EMPFEHLUNG, REVIEW

THE BEAUTY OF GEMINA „Minor Sun“ (Wave Rock)

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„Minor Sun“
(Wave Rock)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 02.09.2016

Label: Ambulance Recordings/ALIVE

Webseite: Homepage / Facebook / Wikipedia

Es war einmal, da wurden vor dem Hörgenuss eines Tonträgers verschiedene andere Sinne berührt, quasi als Vorspiel. TBOG lassen diesen Märchenopus entdecken. Ein wunderschönes, latent nebulöses Digi Pack mit reichlich Inhalt. Das Auspacken ein erotischer Akt an sich. Knibbeln, sehen, fühlen und dann rein in den Player und der Hörer knebelt sich selbst, blinzelt in beigen Farben, lehnt sich zurück, hört, denkt und genießt zunächst. Das Tiefergehen kann warten.

Der Farbenlehre entkommen, der Visualität überdrüssig, ermachtet sich das Ohr, samt Gehörknöchelchen, dem Gehirn zur Nahrungsaufnahme zu verhelfen, und gibt ihm gleich den „END“ Befehl. Ein melancholischer Erguss zwischen Gitarren Wave, Shoegaze und dezenter Elektronik wird vom betörend dunklen Timbre Michaels zum verführerischen Klangerlebnis, welches sich in Phasen ein wenig an Cure’s 87er Album anlehnt. Beim folgenden „Waiting in the Forest“ gelingt es der Soundstruktur eine Atmosphäre der Einsamkeit heraufzubeschwören. Im Mark dunkel und mit latenten Anleihen beim Cold Wave. Die Vocals werden gefühlvoll mit einer tragischen Komponente dargeboten. Die instrumentalen Parts erinnern dezent an Pink Floyd. „Bitter sweet good-bye“ ist vom Soundgebilde etwas lieblicher inszeniert, wobei die stimmliche Klangfarbe und der Text den Eindruck schnell negiert. Cure’s „Pornography“ lukt ein wenig hervor. Wenn der berühmte Name hier zum zweiten Mal fällt, die Band um Herrn Sele hat schon ein sehr eigenständiges Album mit „Minor Sun“ in die Manage geworfen. „Close to the Fire“ beginnt mit rockigen Riffs, welche einen schwungvollen Song einläuten. Gestreute Tempiwechsel und ein eingängiger Refrain sind weitere Beigaben. In den Strophen wird der Bombast ein wenig runtergeschraubt, um der Erzählung und der Stimme den nötigen Platz zu geben. Mit „Crossroads“ covert man einen Song des amerikanischen Singer/Songwriters Calvin Russell (Original von Saylor White). Dazu gibt es ein schönes Video, als erste Single/Video-Auskopplung wären andere Songs besser gewesen, aber das ist ein rein subjektiver Eindruck. Das Stück ist gut gemacht, die Atmosphäre des Originals wird beibehalten und doch gelingt es genug TBOG zu integrieren, wobei auch ein dezenter Wink in Richtung Springsteen zu gehen scheint.

Das folgende „Down on the Lane“ nimmt die Atmosphäre auf und lässt die Stimme von einer filigran gespielten Akustik Gitarre begleiten. Atmosphärisch dicht geladener Soundtrackklang vervollständigt das Stück. Ein Moment der Ruhe mit leicht verwegener Saitenarbeit. Die Lust zur Schrägheit eröffnet „A Thousand Lakes“, hier verschmelzt elektronische Lust mit der gefühlvollen Zartheit der Musik. Wunderschön getragen mit dezenten Effekten kommt „Wonders“ daher.

Das Schlussepos „Silent Land“ ist beseelt von einer durchdringenden Tristesse. Die Vocals leiden, die Gitarre erschreckt, die Weichheit zur Zerbrechlichkeit. Elegisch schweifend fehlt das Opus der Hoffnung. Die Band lässt uns mit diesem Song alleine, Alleine in einer Leere. Das Ende entfesselt nicht die Depression, es verwandelt die Stimmung in ästhetische Melancholie. Wie eine romantische Beschreibung der Traurigkeit von Büchner und die Vertonung von Goethes Werther hätte hier eine magische Komponente gefunden.

Fazit: Man könnte von einem Ein-Mann-Projekt sprechen, schließlich schreibt Michael die Songs und Texte, spielt Gitarre und singt, aber all das würde ohne seine Mitstreiter nicht funktionieren. Als erstes zu nennen Schlagzeuger Mac Vinzens, der seit „Nuuk“ Zeiten dabei ist. Oder Bassist Andi Zuber, der seit 2014 dabei ist. Dann ist da noch der Cellist Raphael J. Zweifel, der sich fast unbemerkt in die Szenerie schleicht und doch so wichtig ist, für die Feinheiten der Songs, und des Öfteren die Dunkelheit mit seinem ganz persönlichen Stil den Klang seines Instruments ins Wehmütige transportiert. Insgesamt ein sehr dunkles Album, in dem sich der Melancholiker baden kann. Auf der anderen Seite ist das Werk derart gefühlvoll, dass man gar nicht merkt, wie depressiv die Ausrichtung ist. Die Verschmelzung von ästhetischer Schönheit mit einer kühl-erotischen Elegie und die Leichtigkeit der Inszenierung ist bemerkenswert. Tolle Songs, tolles Album und dabei funktioniert dieses „aus einem Guss“ wie ein Schweizer Uhrwerk. (andreas)