REVIEW

EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN „Rampen (apm: alien pop music)“ (Dadaismus/ ruhiger Krach)

EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN

„Rampen (apm: alien pop music)“
(Dadaismus/ ruhiger Krach)

Wertung: Sehr gut

VÖ: 05.04.2024

Label: Potomak

Webseite: Homepage / Facebook / Wikipedia

Vor 35 Jahren (für mich der Peak ihrer Schaffenszeit) hätte ich bestimmt nicht über einen dadaistischen Schlagerbarden berichtet, der sich in Reinhard Mey (Joke) Manier im Café der surrealistischen Künste mit Dali einen Tisch teilt. Soweit, so gut. Der Sommelier, der uns selbst zubereiteten Wein in die Kristallgläser gießt, ist mimisch lächelnd mit einem Einkaufswagen verschwunden (kleiner Insider). Was zurück bleibt ist ein sich glänzender Metall, voller typischer Wortfetzen, markanter Sätze und Ruhe… Es ist die Ruhe nach dem Krach. Ich mach hier zu Beginn keinen Hehl daraus, dass ich den Krach liebte, ich liebte dieses unkonventionelle der Neubauten (Zugegeben: Konventionell ist es heute auch nicht). Diese Eleganz eines Pressluftbohrers. All das Geliebte muss ich den Schatten der Vergangenheit schenken und heuer bleibt ein graziler Eindruck deutscher Musik, der sich weit ab vom Mainstream in Nischen versteckt und seine eigene Blase fächerartig in die leeren Felder hinter alte Schulen, deren Deutschunterricht noch alte Klassiker beherbergt, gleichwohl die Verben auf den verlorenen Thron des Verständnisses hievt, vergräbt.

Oder um es kurz zu sagen: Die Vulkane sind noch tätig und ER ist das ganze chinesische Volk!

Wabernd und mit leisen Gitarrentönen beginnt das Album mit „wie lange noch“, wobei der Titel und auch der Text ein bisschen nihilistisch daherkommt, gleichwohl ein wenig Günter Grass beherbergt. Das Innere der Zwiebel kommt zum Vorschein nach dem Ilsebill nachwürzte. Das folgende, als Single ausgekoppelte „ist ist“ ist die doppelte Herbeiführung der Gegenwart. Das tröpfchenweise Hinzugeben von Volumen im Dickicht der verwegenen zentralen Darbietung besitzt eine immanitäre Genialität. Das verführerische, autogene Atmen in Verschmelzung mit einem grazilen, in sich zerbrechlichen Organismus ist oder ist ist. Gelungen, wie der Krach in typischer Einheit Manier das Stück ausklingen lässt.

In Englisch gesungen gedenkt man dem deutschen Abschneiden der Pisa Studie mit einer Erinnerung an einen Schweizer Pädagogen. Dezente Backings und im Vordergrund ein verwegener Rhythmus, dessen Leisigkeit fast gefühlszerstörend agiert. Es ist immer ein wenig problematisch… diese englischen Texte… vor allem, wenn man als Hauptschüler alles versteht. Dass „es könnte sein“, welches zunächst reduziert instrumentiert wird und von Blixa flüsternd begleitet, etwas an Goethes Erben erinnert, dürfte durchaus Zufall sein. Wobei die limitierte Ausuferung der eleganten Wortführung zum genialen Finale die Aussage beherbergt: „Es könnte sein, wenn wir nichts vermissen“ und dann doch nur 42 als Ergebnis stehen lässt. „Before I go“ schleicht sich dahin, lässt dezent Soundscapes erkennen, bleibt aber dezent und verströmt auditive Ruhe.

Das folgende „isso isso“ ist ein wunderschön erzählter Song, leider erinnert mich dieses „isso“ immer an Armin Laschet, was den Song ein wenig deeskaliert. Das folgende „Besser isses“ lamentiert ähnlich und bleibt dem reduzierten Stil treu. Mittendrin gibt es dann ein bekanntes Gedicht voller Paradoxien. „Aus den Zeiten“ ist eher der in der Romantik behaftet. Die teils destruktive musikalische Begleitung lenkt, dennoch bleibt sie im Moloch der Hintergrundmusik behaftet. Neben den typischen Geräuschkulissen scheint man ein wenig dialogische Komponenten versteckt zu haben, bevor man über Fossilien diskutiert und dezente Fragen stellt. Über 8 Minuten konterkariert man in „Planet Umbra“ den lieblichen Beginn. Hernach wird bis zur grazilen Langeweile der Name des Planeten wiederholt. In „aus den Zeiten“ wird dann auch mal auf die Farbe des Covers Bezug genommen. Verwegen und krachig im Mark lässt Blixa seinen Berliner Dialekt bei „Ick wees nich“ in den Text fließen.

Fazit: Der Weg von „Hör mit Schmerzen“ zu „Silence is sexy“ ist noch nicht endgültig vollzogen. Zu sehr nagen die Rückblicke mit krachigen Momenten, Metallgeklopfe und durchdringende, elegische Geräuschkulissen an der Falsifizierbarkeit dieser Aussage. Die Neubauten bleiben das Elixier der Avantgarde. (andreas)

Für alte Semester der Rückblick: