INTERVIEW, TOP THEMA

AGATHODAIMON :: Ein Neuanfang mit dem 7. Album

AGATHODAIMON sind ein Urgestein der deutschen Dunkel Metal Geschichte. 1995 gegründet, wurde die Band nach sechs Alben 2014 auf Eis gelegt und erst 2020 gab es einen Hinweis auf ein Comeback. Die Musik begleitet einige von uns beim Amboss-Mag seit Anfang an, die zuvor veröffentlichten Alben stehen alle im CD-Regal. Jetzt ist das neue, das 7. Album erschienen, Zeit für ein paar Fragen. (eller)

Review zu “The Seven” (Dark Metal)

Website / Facebook

https://www.metal-archives.com/bands/Agathodaimon/412

 

2014 habt ihr die Band „auf Eis“ gelegt. Wer war im Endeffekt der Treiber für das Comeback und was waren die Hautbeweggründe?

Das haben Ashtrael und ich gemeinsam beschlossen. Nach dem Split hatten sich unsere damaligen Bandkollegen bis auf Schlagzeuger Manuel komplett aus der Szene zurückgezogen. Manuel hat mit THE SPIRIT mittlerweile eine neue Band am Start, die bereits seitdem drei Alben veröffentlicht hat. Da machte es keinen Sinn, ihn zu einer Rückkehr zu beknien. Die Auszeit war damals nur als solche geplant, nicht als komplette Auflösung. Aber es war nicht ganz abzusehen, wann wir wieder loslegen könnten. Ashtrael und ich waren 2018 der Meinung, dass wir uns langsam wieder daran setzen, ein komplettes Line-Up zu finden, da waren unsere beider familiären Verhältnisse wieder soweit gefestigt, dass ausreichend Zeit für die Band bestand. Letztlich hat es zwei Jahre gedauert, bis wir sicher waren, dass das Lineup Bestand hat.

 

Wie hat sich das mit der Labelsuche entwickelt für das neue Album? Im Schwerpunkt ward ihr in eurer Karriere ja fast nur bei Nuclear Blast und zuletzt dann bei Massacre Records. War Napalm Records dann jetzt eure erste Wahl?

Wir hatten 2-3 Label ins Auge gefasst, mit denen wir uns realistisch eine Zusammenarbeit vorstellen konnten. Dazu nahmen wir ein Demo mit drei neuen Songs auf, um uns zu bewerben – letztlich kam Napalm Records im Vorfeld auf uns zu und zeigten Interesse, bevor sie die neuen Songs gehört hatten. Dazu kannte ich noch einige der dortigen Mitarbeiter von meiner Zeit bei Nuclear Blast, insofern hatte ich großes Vertrauen, dass wir gut miteinander arbeiten werden. Letztlich gefielen ihnen auch die Demosongs sehr gut, und so stand den weiteren Schritten nichts im Wege.

Das Konzept des Albums befasst sich mit den 7 Todsünden. Dies nur wegen des 7. Albums oder wäre die Idee auch im Schwerpunkt auf einem 8. Album denkbar?

Es lag natürlich auf der Hand. Aber es wäre auch auf dem 8. Album denkbar gewesen. Allerdings hatte ich auf dem Vorgängeralbum IN DARKNESS einen Song namens „Favourite Sin“, welche bereits das Thema aufgriff und mein, nun ja, favorisierter Song des Albums ist. Ich habe auch einige Zeit gebraucht, mich zu dieser Entscheidung zum Konzept durchzuringen, gerade weil es beim siebten Album so offensichtlich ist, und das Thema natürlich auch nicht wirklich neu. Aber auf der anderen Seite ist es nach wie vor zeitlos… unser soziales System, unsere Auffassung was Charakterstärken und -schwächen, gut und böse betrifft, ist weiterhin von unserer Erziehung geprägt, welche mehr oder minder direkt durch christliche Werte vorgegeben ist. Man nimmt selbst in unserer eigentlich modernen Gesellschaft vieles einfach als gegeben hin, ohne darüber nachzudenken. Im Gegenteil, in vielen Ländern sieht es so aus, als wäre die Entwicklung weg von uralten, christlich geprägten Normen wieder rückläufig, siehe Türkei, Polen etc.

