EMPFEHLUNG, REVIEW

DICHRO „Stained glass“ (Psychedelic Dark Wave)

DICHRO

„Stained glass“
(Psychedelic Dark Wave)

Wertung: Sehr gut

VÖ: 09.08.24

Label: Distortion Productions

Webseite: Facebook / Bandcamp

DICHRO ist eine Dark Wave Band aus Pittsburgh, welche sich während der Pandemie als Online-Band gegründet hat und heuer die schräge Energie des Dark Waves verkörpert. Britische Vorbilder mit weiblichem Gesang erscheinen im geistigen Ohr. Aber auch Batcave und der amerikanische Death Rock könnten Einflüsse geliefert haben. Anhand der verwegenen Stimme könnte man auch Vergleiche mit Nina Hagen bis zu Hazel O’Connor ziehen.

„Stained Glass“, an dem vier Jahre gearbeitet wurde, ist alles andere als eine leichte Kost. Ähnlich wie ihre Live-Auftritte wird das Album oft als „eine Fahrt“ beschrieben – eine Fahrt, die den Hörer durch die Annalen der jüngeren und fernen Geschichte bis in eine potenziell dystopische Zukunft führt. Die Band versteht es meisterhaft, schwere Synthie-Riffs mit unerwarteten Instrumenten wie der Resonatorgitarre und sogar dem Banjo zu verbinden und so einen unverwechselbaren Sound zu kreieren, der frisch bleibt und sich nie wiederholt.

Eröffnet wird das Werk mit „In the Cathedral“, welches nach straightem Riff-Intro fortan etwas getragener die leicht dunklen Soundeskapaden in die Ohren der Hörer gleiten lässt. Das wilde und ungezügelte „Strangled“ besticht durch seine Energie ebenso, wie durch seine schräge Art. Dem folgenden „Exhale“ gelingt es, den Hörer zu fesseln. Die Stimme variiert zwischen verführerisch und durchdringend. Im Refrain gelingt Charmaine eine faszinierende Leistung. Man hat den Eindruck, dass allein das Schlucken Töne und Wörter erzeugt. Wiedererkennungswert ist vorprogrammiert. „The Reclamation“ ist hingegen gespickt mit dunklen Soundstrukturen, die sich darkwavig der Erzählung unterordnen. „Diner du jour“ erinnert mit seinem Arrangement, dem französischen Text und seiner getragenen Erzählung an alte Chansons.

„Mercy“ wurde vorab als Single veröffentlicht. Der Countryeinfluss ist eher ungewöhnlich für das Gesamtwerk. Thematisch behandelt der Song philosophische und metaphysische Ideen, wie zum Beispiel die Zeile „Glaube, was du willst, was du siehst, was du weißt, und empfange diese Liebe…“, in der es um die Gesetze der Anziehung und Manifestation geht. Inspiriert wurde das Ganze vom Zusammenleben Charmaine Freemonk’s mit einer Rettungskatze.

Das progrockige Schlussstück besticht durch seine Komponenten aus Krach, Energie und verwegener Songführung, die durch die Jahrzehnte fliegt und neben elektronischer Extravaganzen einen feinen Refrain in petto hat.

Fazit: Ein erfrischendes Album, welches nicht stumpf die üblichen Facetten der dunklen Musik kopiert, sondern geschickt die Balance zwischen Schräge, Energie, Harmonie und durchdringenden, fast punkigen Stücken hält. Die bestimmenden Gitarrensounds werden mit robusten Elementen aus Gothic, Industrial und Trip-Hop gemischt. Der Gesang ist trotz variabler und guter musikalischer Begleitung das tragende Element. Sängerin Charmaine Freemonk könnte auch gut als Frank-N-Furter’s Tochter durchgehen. Verliebt habe ich mich bei „strangled“, der nicht mal drei Minuten dauert. Früher hätte ein DJ wahrscheinlich den Song irgendwo zwischen Siouxsie und Tuxedomoon verpackt. (andreas)