EMPFEHLUNG, REVIEW

LEDING „The Invisible Man“ (Goth Rock/ Dark Wave)

LEDING

„The Invisible Man“
(Goth Rock/ Dark Wave)

Wertung: Empfehlung!

VÖ: 01.10.2019

Label: Eigenproduktion

Webseite: Facebook / Bandcamp

Christ Ian Leding ist ein umtriebiger Mensch, der gerade in OWL eine Szene in Fluss hält, sei es mit besonderen Events, wie dem Geisterfest oder „Wohnzimmerkonzerten“ in Detmold, den jährlichen Goth Rock/Wave Festivals oder Solo als Singer/Songwriter. Warum erwähne ich das? Einerseits ziehe ich jederzeit den Hut, andererseits könnte der Titel einen Wunsch äußern… nun..
Nachdem erst im Februar dieses Jahres sein Solo Album erschien, gibt es mit „The invisible Man“ nach vier Jahren wieder ein Werk mit (fast) Full Band Line Up. Neben Christ Ian ist, wie schon bei Salvation AMP, wieder Steve Leafs an den Drums dabei.

https://www.facebook.com/ledingband/videos/425784398074149/

Der Beginn gestaltet sich sehr (Atmos)phärisch, denn mit „Log in“ gibt es ein soundtrack-artiges Intro, welches latent bedrohlich inszeniert und wie eine Melange aus Morricone und Fields klingt. Das Schlagzeug dringt mit durchdringendem Gewittergrollen in die Szenerie. Das folgende „Epilogue“ ist ein bedrückender Dark Wave Track, welcher sich sowohl textlich als auch musikalisch einer Hoffnungslosigkeit ergibt. „Echos of Summer“ hat in jeder Faser des Songs das Zeug, welches einen Klassiker ausmacht. Egal ob Refrain, Strophe oder Eingängigkeit. Immer fokussiert und immer passend lenkt man den Hörer dahin, wo er sich wohlfühlt, egal ob er lieber den Cold Wave, den Goth Rock, den Dark Wave oder dieses leicht bluesige Saitenspiel mag. Ein Song, der sich der Melodie nicht schämt, aber dreckig genug daherkommt, um diesen Rohschliff des Diamanten schwarzglänzend zu interpretieren. Flirrende Saiten, verführerische Bassläufe und ein nasal geprägter, tiefer Gesang sorgen für dieses prägende, immer existente Manifest des dunklen Rocks. Die Melancholie schleicht sanftmütig ins Gesamtgefüge und übernimmt neben manchen Riffs das Zepter. Was Melancholie und die damit verbindende Hingabe bedeuten kann, davon kann sich dann jeder im eleganten Schlussepos „Pale sun“ überzeugen. Überhaupt glänzt das Gesamtkonstrukt mit dieser Stringenz, die Harmonie zu halten und die Dunkelheit auf den Altar der 80er zu legen

„Soul whispering“ ist aus dem gleichen Holz geschnitzt, wobei erneut dieses Feeling glänzt, welches den Song eingängig gestaltet und trotzdem dieses dysthymische Element beherbergt. „Insomnia“ hat zu Beginn etwas von The Mission zu Zeiten des ersten Albums. Dieses weit weg, dieses Träumerische, dennoch druckvolle Erzeugnis voller vehementer Exzesse in Verschmelzung mit verführerischer Melodielinie. Das spielen mit Laut/Leise, das dezente einbringen von Breaks, welche sich im Kosmos der Musik vereinigen, wie entfernte Planeten, welche sich schon lange ihrer gegenseitigen Anziehungskraft bewusst waren. Evtl. ist es gar nichts Besonderes, aber wie dieses gesungene Insomnia in den Refrain integriert wird, als ob zwischen m und n noch ein Vokal steckt, würde ich mal als Kunst bewerten.

„Graveyard Scene“ ist nur auf dem ersten Ohr einfach gestrickt. Sicherlich, er ist erneut ein Earcatcher, dennoch begeistert, wie dieser Song aufgebaut ist. Da sind die Saiten, welche sich bestimmend in den Vordergrund drängen, da ist diese klangliche Vielfalt, welche dich holt, allein lässt und dennoch in betörender Manier umgarnt. Das ist Klasse. Egal, ob in seiner Gesamtheit betrachtet, oder in seine Einzelteile zerlegt, es bleibt ein hervorragendes Werk mit hervorragenden Songs. Gerade dieses verspielte Element, welches Ledings Kinderzimmer mit schwarzen Lego-Klötzen füllt und ihn phantasieren lässt. Da wird nicht dahingezimmert, da wird durchdacht der Ton gesetzt. Der Titelsong hat dieses „Zeit lassen“ verinnerlicht. Über 7 Minuten lässt Leding das Dunkle mit einer getragenen Schwere thronen, welche das Wechselbad zwischen bedrückter Eleganz, ästhetischer Kälte und puristischen Goth Rock manifestiert.

Fazit: Ein grandioses, durchdringendes Werk. Alle Facetten hier zu entkleiden ist nicht möglich. Die Modenschau der dunklen Töne, bei gleichzeitiger Entkleidung einer Gefühlswelt besticht vor allem durch eine Atmosphäre, die selbst im heimischen Wohnzimmer die Nebelmaschine greifbar macht. Ein in tiefer Dunkelheit vergrabenes Produkt, dessen betörende Klänge das schwarze Herz in Entzückung versetzen. Leding gelingt es, ein Hand- und Mundwerklich ausgezeichnetes Album zu kredenzen. Hier stimmt einfach alles. „The invisible Man“ gehört zu dieser Art von Musik, die erst dann ihre gesamte Kraft entfaltet, wenn der Hörer intensiv eindringt, sich fallen lässt. Ein oberflächliches Hören würde einem „sich selbst berauben“ gleichkommen. (andreas)