 

Gibt es einen Lieblingssong auf dem neuen Album und warum?

Nun, ich persönlich müsste mich zwischen „Ain’t Death Grand“, „Mother Of All Gods“ und „Kyrie / Gloria“ entscheiden. „Ain’t Death Grand“ war der erste Song, welchen wir in der neuen Besetzung geschrieben hatten, bei dem sich herausstellte, das die Chemie stimmt. Mir fiel damals ein Stein vom Herzen, weil es ja nicht absehbar war, ob ein neues Lineup wieder sinnvoll zusammenarbeiten könnte. Aber es klappte super, das Feeling stimmte. Bei „Mother Of All Gods“ handelt es sich quasi um eine Koop zwischen unserem alten, ehemaligen Sänger Vlad und uns, er steuerte das Songgerüst und den Text bei, und letztlich schafften wir es auch, seine Vocals einzubringen. Für mich persönlich ein sehr spezieller Song, weil wir zwar seit seinem Ausstieg in Kontakt blieben, aber es die erste, wirkliche Zusammenarbeit seit 1999 war. Und „Kyrie / Gloria“ ist ein Song, der mir einfach gut gefällt. Gerade das Zusammenspiel zwischen den schnellen und langsamen Parts, der Groove, der Gastgesang von Julien… passt einfach.

Gibt es vielleicht sogar einen Lieblingstrack, wenn du all eure Alben betrachtest?

Das wechselst bei mir immer. Allerdings höre ich mir unsere Alben nach der Aufnahme nicht mehr allzu oft an – wir haben sie schließlich unzählige Male vorher bereits gespielt. Da ist vielleicht das Gefühl beim Spielen der Songs auf der Bühne wichtiger. Hier wären „Banner Of Blasphemy“ und „Ne Cheama Pamintul“ meine Favoriten, weil sie einfach einen genialen Groove haben und nicht zu kompliziert sind. Ich bin nicht so der ambitionierte Frickler, mir waren Bands wie alte Samael, Venom oder Celtic Frost immer gefühlt am nächsten, bei denen man sich quasi in die Riffs reinlegen konnte, die einfach Wucht besaßen, ohne komplex aufgeladen zu sein.

 

Welches eurer 7 Alben war aus eurer Sicht das bislang wichtigste und warum?

Eigentlich immer das aktuellste. Aber objektiv betrachtet sicher das Debut, weil es das erste, sichtbare Lebenszeichen einer Band ist, und an dem man sich immer messen lassen muss. In gewisser Weise ist es somit auch THE SEVEN, da es so etwas wie ein Neuanfang ist.

 

Seit dem letzten Album sind ein paar Jahre vergangen, das Musikbusiness hat sich verändert. Wie Old School seid ihr noch so unterwegs? Gibt es noch CDs + LPs in euren Haushalten oder ist alles umgestellt auf mp3-Stream per Alexa-Ansage?

Nun, mit dem Siegesmarsch der Fast Food-Ketten vor einigen Jahrzehnten hat man ja nicht plötzlich das Kochen aufgegeben oder die Liebe für gutes Essen. Natürlich haben Spotify und Co ihre Vorteile, aber gleichzeitig verliert Musik dadurch auch etwas an Wert, wenn einem plötzlich alles offen steht. Musik wird irgendwie beliebiger, und die Geduld nimmt ab, ein komplettes Album zu hören. Habe ich aber eine LP vor mir, entscheide ich mich für bewusstes Musikhören. Keine Playlist, kein Skip, kein Fast Forward, kein Shuffle. Man hört die Musik in der Reihenfolge, wie es sich der Künstler vorgestellt hat, und hat im Besten Fall das Artwork und/oder die Texte zur Hand. Man hat überhaupt etwas in der Hand, etwas physisch, man besitzt dieses Stück Musik gewissermaßen, und hat nicht nur ein temporäres Abo auf einen Streamingservice, welcher die Künstler leider nur rudimentär entlohnt. Deshalb sind wir dankbar für jeden Support, seien es Shirt-Käufe oder der Griff zur CD oder zur LP.

