REVIEW

DIE KAMMER „Season IV – Some T#ings Wrong“ (Kammermusik)

DIE KAMMER

„Season IV – Some T#ings Wrong“
(Kammermusik)

Wertung: Gut+

VÖ: 12.10.2018

Label: Delicious Releases

Webseite: Homepage / Facebook / Wikipedia

Das vierte Werk der Band um die beiden Protagonisten Marcus Testory (Ex-Chamber) und Matthias Ambre (Ex-ASP) überzeugt erneut mit kammerorchestraler Eleganz, welche diesmal im Gesamtbild etwas rauer, teilweise dreckiger daherkommt. Hat sich sonst was geändert? Lisa Simpson wurde an Bord geholt, naja jedenfalls ihre Synchronsprecherin, diese leitet mit Spoken Words unterstützt von zirkuesken Klängen das Werk ein und hat auch im Outro noch einen kleinen Auftritt. „Hier sind sie richtig“ ist ihre zentrale Aussage.

Die Mischung aus ruhigen Klangspektren, verwirrenden Tuba-Impressionen („Mercy Me“;“In Dubio“ /erinnert teilweise an Haindling), durchdringenden Streicherarrangements, verstörender Jam-Atmosphäre und schwelgerischen, hochmelodischen Stücken ist gelungen. Letztere Klangspezialität kommt besonders im latent dramatischen, dennoch verschunkelten „Bedroom Wars“ zum tragen. „Sick And Tired“ ist etwas rockiger ausgerichtet. Dazwischen immer wieder der Wechsel zwischen melancholischer Melodramatik und wilden Riffing an der Akustikgitarre.

Mit dem romantisch verklärten „second man on the Moon“ wird in Kammer-mäßiger Introvertiertheit der Kampf um Platz 1 metaphorisch thematisiert. Sehr ruhig mit weicher Gitarre und feiner, klarer Stimme wird diese Botschaft überbracht. Ganz nebenbei darf hier mal Buzz Aldrin erwähnt werden. Herrlich wie im folgenden „sick and tired“ die Gedanken musikalisch weggefegt werden. Nicht aus einem Guss (dafür nehmen wir die Hookline) arbeitet man ein bißchen Country-inspiriert, ohne den Rollercoaster zu stoppen. Wir sind auf dem Jahrmarkt, das Treiben ist überwältigend, hinterm Zelt weint der Clown, der gerade noch den Kindern ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hatte. Die punkige Seite der Kammer äußert sich im exzessiven Titelsong. Wild und roh mit der Portion Melodie und dazu, die über dem Album liegende Schwere, das macht Spaß. Hernach das erzählende mit dunkler Stimme dargebotene „gunshot residue“, wobei die Tuba wieder sehr intensiv in die Szenerie dringt.

Fazit: Ein gelungenes Album, welches die Kammer-typischen Extravaganzen in den Olymp hebt. Die Melange aus verführerischen Melodien und schrägen Soundstrukturen ist ebenso gelungen, wie der wechselnde Gesang, der zwischen melancholischen Tieftöner, Erzähler und rauen Country pendelt. Die Geschichten von Gleichgültigkeit, Verrat, Tragödie, Tod, Zerstörung und Gier haben nie etwas Bedrohendes, eher ist man geneigt zu sagen, es sind liebevolle Anekdoten, welche ohne Zeigefinger zum Nachdenken anregen. Ein erneut wunderschönes Artwork rundet die Sache ab. Kauft hier bitte die physischen Erzeugnisse (LP auf 300 limitiert), euch und diesem kleinen Label wird es gut tun. (andreas)