EMPFEHLUNG, REVIEW

FEEDING FINGERS „The Occupant“ (Cold Wave/Avantgarde Wave)

FEEDING FINGERS

„The Occupant“
(Cold Wave/Avantgarde Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 29.01.2013

Label: Tephramedia

Webseite: Homepage / Facebook / Bandcamp

Es ist ja so, dass mich ein Werk durchaus positiv überraschen kann. Allerdings kommt bei FEEDING FINGERS viel mehr dazu (u.a. fast kindliches Staunen). Es ist wie ein Eintritt in einen neuen Musikkosmos, der fesselt, der überraschende neue Facetten aufbieten kann. Ich frage mich, warum bin ich erst jetzt und auch eher zufällig auf diese Band gestoßen? Wer mehr in die Vita der Band eindringen will, kann es hier.

Kommen wir zur Musik, oder besser, kommen wir zur Kunst, denn hier handelt es sich um ein akustisches Gemälde, in das man eintaucht und sich freiwillig gefangen nehmen lässt. Der Tauchgang beginnt mit „Eine Einladung in ihr Gesicht geschnitzt“. Hier wird dann auch gleich deutlich, dass es sich nicht um ein typisches Cold Wave Album handelt. Denn der Text von Mastermind Justin Curfman wird von einem Jungen (Jonas Binder) aus dem Salzburger Knabenchor gesungen und mit dem knistern einer alten Schallplatte unterlegt.

Eingeflochtene, bittersüße Linien voller galanter Tonfolgen versprühen im elegischen „inside the body of an Animal“ charmanten, coldwavigen Charakter und faszinieren durch ihre Leichtigkeit, welche sich konträr zum Text und Timbre verhält. Schleppende Drums unterstützen verführerische Saiten und verbeugen sich demütig vor dem wohlig warmen Gesang. Es ist diese Ambivalenz zwischen ästhetischer Ausmalung der Depression und dem Verschmelzen mit harmonischen Klängen. Es wird im Gesamterlebnis ein Gefühl suggeriert, dass man beim Betrachten von Spitzwegs „der arme Poet“ haben könnte.

Ein wenig Cure zu Zeiten von „Pornography“ erklingt mit „Where the threads are the Timest“, auch hier schleicht sich eine verspielte Nuance Schrägheit in die Songstruktur und der Gesang variiert mit leicht veränderten Stimmbandakrobatiken. Justin klingt wie ein Ertrinkender, deren Hilferufe längst vom Rauschen des Wassers übertönt werden.

Wer jetzt dachte die Stimme hätte hier ihren Gipfel der Zerbrechlichkeit erreicht, wird spätestens beim verträumt-balladesken „I am no one that i know“ eines besseres belehrt. Eine schwermütige Eleganz durchschleicht die ruhigen Songpassagen auf denen Justin mit Stimmbändern aus fragilen Klangfarben begeistert. Der surreale Soundteppich kommt mit einer leicht kühlen Fragmentierung daher, welche sich samtweich der textlichen Intonation nähert.

Mit „blisters first“ wird der Sound wieder leicht kraftvoller, die Atmosphäre lässt sich auch mal von dezent sägenden Gitarren durchschneiden. Die traurige Melodielinie betört mit samtenen Percussion und feinem Bassspiel die dunklen Harmoniebögen, die von geschickt gesetzten Lichtpunkten durchzogen sind.

Von Beginn an begibt man sich im chansonesken „Paper dolls would eat glass for us“ in eine verworrene Tiefe. Hochmelodisch mit Hang zum Pop erklingt eine betörende Klangstruktur, auf dem sich ein Gesang ausbreitet, der sich mal mit Hall, mal leicht verzerrt, mal kristallklar und sonor gibt. In perfekter Slowmotion Manier mit flirrenden Saiten/Streichern dargebotene Traurigkeit paart sich in „Breathing Partners“ mit dramatischer Elegie.
Episch und orchestral erklingt das, vom dramatischen Piano intonierte „mine is not the only voice in my Head“ . Hier könnte man von einer Art Neo Klassik sprechen. Das Gesamtbild ist perfekt komponiert und mit einer Liebe zum Detail versehen.

Ein wunderschönes Werk voller schwermütiger Melodien, deren samtener Klang gramgebeugt in die Gehörgänge schleicht. Justins Gesang glänzt mit leidvoller Melancholie, die sich in hingebungsvoller (meist destruktiver) Emotionalität widerspiegelt.

Zielgruppe: Der introvertierte Melancholiker, der verträumte Romantiker, Fans von The Cure, The Smiths oder alten 4AD Sound. (andreas)