REVIEW

DEEP PURPLE „Infinite“ (Hard Rock)

DEEP PURPLE

„Infinite“
(Hard Rock)

Wertung: gut

: 07.04.2017

Label: earMUSIC

Webseite: Homepage, Facebook

Es ist nett zu sehen, dass man auch bei einem kleinen, aber extrem feinen Online-Magazin wie unserem, in den Genuss der neuen DEEP PURPLE-Scheibe kommt; das dürfte heutzutage keine Selbstverständlichkeit sein.

Aber man rennt bei mir auch offene Türen ein, denn DEEP PURPLE gehört schon seit Jahren zu meinen absoluten Lieblingsbands, wenngleich ich jetzt wieder in den Monolog verfallen könnte, dass Bands, die schon so lange unterwegs sind, nie mehr so gut wurden, wie in den frühen Jahren, die ihren Ruhm begründet haben. Aber so ist es nun mal und was bleibt, ist die Frage, wie die Band altert: mit Würde oder mit Blick auf den Altenteil?

Die Frage beantwortet sich bei dem ersten Hördurchgang des mittlerweile 20. Studioalbums wie von Selbst: mit einer Würde, die ihresgleichen sucht. Ich möchte gleich zu Anfang die einzigen Kritikpunkte loswerden: die Tempovariation der Songs hält sich stark in Grenzen und altersentsprechend groovt man sich überwiegend im Midtempo durch die Songs, von denen anfangs keiner heraussticht, wie ein „Highway Star“ oder „Perfect Strangers“. Aber, und damit hat meine „Kritik“ schon zu einem Ende gefunden, denn das Niveau der Songs ist wahrlich hoch.

Don Airey (k) und Steve Morse (g) spielen um ihr Leben und ich denke, dass sie einen innerbetrieblichen Wettkamp hatten, wer die meisten Noten auf dem Album unterbringt. Bei jedem der 10 Songs brillieren die beiden zu jeder Sekunde und genau diese Art zu spielen und einfach verspielt zu sein, macht dieses Album so lebendig, dass man sich der guten Laune, auch wenn Meister Ian Gillan mitunter ernste Töne anschlägt, nicht entziehen kann. Und wo wir schon bei verspielt sind: Drummer wie Ian Paice werden heute nicht mehr gebaut. Dieser Bengel hat einen Drive, der dich umhaut. Ich bin wirklich selten von Schlagzeugern begeistert und es gibt eine Handvoll junger Schlagzeuger, die mehr tun, als den Takt vorzugeben, aber alle müssen Mr. Paice huldigen, bis das Fell reißt. Ohne seinen Sidekick Roger Glover (b) wär er aber auch nur die Hälfte wert, das wissen alle Rhythmussektionenfanatiker.

Wenn man jetzt mal bedenkt, dass die Herren sich alterstechnisch zwischen 63 und 72 Jahren bewegen, ist das schon mächtig beeindruckend, aber hoffentlich meint es das Leben weiterhin gut mit ihnen und sie rocken noch jenseits der 80 so gute Alben ein.

Richtig gut ist „Time for Bedlam“, welcher ja schon vorab ausgekoppelt wurde. Die elektronisch verzerrte Stimme zu Anfang hätte ich nicht wirklich gebraucht, aber der Song ist ein starker Opener, mit einem großartigen Groove und tollen Melodien. Jeder zeigt sich bei dem Song von seiner besten Seite und nach mehreren Durchgängen glaube ich, dass der Song es zu einem Publikumsliebling bringen könnte, wie seinerzeit „Perfect Strangers“. „Hip Boots“ ist ein typisch grooviger Blues und bei „All I got is you“ bekomme ich dank des Drummings und der unglaublichen Gitarre zu Anfang jedes mal eine Gänsehaut.“Get me outta here“ klingt eine Spur düsterer und „The Surprising“ zeigt Mr. Gillan von seiner besten Seite, während auch dieser Song melancholisch-düstere Stimmung verbreitet und beinahe in die progressiven Gefilde abdriftet. Die Überraschung des Albums (für mich) war im Vorfeld die Coverversion vom „Roadhouse Blues“ von THE DOORS. Auch THE DOORS gehören zu einer meiner Lieblingsbands und ich war gespannt, was DEEP PURPLE aus diesem Song machen… als beinharter THE DOORS-Fan kann / darf / muss ich sagen, dass die Originalversion von dem Cover nicht überholt wird, denn es fehlt mir einfach der raue Gesang Jim Morrisons, das rotzige, rebellische Auftreten. Aber Rebellion hat Mr. Gillan nicht mehr nötig; dafür hat die Altersweisheit schon Einzug gehalten. Instrumental gibt man dem Song allerdings einigen Schwung mit und wieder sind es Morse, Airey, Paice und Glover, die mit ihrem individuellen Können begeistern und eine Coverversion nicht zur Farce verkommen lassen.

„Infinite“ ist eines der besseren DEEP PURPLE-Alben geworden, wobei mir nicht jeder Song 100%ig gefällt, aber doch immer wieder zum Hinhören nötigt, weil es so unglaublich viele Facetten, Spielereien, Licks und Hooks zu entdecken gibt. Wenn die eine oder andere Songidee an sich etwas schwächer zu sein scheint, reißen es die fünf Musiker mit ihrer Klasse immer wieder raus und so etwas ist heutzutage definitiv sehr, sehr selten.

Fans der Band und Hard Rock-Fans allgemein sind bestens beraten, sich dieses Album auf dem Einkaufszettel zu notieren und eines der Konzerte der „The Long Goodbye“-Tour zu besuchen. (chris)