REVIEW

KÆLAN MIKLA „Undir köldum norðumljósum“ (Cold Wave/Phobie Wave/Dream Pop)

KÆLAN MIKLA

„Undir köldum norðumljósum“
(Cold Wave/Phobie Wave/Dream Pop)

Wertung: Gut+

VÖ: 15.10.2021

Label: Artoffact Records

Webseite: Facebook / Bandcamp

KÆLAN MIKLA haben eine Welt voller isländischer Geschichte und Kultur geschaffen, inspiriert von Folklore, düsterem Wetter, Natur und Märchen, die sie wunderschön in ihrer Muttersprache präsentieren. KÆLAN MIKLA haben drei Full-length-Alben veröffentlicht, die alle ihren ganz eigenen Charme besitzen, da sie eher ihrem Instinkt folgen, als sich einem bestimmten Genre unterzuordnen.Das aktuelle Werk begeistert durch entrückten Klangspektren, welche jegliche Vergleiche ad absurdum führen würden.

Schon der phobisch inszenierte Opener „Svört Augu“ entführt den Hörer in eine fremdartige Welt. Beschwörerische Gesänge wie aus einem Crowley Buch entsprungen. Das Flüstern in Verbindung mit sphärischen Klangspektren ist beängstigend und faszinierend zugleich. Dezent eingefügt eine seichte Melodielinie, welche nur rudimentär die klanglich erzeugte Dunkelheit konterkariert. Ebenso bedrückend, aber hier beseelt von einer lieblichen Eleganz in der Stimme dringt „Sólstöður“ in die Gehörgänge. Gefühl schleichend mit leicht verzerrtem Klang. Dann diese aus der Ferne dringenden Schreie, welche den Liebreiz mit einer sakralen Effektivität durchkreuzen. Wie die Beschreibung eines Einzugs von Wächtern der Pest im Mittelalter. Bedrohlich, durchdringend, aber im Mark immer mit dieser gefühlvollen Cold Wave Note beseelt, welche im Cold Industrial eine Heimat sucht. Dann folgt mit „Örlögin“ ein wunderschöner, wavig ausstaffierter Song, der sich in Harmonie und Melancholie ergibt. Flächige Pop-Struktuen aus den 80ern und ein Timbre, welches ein wenig an Blondie erinnert. Der Basslauf zu Beginn erinnert ein wenig an The Cure aus den 80ern. Das Arbeiten mit Geräuschkulissen ist auch bei „Sírenur“ zu hören, so gibt es in diesem ausladenden (auch von der Spiellänge her) Meeresrauschen zu hören und auch sonst scheint die Atmosphäre von Hintergrundgeräuschen beeinflusst zu werden.

Für die aktuelle Single „Hvítir Sandar“ hat man sich ALCEST als Gäste ins Boot geholt. Ein dramtisch verruchtes Kleinod voller schöner, in Ruhe badenden Melodielinien. Verführerisch und doch mit einer betörenden Rhythmik behaftet. Im Mark zart, ja fast zerbrechlich erhebt sich die Stimme und scheint über dem sphärischen Untergrund förmlich zu schweben. Die Melancholie schleicht und wird mit sezierender Leichtigkeit dargeboten. Eine unterschwellige Geräuschkulisse sorgt für galante Shoegaze-Einsprengsel.

Mit reduzierter Instrumentierung und einer gefühlvollen Eleganz wird das klanglich samtene „Saman“ dargeboten. Dieses isländische autogene Training liefert einen perfekter Ausstieg.

Fazit: Angesichts der erzeugten Stimmungen und der damit verbundenen Melange aus Dark Wave, experimentellen Klängen, Harmoniebögen und einem leicht exotischen Touch erinnert mich das Ganze ein wenig an ROSA CRUX. Wobei die strukturelle Eleganz in Verbindung mit kühler Wave Ästhetik ein ganz eigenes Merkmal darstellt. Hinzu kommt die isländische Sprache, welche von weiblicher Stimme in perfekter Manier mit dem Hang zur Mystik dargeboten wird. Das Gesamtbild ist düster, zu Beginn gar ein wenig Angst triggernd. Der Melancholiker findet reichlich Tortenstücke und dürfte mit ganz bestimmten Songs des Albums auch das lechzen nach Salz befriedigen können. (andreas)