REVIEW

MYSTIGMA „Gloomtown Radio“ (Dark Rock)

MYSTIGMA

„Gloomtown Radio“
(Dark Rock)

Wertung: Gut+

VÖ: 31.10.2025

Label: Danse Macabre

Webseite: Homepage / Facebook / Instagram

Das siebte Album der Osnabrücker Dark Rocker MYSTIGMA um das Brüderpaar Torsten Bäumer (Gesang/Texte) und Jörg Bäumer (Gitarre, Keybords & Programming) entführt den Hörer in eine dystopische Welt, deren Landschaft aus zersetzter Moral, taumelnder Tänze fremder Ichs, durchwoben von leisem Widerstand und der letzten Hoffnung aus dem Rauschen eines Radiosenders besteht. Fast auf den Tag genau 4 Jahre nach dem großartigen Werk „Gebete“ kredenzt uns die Band erneut ein tief durchdachtes, phantastisches Album voller eindringlicher, düsterer Klangwelten und tiefsinnig-verstörender Texte.

Von Beginn an gelingt es, den Hörer an sich zu binden, ihn im Dickicht der Klänge einen betörenden Spannungsbogen an die Hand zu geben. „Fremdes Ich“ variiert zwischen erzählerischen Strophen und durchdringenden Refrain. Geschickt lässt man die Gitarren staubtrocken im Rhythmus mit den Drums schlagen. Für die sphärische Note im harten Intermezzo sorgen Keys und sanftmütige, latent Trauer tragende Backings. „Willkommen in diesem Labyrinth, in dem ich allein der Meister bin“.

Es folgt die aktuelle Singleauskopplung „In Memoriam“. Ein in Trauer badendes, leicht doomiges Kleinod. Das Requiem wird im Refrain durch verführerische, weibliche und leicht Choral-ähnliche Eleganz verfeinert. Wahrscheinlich das düsterste Stück des Werkes, welches mich ein wenig (auch wegen der Schwermut) an „Wenn Gewalt die Stille bricht“ vom letzten Album erinnert.

Einer meiner Lieblingssongs des neuen Werkes ist „erfroren“. Erst scheint man etwas monoton der verwegenen Melodie zu folgen, bevor Stockschwingereien (erneut perfekte Arbeit von Malte Hagedorn) eine wundervolle Hookline einleiten, die irgendwo zwischen OOMPH!, SECRET DISCOVERY oder EISBRECHER ein zu Hause findet. Ein dramatisches Zwischenspiel entführt klagend in die straighte Harmonie und lässt den Song mit durchdringender Energie ausklingen. Fast ein wenig plötzlich schmerzt die Stille.

Trotz leicht destruktiver Energie geht „Gegengift“ etwas ruhiger zu Werke, während der Titelsong von schleppender Eleganz bestimmt wird. Eher dezent, dennoch verziert mit leichter elektronischer Verspieltheit schleicht der Song voran. Nicht nur hier merkt man deutlich, dass sich der Gesang in Sinne von Klang und Ausdruck in den letzten Jahren immer weiter entwickelt hat. Es gelingt auch mal, die Rauheit der Stimmbänder zu einem aggressiven Manöver zu bewegen. Auch die verzerrten mit verschachtelter Musik unterlegten Stimmbandakrobatiken sind gelungen und geschickt in den Songs untergebracht.

Ein elektronischer Teppich und leichtgängige Melodie bestimmt das von der Härte her etwas gedrückte „Sündikat“. Die Hook besitzt dann wieder diese staubigen Saiten und auch die nötige Wucht. Erneut lässt man verschmitzte Zwischenspiele durch den Verzerrer laufen, während im Gesamtbild der Text (samt Wortspiel) in den Mittelpunkt stellt. Bevor hart die Saiten in die Szenerie dringen, besitzt „Triumph in Schwarz“ einen kleinen orientalischen Fixpunkt. Der Song variert zwischen Härte und Melancholie und besitzt eine mystische Note. Auch „Midsommar“ besitzt diesen innewohnenden Charakter, der sich zwischen Schwermut und Energie ein kleines Baumhaus eingerichtet hat. Wild und ungezügelt folgt „Daimonion“. Kompromisslose Energie als wütende Unterlage, während der Gesang zwischen Verzweiflung und Wut einen Mittelweg zu finden scheint. Und am Schluss trägt man alles harmonisch „Zu Grabe“. Ein wunderschönes Lied, beginnend mit Samples und folgend mit Harmonie. Langsam entwickelt und verführerisch düster, scheint hier doch eher eine Metapher zu Grabe getragen werden. Natürlich kann ich mich irren, aber sollte etwas Reales dahinterstehen, werden meine Tränen den schwarzglänzenden Moloch dieses ewiglich begleiten.

Fazit: MYSTIGMA liefern einen würdigen Nachfolger von „Gebete“. Allerdings fällt er etwas straighter aus. Die Gitarren rücken mehr in den Vordergrund. Die verführerische Melancholie des Vorgängers agiert diesmal etwas versteckter. Auch die klagende, Trauer tragende Atmosphäre ist eher in den tiefsinnig-verschrobenen Texten zuhause. Wobei ich auch sagen muss, nach ungefähr der Hälfte hat es diese Facette des Trauerflors, der über und unter den Songs gelegt einen Trübsinn integriert, der leichtgängig der schwarzen Galle nähert. MYSTIGMA gelingt es, nicht immer einfach zu konsumierende Facetten in einen Anzug zu kleiden, den man sich gerne anzieht, mit dem man sogar manchmal angeben könnte. Es ist ein Anzug den man zur Geburt ebenso tragen kann, wie zu einer Beerdigung. Ich hab es oft gesagt, es stimmt aber auch so oft. Dieses Album braucht Zeit, der Hörer braucht Zeit. Alles das, was wir heute nicht haben, wirklich? (andreas)