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FILM „Suspiria“ (HD-Kinopremiere)

Originaltitel: Suspiria

Produktion: Italien / Deutschland, 1977

HD-Kinopremiere: 31.10.2014

Wertung: Empfehlung

Regie: Dario Argento

FSK: 18

Darsteller: u.a. Jessica Harper, Stefania Casini, Flavio Bucci, Miguel Bosé, Rudolf Schündler, Udo Kier, Alida Valli…

Genre: Giallo / Thriller / Horror

Studio: ′84 Entertainment

Es ist der 31.10.2014… verstaubter Reformationstag für die Einen, konsumförderndes Gleichschaltungsspektakel für die Anderen. Beides ist mir egal, denn als wir in unseren DeLorean DMC-12 steigen und uns die richtige Stelle zum Zeitsprung suchen, ist solcher Firlefanz nicht. Der Fluxkompensator brummt, das Armaturenbrett gibt grünes Licht und wuuusch… katapultieren wir uns in eine Zeit, in der Dario Argentos Klassiker als Premiere im Kino laufen. Die Aufregung fühlt sich an, als wären wir direkt am 15.05.1977 gelandet… wir können es kaum erwarten, eines seiner größten Werke im Kino zu erleben. Ein Meisterwerk der vergangenen Zeit auf der großen Leinwand. Grandios.

Am Deli-Kino in Einbeck angekommen zeichnet sich erst ein mal ein relativ trostloses Bild, aber mit jeder Minute kommen Leute hinzu. Manche sind enttäuscht, dass „der neue Ben Affleck nicht läuft“ und lassen sich auch mit guten Worten nicht in einen Film locken, der die Sehgewohnheiten für immer verändern wird. Wahrscheinlich ist das ganz gut für die uninformierten Gäste, denn dann würden sie erkennen, dass Ben Affleck ein absolutes Nullgesicht ist. Regie führen mag er ja können, aber als Schauspieler… egal, ich schweife ab. So langsam treffen die Film-Connoisseure aber ein und das kleine, aber feine Kino füllt sich ganz beachtlich, wenn man bedenkt, dass es an Halloween von Partys, Filmvorführungen und Themenabenden in der Kneipe mehr als genug gibt.

Als musikalische Untermalung vor dem Film läuft natürlich stilecht die Band GOBLIN, die meines Erachtens einen großen Anteil an dem Erfolg dieses und einigen anderen Dario Argento-Filmen hat und man groovt sich munter ein. René von ′84 Entertainment ist ebenfalls vor Ort, um voller Stolz sein Baby zu präsentieren, an dem man 2 Jahre gearbeitet hat. Die kurze und sympathische Ansprache vor dem Film lässt mich hoffen, dass Einbeck früher oder später nicht mehr „nur“ eine schöne Altstadt und das beste Bier der Welt haben wird, sondern dass solche Events häufiger stattfinden werden und zu einem Mekka der ′84er und Tromamutanten wird.

Bevor „Suspiria“ beginnt, wird ein Vergleichsvideo eingespielt, bei dem man die verschiedenen Veröffentlichungen des Filmes miteinander vergleicht und anschließend erklären Texttafeln, den Vorgang der Restauration, wobei ich als Laie leider nicht wirklich die Dimensionen begreife, die notwendig waren, um diesem Film in der, laut Dario Argento höchstpersönlich, besten Fassung seit der Uraufführung zu zeigen.

Muss ich etwas zum Film „Suspiria“ sagen?! Eigentlich hoffe ich das nicht, denn das Frühwerk von Dario Argento sollte zum allgemeinen Kulturgut zählen, aber hier ein Einblick in die Handlung:

Ein junges Mädchen kommt aus Amerika nach München, um sich in einer Ballettschule als Tänzerin ausbilden zu lassen. Doch vieles in dieser Internats-Schule ist mehr als merkwürdig: die beiden megärenhaften Leiterinnen, ein offenbar geistesgestörter Diener, der blinde Pianist – und immer wieder diese seltsamen Geräusche, Stöhnen und Ächzen, das aus den Wänden zu kommen scheint. Eines Morgens liegen zwei Mädchen ermordet in ihrem Blut…

Ich verzichte hier an dieser Stelle auch auf eine Betrachtung des neuen Bildes, weil ich denke, dass es einen großen Unterschied macht, ob ich die neue Version auf der großen Leinwand oder einem HD-Fernseher schaue. Eine Rezension der Neuauflage kann nur ordentlich erfolgen, wenn man sie unter den richtigen Bedingungen betrachtet. Die Neuauflage erscheint dieser Tage als 4-Disc-Set (!), natürlich bei ′84 Entertainment. Die ursprüngliche Idee, die Limitierung der Auflage durch die Vorbestellungen zu bestimmen, würde nun dazu führen, dass ich sagen müsste: Pech gehabt, wartet auf eine neue Neuauflage, aber da sicher die Händler ordentlich mitbestellt haben, solltet ihr einfach mal bei den DVD-Dealern eures ungeschnittenen Vertrauens nachschauen und euch eines der Exemplare sichern!

