EMPFEHLUNG, REVIEW

WALK THROUGH FIRE „Vår Avgrund“ (Sludge)

WALK THROUGH FIRE

Vår Avgrund“
(Sludge)

Wertung: Empfehlung

: 27.03.2020

Label: Wolves and Vibrancy Records / Bloated Veins

Webseite: Facebook, Bandcamp

 

Kaum eine Band ist so wichtig und bedeutsam für mich wie WALK THROUGH FIRE.
Die Vorbestellung des neuen Albums „Vår Avgrund“ war wohl die schnellste, die ich je abgeschickte habe, denn nur ca. 45 Minuten nach dem Posting, dass es vorbestellbar sei, war meine Kohle unterwegs. Und jetzt dreht sich das white-marbled Vinyl (limitiert auf 100 Stück) in Heavy Rotation auf meinem Plattenteller. Daneben kann man es auch als schwarzes Vinyl erwerben, welches auf 400 Stück limitiert ist.

Neben den (hoffentlich) bekannten Veröffentlichungen „Furthest from Heaven“ und „Hope is misery„, solltet ihr euch darüber hinaus mal dem Experiment „Performing the Music of Arvo Pärt“ widmen. Dort hat sich die Band einiger Kompositionen des klassischen Musikers angenommen und in ihre eigene Sprache übersetzt. Die Pärt-Veröffentlichung ist in höchstem Maße grandios und auch beinahe schmerzhaft. Warum ich das jetzt erzähle?
Weil ich glaube, dass diese Arvo Pärt-Erfahrung auch Auswirkungen auf das neue Album hatte.

Ton und Stille.
Das neue Album beginnt mit dem Intro „Avgrund“. Ein verzerrter Ton wird angeschlagen und geht in eine Stille über, die brutal und schmerzhaft ist. Das Verklingen ist lauter und eindringlicher als der Ton. Auch bei dem letzten Song „Tragedin“ nutzt man dieses Element äußerst eindrucksvoll.

Es ist mir gar nicht möglich, die Songs adäquat zu beschrieben, denn für mich sind WALK THROUGH FIRE definitiv einzigartig und keine andere Band aus der extremsten Sludge-Ecke hat es je geschafft, mich so mitzunehmen. Waren es doch auch immer die Texte, die mich berührten, sind diese diesmal in schwedisch gehalten; aber es gibt ja gute Übersetzungsmaschinen und diese zeigen mir, dass wir noch immer auf einer Wellenlänge sind.

Die Musik … sie ist unglaublich packend, fordernd und WALK THROUGH FIRE liefern mit jedem einzelnen der sieben Songs ein Manifest der Verzweiflung ab. Nicht der Trauer, der Melancholie. Nein, ihre Musik ist die vertonte Verzweiflung, die man im Herzen zu tragen verpflichtet wurde und die allumfassend ist. Und diese Musik kommt aus dem Innersten, denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich jemand hinsetzt und solche musikalischen Offenbarungen schreiben kann, ohne sie zu fühlen. Und genau das ist einer der Gründe, warum WALK THROUGH FIRE mich immer wieder so begeistern: Weil sie authentisch sind. Weil wir mit jedem neuen Album nicht einfach ein neues Produkt hingeworfen bekommen, sondern weil es das ist, was die (mittlerweile fünf) Musiker fühlen und was sie uns zu sagen haben. Authentizität.

Es gibt genug Bands, die extrem sind und diese kraftvollen Gefühle in großangelegten Soundlandschaften erklingen lassen und andere toben sich mit extremen Songs aus, die dann doch zu sehr in den klassischen Schemata eines „Songs“ verklebt sind. WALK THROUGH FIRE ist die Band, die diese Ansätze in Perfektion verbindet. Zwischen all der tongewordenen Lava, den Soundbergen und Klangtälern, sind es immer noch verdammt gute Songs; vielleicht nicht unbedingt im klassischsten aller Sinne, aber wer diese Musik erkennt und versteht, weiß, was ich meine.

Ufuks Vocals sind wie immer grandios und auch wenn man die Sprache nicht spricht, spürt man durch die Verzweiflung und Wut, was er in das Mikrofon schreit.
Da das Album „live“ aufgenommen wurde, kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Musiker verdammt gut eingespielt sind. Die Gitarren von Ufuk und Fredrik klingen mächtig, Andreas‘ Bass dröhnt tiefer als der Marianengraben und Juliusz an den Drums ist eine Präzisionsmaschine. Jeder Schlag auf die Becken oder Toms ist perfekt im Timing und beeindruckt mich stets aufs Neue.
Die Band hat sich jetzt mit dem Organisten Tomas verstärkt, was dem Gesamtbild einfach nur gut tut. Nein, eine Orgel lockert hier nichts auf, vielmehr verleiht sie der Band einen weitaus morbideren Touch als jemals zuvor.
Als ein weiteres Experiment ist durchaus der Einsatz eines Saxofons zu bezeichnen und unterstreicht eigentlich nur, wie frei die Musiker im Kopf sind, denn ich halte ich das Saxofon für ein Instrument, welches man ruhigen Gewissens verbieten sollte. Ausnahmen bestätigen diese Regel und es ist der erneut morbide Klang, der „Vägar mot Slutet“ ein stimmungsvolles Ende bietet, genau wie die letzten Minuten des Albums dem neuen Organisten gehören.

Ich würde euch gerne einen Anspieltipp hinwerfen, aber das Album wirkt als Ganzes, sorry. Für mich und in meiner Welt ist jeder einzelne Song ein Highlight. Macht euch selbst ein Geschenk und dreht das Album auf, entspannt euch und lasst es 75 Minuten lang auf euch wirken.

Erhältlich ist das Album, welches ich ruhigen Gewissens jetzt schon als mein Album des Jahres bezeichne, auf der Bandcamp-Seite und natürlich bei Wolves and Vibrancy und Bloated Veins als Doppel-Vinyl oder Download. (chris)