weiß oder Oliv. Allen Version liegt zusätzlich auch noch ein Downloadcode bei. „Ruaß“ gibt es übrigens auch auf Magnetband mit einem gänzlich anderen Cover, welches ein Gesicht aus Lehm zeigt und mit einem Kettenhemd bestückt ist. Zur Abwehr stehen dem Kopf wie bei dem anderen Artwork dornige Auswüchse zur Verfügung.
Mit ihrem dritten Longplayer „Ruaß“ haben die Grazer NEKRODEUS einen erschlagenden Monolithen erschaffen, dessen düstere, dissonante, kalte und abweisende Brutalität und Intensität, welcher sich aus den Abgründen von Black Metal, HC Punk, Death Metal und Grindcore nährt, gnadenlos über euch hereinbricht!
Songs:
1. Abgrundmensch I 03:33
2. Sarg Aus Fleisch 01:53
3. Frost 05:40
4. To Bite The Hand That Holds The Leash 04:47
5. Volkscancer 00:46
6. Abgrundmensch II 01:37
7. Astraldepression 04:30
8. Körperstrafe 03:01
9. Trümmerjugend 04:30
10. The Seeds Of Your Own Destruction 04:44
11. Sternenleichen 05:46
Spielzeit: 40:47