 

Wie ich gelesen habe, haben einige von euch Nachwuchs. Wie verhält es sich da bislang mit dem Musikgeschmack? 😉
(Anm.: bei uns im Amboss-Team ist das sehr gemischt mit den Kindern im Grundschulalter – von Mark Forster über Randale (Rockmusik für Kinder) bis Death Metal ist vereinzelt zumindest Positives zu berichten)

Auf Die Ärzte können sich bei mir alle einigen, damit komme ich gut zurecht. Rammstein gefällt unserem Großen mittlerweile auch, ansonsten ist er eher für elektronische Musik momentan zu begeistern, hier versuche ich etwas mit gutem Synthwave in geregelte Bahnung zu lenken. Härterer Metal sagt ihnen nicht zu, aber das ist auch ein Weg, der meiner Meinung nach ohne Beeinflussung kommen muss. Von Null auf Black Metal, ich glaube, dass ist nicht nachhaltig. Erstmal etwas weniger harte Bands, da kann man sich dann steigern. War bei mir auch nicht anders.

 

Wie sehr freut ihr euch auf die Liveauftritte, die auf eurer Webseite angekündigt sind (u.a. Ragnarök Festival)? Ist auch eine Tour angedacht?

Gigs sind für mich der eigentliche Antriebsmotor. Einfach nur neue Musik zu veröffentlichen, das ist mir zu deprimierend. Da fehlt mir das direkte Feedback eines Konzerts. Liegt vielleicht auch daran, dass ich bis zu meinem ersten „richtigen“ Konzert (das war Overkill in Frankfurt, 12.2.1990) nichts von der Magie eines Livekonzerts wusste. Ich hatte bereits lokale Bands gesehen, Live-Videos und so weiter… aber damals Overkill, das war eine Offenbarung. Der Sound, die Show, das Licht… eventuell war es gar nicht so spektakulär wie ich es in Erinnerung habe, aber so muss sich der erste Gottesdienstbesuch im Mittelalter angefühlt haben. Das war überwältigend. So was wollte ich auch, und hat mich dann darin bestärkt, selbst eine Gitarre in die Hand zu nehmen.

 

Mit wem würdet ihr gerne (nochmal?) auf Tour gehen?

Bislang habe ich mich immer auf Tour wohl gefühlt, egal mit wem. Meine Lieblingsbands würden stilistisch wohl nicht so gut zu uns passen, oder sind nicht mehr aktiv. Eine Tour mit den Kollegen von The Spirit könnte vielleicht ganz nett werden. Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann eine Tour mit Samael, bei der sie nur alte Songs bis zum PASSAGE-Album spielen, mit Xy am Schlagzeug statt Drumcomputer.

 

Kurz noch ein Ausblick: Auf wie viele Alben dürfen sich die Fans noch freuen? 🙂

Wir grübeln bereits an neuen Songs. Da ich denke, dass die Familienplanung soweit abgeschlossen ist, sollte zumindest nichts unvorhergesehenes dazwischen kommen. In heutigen Zeiten (Pandemie, Krieg…) weiß man natürlich nie, aber ich bin zuversichtlich, dass es noch einige Alben geben wird.

 

Zum Schluss noch einer meiner persönlicher Alltime-Favorite Tracks von AGATHODAIMON, „Tristetea Vehementa“, den sie 2020 im Lockdown als Band-Playthrough neu eingespielt haben.