REVIEW

MEISTERZWERG „Die seltnen Orte“ (Epic Dark Romantic)

MEISTERZWERG

„Die seltnen Orte“
(Epic Dark Romantic)

Wertung: Gut+

VÖ: 28.11.2020

Label: Eigenproduktion

Webseite: Bandcamp / Homepage

Xulu, formerly known as Zulu und seinerzeit Sänger der Gothic Rock Band REPTYLE, begibt sich auf Sologefilde, gibt sich einen „kleinen“ Namen und kredenzt dem Hörer ein ganz besonders Album, welches zunächst schwer einzuordnen ist. Es ist zunächst (auf dem ersten Ohr) eine Melange aus Folk, Dark Rock, latente Punk Attitüde und treibenden Dark Rock und ein kleines Auge wird zurückgeworfen in die 70er.

Gleich der straighte Opener „Mittagsspiegel“, dessen Text irgendwo zwischen Sehnsucht und Alltagsbeschreibung hin und her pendelt kann überzeugen. Die Musik ist stringent, verwendet geschickt verschiedene Facetten, welche von dunklen Klängen bis hin zu verworrenen Alternativ Rock reichen. Und wenn das „Kummerland endlich abgebrannt“ ist, lassen wir uns die Sonne auf den Bauch am Meer scheinen.

Das folgende „Verbergung“ erinnert mich an die neuen Sachen von Joachim Witt. Die Atmosphäre ist ruhiger gehalten, wobei kleine experimentelle (latent orchestrale) Klangspektren integriert werden. „Mühle“ hat trotz einem eingängigen, romantischen Refrain einen härteren Grundton. Zwischendrin lässt sich die Gitarre zu Solopfaden hinreißen, darüber legt sich dann fast verträumt die Melodie. Das treibende, teils wütend intonierte „Brautgang“ wartet mit reichlich Stimmungswechsel auf. Eine fast chaotische Songführung, Wechsel zwischen textlicher Romantik und ungezügelter Energie…das alles lässt den Hörer in wohliger Verwirrung zurück. Konträr dazu fährt die gefühlvolle Ballade „die seltnen Orte“ in sehr ruhigem Gewässer.

„Lob der Scherben“ ist erneut ein wunderschöner, tiefromantischer Song, der durchaus einer Freimaurer Loge als Hymne dienen könnte. Wobei das bearbeiten eines Steins nur dezent am Rand als Metapher dient. Eher scheint es ein Zusammenfügen von Erinnerungsfetzen zu sein, welche manchmal greifbar, dennoch scharfkantig in Scherben vor den Füßen liegen. „Sollst du im Scherbenhaufen wühlen“ ist ein perfekter Einstieg in den Song, weil er gleich das Hirn auf Hab Acht stellt.

Fazit: Meisterzwerg liefert ein ganz besonderes Kleinod. Es ist irgendwie der Aufstieg von der kleinen, eigenen Welt hin zur Globalisierung der Gefühle. Xulu vermengt geschickt Träumerei, Realismus und eine verklärte Romantik. Xulu war bei REPTLE die extrovertierte Rampensau auf der Bühne, hernach und auch davor hat er sich eher mit dem Ich beschäftigt. Diese Ambivalenz nutzt er heuer, um ein ganz besonders Album zu kreieren. (andreas)