EMPFEHLUNG, REVIEW

DIARY OF DREAMS „Grau im Licht“ (Cold Dark Wave)

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„Grau im Licht“
(Cold Dark Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 16.10.2015

Label: Accession Records / Indigo

Webseite: Homepage / Facebook / Wikipedia

Mit „Grau im Licht“ macht die Band um Adrian Hates das Dutzend voll. Neben der bekannten grundsoliden Arbeit, bei der immer die positive Seite der Pedanterie deutlich erkennbar ist, beherbergt auch dieses Werk genügend Überraschungen. Erneut gelingt es, verführerische Spannungsbögen, dramatische Eleganz, Tanzbarkeit und eine bedrückende Poesie zu verschmelzen. Von der teils kühlen Ästhetik her, sehe ich Parallelen zum Album „Nigredo“.

Geprägt von kühler Elektronik und wavigen Industrial gelingt es dem Opener „Sinferno“ eine bedrückende Atmosphäre heraufzubeschwören, wobei der betörende Gesang Adrians erneut als kongenialer Partner zur kühlen Ästhetik fungiert. „Endless Nights“ scheint sich einer berührenden Schwere hinzugeben, wobei hier die sphärischen Klänge sowohl tanzbar, als auch verführerisch in die Gehörgänge dringen. „Ikarus“ ist das erste in deutsch gesungene Stück. Sehr getragen und mit einer stilistisch prägnanten Traurigkeit dargeboten, berührt der Text, dessen Refrain, die Einsamkeit zur Selbstachtung hochstilisiert.

Mit „krank“ taucht man poetisch tiefer in die Eiseskälte ein. Ein balladesker Trauermarsch der Hoffnungslosigkeit. Die Stimmbänder transportieren Verzweiflung und erneut scheint Adrian zum Anachoret („Leb meinen Traum, ich zieh mich zurück. Du findest meinen Weg. Mein Feuer ist Tod“) zu werden. Die episch-dunklen Klangspektren zehren an Gefühlen und gehorchen einem bohrenden Nihilismus. Das liebliche Glänzen der Synthetik paart sich mit einem Gang durch leere Kellergewölbe. Es fiept, es knarzt und zwischendrin geliert sich die Harmonie ins tiefe Schwarz.

„Die my phobia“ führt uns in den Mid-Tempo-Bereich, wobei im Refrain dezenter Bombast gestreut wird, der sich in den Strophen zur sphärischen Eleganz entwickelt. Erneut gibt es wieder eingeflochtene krachige Komponenten, ohne das gefühlvolle Element zu negieren. Das Timbre wird dunkler und zieht den Hörer in seinen Bann. Geschickt die aufbauenden Spannungsbögen, die auch mal sperrige Instrumental-Passagen besitzen. Der Titelsong balanciert zwischen Dark Wave und synthpoppigen Hooklines. Die Stimme besitzt dieses zerbrechliche Element, dieses klagende Ingrediens, die Trauer schwingt sich weit auf, um schließlich im Pianissimo zu verstummen.

Mit „mitGift“ folgen DIARY OF DREAMS einer alten Wortspiel-Tradition mit dem Wort „Gift“ (bereits auf „Psychoma“ gab es Songs wie „(Ver)Gift(Et)“ oder „end (-giftet)“, dazu die Single „GiFtraum“). Gerade der Beginn macht den Zugang zum Song zunächst schwer. Minimalistische Soundcollagen und Textwiederholungen versetzen den Hörer fast in Trance. Die wortkarge Prosa verschmilzt Anklage und Selbstaufgabe. Der Refrain wird dann etwas straighter mit zurückgezogen Saiten dargeboten, wobei der Gesang von Sprechgesang zur harmonierten Dunkelheit wechselt. Trotz diesem trübsinnigen Farbtupfer, bleibt die Atmosphäre bedrückend und dient als perfekter Einstieg ins Finale.

Das Schlussepos „Schwarz“ ist ein fast zehnminütiger Moloch, dessen bedrohliche Schwere mit pianoesken Tasten eingeleitet wird. Der Text besteht diesmal nur aus den drei Wörtern „Schwarz, weiß, grau“, mehr braucht es nicht, den Rest besorgen die entstehenden Kopfbilder, welche sich schwermütig als in Bewegung gebrachte Tuschezeichnung offenbaren.

Fazit: Wie gewohnt bietet die Band um Adrian Hates dunkle, elektronische Musik (natürlich mit feinnuancierter akustischen Komponente) auf höchstem Niveau. Das Gesamtkonstrukt ist heuer etwas düsterer ausgefallen, was auch an den teils sozialkritischen Texten liegt, welche wie immer sehr geheimnisvoll daherkommen und natürlich dürfen auch die Wortspielereien nicht fehlen. Die eloquente Lyrik begeistert und kommt natürlich durch Adrians gefühlvollen Gesang erst richtig zur Geltung. (andreas)