Aber nun zum Film… meine Herren. Dass ich in die frühe Arbeit von Dario Argento verliebt bin, dürfte ein schlechtgehütetes Geheimnis sein, und auch dass „Suspiria“ für mich der zweitbeste Film Argentos ist. Ich muss gestehen, dass „Profondo Rosso“ für mich immer die Nummer Eins bleiben wird, komme, was wolle. Allerdings sprechen wir hier von 100 Punkten für „Profondo Rosso“ im Vergleich zu 98,5 Punkten für „Suspiria“.

Wenn Argento in so bestechender Form ist, wie bei „Suspiria“, erwartet den Fan und Neueinsteiger ein Stendahl-Syndrom sondergleichen. Der Film saugt dich auf, bis dir schwindelig wird und du für Momente die Orientierung verlierst. Das von Mario Bava erlernte Spiel mit den Farben wird im ersten Teil der Mütter-Trilogie bis zum Exzess zelebriert und auch nach dem x-ten Betrachten des Filmes bin ich begeistert wie ein kleines Kind und frage mich, wie er es schafft, so viele farbige Flächen in einer Szene unterzubringen und dabei so filigran vorzugehen. Die Farben erschaffen die Stimmung und sind mitunter der Hauptdarsteller in einem Film, der immer spannend bleibt und bis zu seinem grandiosen Finale mitreißt. Manchmal sind es allerdings auch die ganz kleinen Farbtupfer, die mich mit der Zunge schnalzen lassen, wie z.B. bei der Taxifahrt zur Tanzakademie, bei der der Regen in verschiedenen Farben leuchtet und nur ganz kurz im Bild ist.

Neben der hübschen Jessica Harper begeistert mich immer wieder Alida Valli als Mrs. Tanner, die rein äußerlich durchaus mit dem Beißer der James Bond-Filme verwandt sein könnte, aufgrund ihrer unterschwelligen boshaften Art. Das war sicher eine tolle Rolle für Frau Valli, die garantiert Spaß gemacht haben dürfte. Die Szene, in der sie dem blinden Pianisten erklärt, dass sein Hund den kleinen Jungen gebissen hat und so ihn anschließend mit einem diabolischen Haifischgrinsen hinausbegleitet, geht auch heute noch unter die Haut und man darf die Szene gleich neben Jack Nicholsons Auftritt bei „Shining“ (ihr wisst schon: „Hieeer ist Johnny“) in die Ruhmeshalle der diabolischen Szenen aufnehmen.

Über die Musik habe ich bereits ein wenig geschrieben, aber allein, wie die verstörenden Sounds sich bis zur Ekstase steigern und den ersten Mord untermalen, ist einfach nur die perfekte Verschmelzung von Ton und Bild und wird niemanden kalt lassen. Daneben möchte ich euch allen die Soundtracks der Band GOBLIN ans Herz legen, vor allem „Suspiria“ und „Profondo Rosso“ sind Meilensteine der progressiven Rockmusik.

Die Musik GOBLINs fügt den Filmen von Argento eine verstörende Dimension hinzu und ich glaube, hätte man die Musik und die Sounds nach gängigen Horrorklischees dem Film beigefügt (tiefes Bassgrollen und all das), wäre aus der verstörenden Wirkung vielleicht sogar eine gruseligere Stimmung entstanden und hätte den Film noch mehr in Richtung Horrorfilm getrieben, aber genau da liegt die Stärke in den guten Argentos. Sie lehren dich das Gruseln, sie verstören dich… daher bleibt GOBLIN immer die erste Wahl. Perfetto.

Nachdem die Vorführung ihr Ende gefunden hat, gibt es natürlich verdienten Applaus für den Film, aber auch für René von ′84 Entertainment. Es war eine Zeitreise, auf die ich mich persönlich sehr gefreut habe und die ich sehr genießen konnte. Argentos „Suspiria“ auf der großen Leinwand… das wird nur noch schwer zu toppen sein! Die Tatsache, dass sich das im muscheligen Einbeck abgespielt hat und nicht in Berlin, München oder Hamburg, hat dem ganzen auch einen Hauch von eine Treffen eines Kultes verliehen, der dem Ruf des Meisters gefolgt ist. Oder war es der Wille der Mutter der Seufzer? (chris)